Die einschlägigen Medien berichteten von einer „Sensation“, die Niko Springer am Sonntagabend gelungen sein soll. Wer die letzten Monate des deutschen Darts-Profis allerdings verfolgt, muss sich fragen, ob diese Beschreibung überhaupt noch zutrifft.

Ja, auf dem Papier hat Springer, als Nummer 56 in den Grand Slam of Darts gestartet, die Nummer drei der Welt geschlagen. Den dreimaligen Welmeister noch dazu. Michael van Gerwen, eine Legende seines Sports. Mit 5:4 bezwang Springer ihn im zweiten Gruppenspiel in Wolverhampton, sicherte sich damit vorzeitig den Einzug in sein erstes Achtelfinale bei einem Major-Turnier.

Zum Auftakt am Samstag hatte er gegen den Schotten Gary Anderson, ebenfalls zweimaliger Weltmeister, mit 5:3 gewonnen. „Das ist ein besonderer Sieg für mich. Die ersten Darts, die ich je gespielt habe, waren Anderson-Darts“, sagte Springer.

Dass der gebürtige Mainzer solche großen Siege gegen große Gegner kann, hat er in den vergangenen Wochen aber bereits in erstaunlicher Regelmäßigkeit bewiesen. Bei seinem Sieg auf der European Tour in Budapest, der ihm den Platz beim Grand Slam brachte, schlug Springer im September nacheinander Juniorenweltmeister Gian van Veen, Ex-Weltmeister Rob Cross und den Weltranglistenersten Luke Humphries.

In Wolverhampton geht es für Springer am Dienstagabend gegen die beste Dartspielerin der Gegenwart, Beau Greaves zum Abschluss in der als „Todesgruppe“ bezeichneten Gruppe G nur noch um den Gruppensieg.

Der Deutsche ist in Top-Form, klettert munter die Karriereleiter und die Weltrangliste nach oben. Dass noch derart viele Plätze zwischen ihm und van Gerwen liegen, rührt vor allem daher, dass Springer erst seit Januar auf der Profi-Tour unterwegs ist und damit für die auf zwei Jahre errechnete Rangliste noch lange nicht so viel Preisgeld einspielen konnte wie seine Gegner.

Van Gerwen ist in der jüngeren Vergangenheit hingegen eine Wundertüte. Auf Titel, wie bei den World Series of Darts Finals im September, folgen oftmals rätselhafte Auftritte. Jener gegen Springer war vor allem bei den Versuchen auf die Doppelfelder ein solcher. Van Gerwen traf nur vier seiner 19 Versuche – eine schwache Quote von 21,05 Prozent. Springer behielt im Decider die Nerven auf der Doppel-2 und komplettierte damit einen aus deutscher Sicht perfekten Sonntag.

Schindler mit besserer Körpersprache gegen Bunting

Martin Schindler hatte zuvor dem Druck standgehalten, den ihm seine 2:5-Auftaktniederlage gegen den Engländer Luke Woodhouse beschert hatte. Er besiegte mit Stephen Bunting die Nummer vier der Welt. Die deutsche Nummer eins überstand beim 5:4 zwei Matchdarts seines Gegners. „Meine Körpersprache war besser als im ersten Spiel, ich wollte meine guten Aufnahmen bewusst feiern“, sagte Schindler im Anschluss.

Auch für van Gerwen hatte „The Wall“ noch ein paar Worte übrig. Der Niederländer hatte Niko Springer – und eben nicht Schindler – am Samstag als „besten deutschen Dartsspieler aller Zeiten“ bezeichnet. Schon im Sommer hatte van Gerwen vor der Team-WM Giftpfeile in Richtung Deutschland geschickt. Die Deutschen seien „besser darin, Darts zu schauen, als Darts zu spielen“, sagte der Superstar damals.

„Jedes Mal, wenn er schlechte Dinge über mich in den Medien gesagt hat, war ich danach sehr gut, habe etwa auf der European Tour gewonnen. Er kann damit weitermachen, wenn er mich blamen will“, antwortete Schindler: „Ich bin meinen Weg gegangen, spiele seit über acht Jahren. Ich bin immer noch hier, stehe unter den Top 16 (im Live-Ranking Platz 15, d. Red.). Ich habe ein Kämpferherz. Er kann darüber nicht Schlechtes sagen.“

Im direkten Duell gegen den Außenseiter Alexis Toylo von den Philippinen geht es für Schindler am Montagabend (ab 20 Uhr/DAZN und Sport 1) um ein Ticket für das Achtelfinale. „Jetzt habe ich das Weiterkommen in meinen eigenen Händen“, sagte Schindler: „Nichts gegen Alexis, er hat Bunting geschlagen und ist ein guter Spieler. Aber aufgrund seines Namens ist er der leichteste Gegner.“

Wenig gewinnt überraschend gegen Clayton

Am Nachmittag bereits hatte Lukas Wenig für die wohl größte Überraschung aus deutscher Sicht gesorgt und den Waliser Jonny Clayton mit 5:3 bezwungen. Nacheinander besiegten die drei Deutschen somit die Nummer sechs, vier und drei der Weltrangliste. Wenig hatte sich erst über ein Qualifikationsturnier überhaupt in die 32 Spieler starke Gruppenphase gespielt.

Auch der Weltranglisten-71. hat jetzt beste Chancen aufs Achtelfinale. Am Dienstagabend kommt es zum direkten Duell gegen den Engländer Cam Crabtree (78. der Weltrangliste) ums Weiterkommen, eine lösbare Aufgabe für Wenig.

Für den emotionalen Höhepunkt des Abends sorgte zweifellos der Weltranglistenerste Humphries. Ein ansonsten schwaches Spiel gegen den ehemaligen Weltmeister Michael Smith beendete Humphries mit einem Neundarter. Es war das siebte perfekte Leg in der Geschichte des Grand Slam of Darts.

Luca Wiecek ist Sportredakteur für WELT. Mit seiner Darts-Mannschaft VfD Rakete Berlin fuhr er am vergangenen Mittwoch in der Berliner Oberliga einen 9:5-Erfolg ein.

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