Kommentator Mark Webster konnte das alles nicht mehr glauben, was sich da zu später Stunde auf der Bühne des WV Active Aldersley in Wolverhampton abspielte: „Was zum Himmel passiert hier gerade?“, rief der TV-Mann ins Mikrofon. Erst als alles vorbei war und Michael Smith mit einem 10:9 gegen Chris Dobey sein erstes Viertelfinale beim Grand Slam seit seinem Sieg 2022 perfekt gemacht hatte, folgte die Antwort: „Völlig bizarrer Stoff zum Abschluss“, stammelte Co-Kommentator Dan Dawson.
Beim Grand Slam of Darts hatten Dobey und Smith ihrem abschließenden Achtelfinale des Abends auch nach 18 Legs noch keinen Sieger ermitteln können. Dobey brachte ein 5:2 nicht den entscheidenden Vorteil, Smith konnte seine 8:6-Führung nichts ins Ziel bringen. Die beiden Engländer mussten beim Stand von 9:9 ins alles entscheidende Leg. Und dieser Decider sollte ein denkwürdiger werden.
Die Anspannung war greifbar bei Smith und Dobey. Die Nerven lagen blank
Dobey eröffnete mit fünf perfekten Darts und stand nach drei Aufnahmen bei 56 Punkten Rest. Smith, ähnlich treffsicher, wartete bei 100 Punkten. Dobey aber ließ die Chance zum 11-Darter auf Tops aus und vergab auch den zweiten Matchdart.
Smith erspielte sich daraufhin eine Möglichkeit zum Sieg, warf den Pfeil aber in die Single-5 statt in die Doppel-20 und schaute verwundert seine Hand an. Er hielt sich den Unterarm, drehte ihn ungläubig hin und her. Das passende Bild zu diesem engen Duell, aber auch den Aufnahmen, die noch folgen sollten: Dobey war bei seinen drei weiteren Versuchen auf Tops nicht mal in Nähe des Drahts, Smith verfehlte anschließend etwas knapper auf Doppel-16 und Doppel-8.
Dobey legte bei Smiths Fehlversuchen im Hintergrund die Hände in den Nacken. Die Anspannung war greifbar. Die Nerven lagen blank. Auch und insbesondere bei Dobey, der nun seine Matchdarts sechs, sieben und acht am Doppel vorbei warf.
Mehrfach hatten die Spieler nach ihren Aufnahmen ihre Darts wieder in die Tasche gepackt, um sie nach den gegnerischen Fehlern dann doch wieder herauszuholen. Jetzt ließ Smith drei weitere Fahrkarten folgen – und Webster damit seine unbeantwortete Frage stellen. Die Fans blickten gebannt auf die Bühne, erlebten die volle Dosis an Dramatik, die dieser Sport so zuverlässig liefert.
Dobey trieb es auf der Doppel-5 auf die Spitze, warf den ersten zu hoch und den zweiten auf den Draht. Pfeil Nummer drei steckte dann tatsächlich im Doppel – allerdings im falschen: Doppel-12. Kopfschütteln und Kaugummikauen.
Smith hatte sich derweil bis zur Doppel-4 vordilettiert, warf seinen Matchdart Nummer neun knapp daneben – und verwandelte mit Matchdart Nummer zehn dann doch noch zum Sieg.
Michael Smith bremst seinen Absturz
Als der Wahnsinn vorbei war, fielen sich beide entnervt in die Arme, und Smith zeigte Dobey seine immer noch zitternde Hand. Neunmal hatte er vorbei geworfen, Dobey sogar zweimal mehr. 20 ausgelassene Matchdarts in Serie – ein Spiel für die Chroniken, das abseits der Dramatik aber auch die Wiedergeburt des Michael Smith markieren könnte.
„Ich hätte gar nicht mehr rankommen sollen, ich hätte auch dieses Spiel nicht gewinnen dürfen“, sagte er später und beschrieb seine verzweifelte Suche nach Selbstvertrauen: „Ich habe das Bild von mir hier an der Wand gesehen und mich versucht an 2022 zu erinnern.“
Es war die erfolgreichste Phase seiner Karriere. Im November 2022 gewann er den Grand Slam, zwei Monate später die Darts-Weltmeisterschaft. Es blieben seine einzigen beiden Major-Siege im Einzel. 2024 gewann er an der Seite von Luke Humphries, am Freitag sein Gegner im Viertelfinale, noch einmal den World Cup für England.
Ansonsten setzte sich ein Sinkflug fort, der in diesem Jahr an Geschwindigkeit zunahm und manchen bereits das Ende von Smiths Profikarriere für 2027 prophezeien ließ. Seit 2016 und hatte er kein einziges Major-Turnier verpasst, sich aber zuletzt dreimal in Folge nicht für ein Major qualifizieren können. World Matchplay, World Grand Prix und die European Darts Championship fanden ohne den „Bully Boy“ statt. Der Weltmeister von 2023 stürzte im Ranking bis auf Platz 30 ab.
Auch wenn die Trendwende noch nicht vollzogen ist und er das Ende des Matches schnell abhaken will, dürfte das Erreichen des Viertelfinals Smith, der beim Grand Slam in der Gruppenphase auch Nathan Aspinall hinter sich ließ, neue Zuversicht geben.
Wenn Lutz Wöckener nicht gerade irgendeinen Sport im Selbstversuch ausprobiert, schreibt er über Darts und Sportpolitik, manchmal aber auch Abseitiges wie Fußball.
Grand Slam of Darts, Achtelfinale
- Luke Woodhouse (ENG) – Ricky Evans (ENG) 9:10
- Gerwyn Price (WAL) – Martin Schindler (D) 10:6
- Luke Humphries (ENG) – Jurjen van der Velde (NED) 10:3
- Chris Dobey (ENG) – Michael Smith (ENG) 9:10
Donnerstag
- Lukas Wenig (D) – Niko Springer (D)
- Josh Rock (NIR) – Connor Scutt (ENG)
- Luke Littler (ENG) – Wessel Nijman (NED)
- Michael van Gerwen (NED) – Danny Noppert (NED)
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