Die Sonne schien. Es waren knapp 20 Grad an diesem Sonntagmorgen, als die deutschen Nationalspieler im kleinen AOK-Stadion zu Wolfsburg auf den Rasen kamen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte zu einer öffentlichen Regenerationseinheit geladen. Der Andrang war groß, obwohl das Team am Abend zuvor eine fette Abreibung von Japan bekommen und 1:4 verloren hatte.

Bundestrainer Hansi Flick lief im Anschluss am Zaun entlang, schrieb fleißig Autogramme und posierte für Fotos. Wie man das eben so macht, wenn der Anhang die Nähe sucht, die ihm sonst verwehrt bleibt. Nur an diesem Vormittag, dem 10. September 2023, mutete das skurril an. Flick hatte sich am Abend zuvor nach der Niederlage zwar noch zuversichtlich geäußert und sich als richtigen Trainer für die seit Monaten kriselnde Nationalelf bezeichnet, doch eine Entbindung von seinen Aufgaben stand dennoch kurz bevor.

Und so kam es am Nachmittag dann auch. Der Verband teilte mit, dass Flick sowie die beiden Co-Trainer Marcus Sorg und Danny Röhl mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben entbunden werden. „Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt“, wurde Präsident Bernd Neuendorf zitiert.

Erste Bundestrainer-Entlassung in der DFB-Geschichte

Es war ein historisches Ereignis: Mit Flick war erstmals der deutsche Bundestrainer entlassen worden. Sportdirektor Rudi Völler übernahm für eine Partie als Interimstrainer – und schaffte nur wenige Tage später die Trendwende. Unter Völler gab es in Dortmund ein 2:1 gegen Frankreich. Auf Völler folgte schließlich Julian Nagelsmann als 12. Bundestrainer in der DFB-Historie.

Etwas mehr als zwei Jahre später kehrt die deutsche Nationalelf nun an den Ort des sportlichen Grauens zurück. Sie wird in Wolfsburg zwar kein Länderspiel bestreiten. Aber sie wird in Vorbereitung auf das WM-Qualifikationsspiel Freitag in Luxemburg (20.45 Uhr/RTL) dort trainieren – und sich Montag um 15.30 Uhr in der kleinen AOK-Arena den Fans präsentieren. 4000 Zuschauer werden erwartet.

Dass die Nationalmannschaft in Wolfsburg gastiert, liegt an VW. Der Automobilkonzern ist seit 2019 Hauptsponsor des DFB. Die Partnerschaft, die bis 2028 vertraglich datiert ist, umfasst die Männer- und Frauen-Nationalmannschaften, die Juniorenteams, den DFB-Pokal und den Amateurbereich.

Knapp 20 Millionen soll der weltweit größte Sportverband kassieren – dass man sich dafür auch mal mit der Eliteauswahl in der Stadt des Firmensitzes präsentiert, liegt auf der Hand.

Was Wolfsburg und die Nationalmannschaft betrifft, wird die Stadt dennoch auf ewig mit der Flick-Entlassung in Verbindung gebracht werden – und nicht nur das: als das Nationalteam 2023 dort weilte und hoffte, gegen Japan nach zuvor teils schwachen Leistungen den Turnaround zu schaffen, wurde ausgerechnet einen Tag vor der Partie auch noch die Amazon-Doku „All or Nothing“ von der WM in Katar 2022 ausgestrahlt.

Jener Film, der neben dem sportlichen Scheitern die internen Auseinandersetzungen während des Turniers offenbarte. Flick hatte der Mannschaft als Motivation vor dem ersten Gruppenspiel einen Kurzfilm über Graugänse gezeigt. Die Spieler, so der Wunsch, sollten von den Gänsen lernen und einen großen Flug in Katar machen. Es wurde bekanntlich ein Sturzflug.

Bis Donnerstag wird der DFB-Tross – aus dem Kader von September 2023 sind aktuell noch zehn Spieler dabei – in Wolfsburg bleiben, und der Stadt vielleicht etwas sportlichen Glanz verleihen. In einer Zeit, in der der ortsansässige Bundesligist VfL Wolfsburg mal wieder die Notbremse gezogen und am Sonntagabend zum sechsten Mal innerhalb von viereinhalb Jahren den Cheftrainer vorzeitig entlassen hat. Der Niederländer Paul Simonis, erst vor vier Monaten ins Amt berufen, ist seinen Job schon wieder los. Vorerst übernimmt U19-Coach Daniel Bauer als Interimslösung. Das hatte der 43-Jährige bereits im Mai als Kurzzeit-Nachfolger von Ralph Hasenhüttl getan.

Wie schlecht es um den VfL steht, hatte sich nicht nur am vergangenen Freitag wieder beim 1:2 in der Bundesliga gegen Werder Bremen gezeigt. Als die Mannschaft Ende Oktober in der 2. Runde des DFB-Pokals daheim gegen Bundesliga-Absteiger Holstein Kiel spielte, wurde die Partie nicht nur mit 0:1 verloren. In die Arena, in die 30.000 Zuschauer passen, kamen lediglich 10.793 Zuschauer – und unter ihnen rund 2000 aus Kiel.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke