Apple hat das dünnste iPhone seiner Geschichte vorgestellt – ein technisches Kunststück, das optisch durchaus beeindruckt, aber am Kern der Entwicklung vorbeigeht. Immer schlankere Gehäuse oder verfeinerte Designs lösen längst nicht mehr das zentrale Problem des Marktes: Die Hardware hat ihre großen Innovationssprünge hinter sich.
Nutzer erwarten heute nicht mehr nur ein dünneres oder eleganteres Smartphone, sondern intelligente Funktionen, die den Alltag tatsächlich verändern. Und das kann derzeit nur die Künstliche Intelligenz. Doch davon war bei der Präsentation der iPhone-17-Modelle fast keine Rede. Mit der Konzentration auf Form statt auf KI hat Apple also womöglich die Hausaufgabe übersehen, die den Unterschied ausmacht.
Seit Jahren empfinden viele Nutzer die Weiterentwicklung der Smartphone-Hardware als wenig aufregend – und behalten ihre Geräte deshalb zunehmend länger, bevor sie ein neues Modell kaufen. Displaygrößen, Kameraauflösungen und Akkulaufzeiten haben längst ein Niveau erreicht, auf dem Verbesserungen nur noch in kleinen Schritten stattfinden. Daran ändert auch ein dünneres Gehäuse nichts.
Auch Apple ringt in diesem Bereich um echte Neuerungen. Funktionen, die zunächst als Meilensteine präsentiert wurden, konnten die anfängliche Euphorie selten langfristig tragen. Dazu zählt etwa die Dynamic Island, die den Bereich um die Frontkamera in ein interaktives Display-Element verwandelt, um Benachrichtigungen und Statusinformationen elegant einzublenden.
Ähnlich verhält es sich mit der neuen seitlichen Kamera-Taste. Die ermöglicht zwar einen schnellen Zugriff und gibt per Wischgeste zusätzliche Optionen frei wie Zoom, Porträtmodus oder andere Aufnahmefunktionen, tröstet aber nicht über das Gefühl hinweg, dass hier nur kleine Ergänzungen statt großer Innovationen stattfinden.
Weil größere Technologiesprünge bei der Hardware ausbleiben, rücken Software- und insbesondere KI-Funktionen zunehmend ins Zentrum der Entwicklung. Genau in diesem Bereich jedoch zeigt Apple Schwächen. Eigentlich wollte der Konzern mit einer intelligenteren Siri eine völlig neue Form der iPhone-Nutzung einleiten. Doch von den vollmundigen Ankündigungen blieb wenig übrig – vieles wurde erst einmal verschoben.
Design statt KI
Das zeigte sich schon auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz WWDC im Juni, auf der Apple mit großem Aufwand ein neues „Liquid Glass Design“ präsentierte, das dem iPhone eine modernisierte, fast flüssig wirkende Optik verleihen soll. Doch bei den viel wichtigeren KI-Funktionen gab es kaum Fortschritte zu vermelden.
Gleichzeitig beschleunigt sich die Entwicklung bei der Konkurrenz rasant. Wer hier zögert, riskiert, entscheidend ins Hintertreffen zu geraten. Vor allem Google treibt das Feld voran und hat erst vor wenigen Wochen mit seinen neuesten Pixel-Modellen eindrucksvoll demonstriert, wie weit sich KI in den Mittelpunkt der Nutzererfahrung rücken lässt – und wie klar sich der Konzern damit von Apple absetzt.
Während sich das iPhone bisher auf vereinzelte KI-Funktionen wie Fotoretusche oder Sprachsteuerung beschränkt, macht Google Künstliche Intelligenz zum Herzstück der gesamten Bedienung. Mit „Magic Cue“ etwa analysieren die Pixel-Smartphones den Kontext aus E-Mails, Kalenderterminen oder laufenden Gesprächen und schlagen in Echtzeit passende Antworten oder Ergänzungen vor – ein spürbarer praktischer Vorteil.
Auch in der Fotografie geht Google neue Wege: Die Funktion „Camera Coach“ begleitet den Nutzer direkt beim Fotografieren, gibt Hinweise zur Bildgestaltung und setzt damit nicht erst bei der nachträglichen Optimierung an. Der „Pro Res Zoom“ rekonstruiert Details bei einer 100-fachen Vergrößerung mithilfe generativer Modelle und verschiebt damit die Grenzen dessen, was Smartphone-Kameras leisten können.
Wie weit Google den Einsatz von KI bereits vorangetrieben hat, zeigt sich schließlich in der Übersetzungsfunktion für Telefonate. Sie übersetzt Anrufe nicht nur in Echtzeit in eine andere Sprache, sondern ahmt zugleich Stimme und Tonfall nach – und das direkt auf dem Gerät, ohne Daten an Server zu senden. Damit setzt Google einen Maßstab für die nächste Smartphone-Generation.
Apple hat mit den neuen iPhone-17-Modellen gezeigt, dass es die Hardware im Griff hat. Doch nun sollte der Konzern sehr schnell nachlegen und für sich ein neues Kapitel aufschlagen, damit es nicht von Konkurrenten wie Google und Samsung geschrieben wird.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.
Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.
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