Die Trainingswoche in Bochum begann ungewöhnlich. Am Dienstag spielte die Mannschaft des VfL Padel-Tennis, anschließend wurde an der Castroper Straße gegrillt. Dazu waren auch die Familien der Spieler geladen. Im Abstiegskampf kommt es auch darauf an, sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Denn das hat häufig Fehler zur Folge.

Genau dies war bei den Bochumern, die fünfmal in Folge verloren hatten, aber das Problem. Deshalb war Mannschaftskapitän Anthony Losilla zu Dieter Hecking gegangen und hatte darum gebeten, den Alltag ein wenig aufzulockern. Der erfahrene Trainer kam dem nach – schließlich hatte auch er die Zeichen der Verunsicherung ausgemacht.

„Die erfolglosen Wochen haben etwas mit der Mannschaft gemacht. Sie will, sie macht auch vieles richtig – aber eben auch einiges falsch“, sagte Hecking. Das müsse sich ändern, wenn der VfL noch eine Chance haben will. Der Tabellen-17. hofft vor dem Spiel gegen Union Berlin am Sonntag (15:30 Uhr, DAZN und im Liveticker bei WELT) immer noch darauf, bis Saisonende zumindest noch den Relegationsplatz erreichen zu können.

Sportgericht entschied für den VfL Bochum

Das Duell mit den Berlinern könnte jedoch zu einem Nervenspiel werden – in einer besonders aufgeheizten Atmosphäre. Dafür dürften die Erinnerungen an das Hinspiel vom 14. Dezember sorgen. Die Partie war in der 92. Minute beim Stand von 1:1 für mehr als 25 Minuten unterbrochen worden, nachdem VfL-Torhüter Patrick Drewes von einem aus dem Union-Block geworfenen Feuerzeug getroffen worden war. Drewes konnte das Spiel nicht fortsetzen und ging vom Feld. Die Bochumer legten Einspruch gegen die Spielwertung ein. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes wertete die Partie daraufhin 2:0 für Bochum.

Anschließend kam es zu einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung. Vor allem Union-Präsident Dirk Zingler kritisierte sowohl den DFB als auch die Bochumer scharf. „Das Sportgericht hat bei seinem Urteil ein Ermessen an den Tag gelegt, das ihm nicht zusteht“, sagte er und betonte gleichzeitig, dass Union in einem umgekehrten Fall keinen Einspruch eingelegt hätte. Christoph Schickardt, der Anwalt des VfL, bezeichnete diese Einlassungen als „Sauerei“. Die Argumentation sei „größtenteils Unsinn, der nicht besser wird, wenn man ihn ständig wiederholt“. Die Köpenicker treffe „die volle Breitseite der Schuld“. Das sehen die allerdings unverändert anders.

Union legte Einspruch ein, zunächst beim DFB-Bundesgericht, das jedoch den Urteilsspruch des Sportgerichts bestätigte. Dann riefen die Berliner auch noch die letzte Instanz an, das Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften. Vor anderthalb Wochen hieß es, dass das Schiedsgericht sein Urteil erst nach dem Rückspiel fällen werde, um eine indirekte Einflussnahme zu verhindern – selbst wenn sich die Unioner bereits vor einer Woche durch ein 4:4 gegen den VfB Stuttgart den Klassenverbleib gesichert haben.

Union fühlt sich unfair behandelt, Bochum sieht Täter-Opfer-Umkehr

Die Wahrscheinlichkeit, dass das Urteil tatsächlich noch gekippt wird, gilt als eher gering – doch durch den anhaltenden Rechtsstreit wird die Stimmung zwischen den Klubs und den Fans weiter erheblich belastet. Die Berliner fühlen sich unfair behandelt. Sie suggerieren, dass es der Sportgerichtsbarkeit in erster Linie darum ging, ein Zeichen gegen Gewalt in den Stadien zu setzen – wofür sie ihrer Auffassung nach nicht zuständig ist.

Die Bochumer dagegen fühlen sich verunglimpft, weil in einigen Äußerungen sowohl der Berliner als auch von Vertretern anderer Vereine der Eindruck erweckt worden sei, ihr Torhüter hätte damals geschauspielert. „Wie die über uns geredet haben, obwohl sie einen Fehler gemacht haben“, sagte Losilla. Gleichzeitig hofft der Routinier, dass es gelingt, „den Ärger am Sonntag auszublenden“.

Ob die Bochumer Mannschaft dazu in der Lage ist, bleibt abzuwarten. Zuletzt wirkte sie alles andere als mental gefestigt. Das war vor allem beim 0:1 am vergangenen Spieltag in Bremen deutlich geworden. Da war das Hecking-Team nicht die schlechtere Mannschaft – aber eindeutig die unkonzentriertere. „Es war nicht so, dass wir dort nicht gut gespielt haben, aber es gab Szenen, in denen wir nicht clever genug waren“, sagte der Trainer. „Wir bekommen ein Gegentor, weil wir hoffen, dass der VAR eingreift, und abschalten“, kritisierte er.

Werders Mitchell Weiser hatte Maximilian Wittek mit einem vertretbaren Rempler im Bochumer Strafraum zu Fall gebracht. Die Bochumer reklamierten Foulspiel, während die Bremer den Ball erneut in die Gefahrenzone brachten und Weiser das Tor erzielte. Dann monierten die Bochumer Abseits – was ebenfalls nicht vorlag, da es vom am Boden liegenden Wittek aufgehoben worden war.

Symptomatisch war auch das Verhalten der Spieler wenige Minuten später, als es zu einer Rudelbildung kam und Mittelfeldspieler Ibrahima Sissoko die Gelb-Rote Karte sah. „Das sind Dinge, die uns Punkte kosten. Das nervt mich kolossal, das zieht sich wie ein roter Faden durch die vergangenen Spiele“, erklärte Hecking. Es sei nicht so, dass die Mannschaft nicht bemüht sei oder nicht als Einheit auftrete. „Aber wir regen uns über den Schiedsrichter auf, über eine falsche Entscheidung oder über einen Ball im Aus. Und dann sind wir zehn Minuten aus dem Spiel – und verlieren“, so der Trainer.

Bochum braucht ausgerechnet gegen Union die Trendwende

Dies müssen die Spieler schnell in den Griff bekommen, sonst dürfte es unmöglich werden, das rettende Ufer noch zu erreichen. „Es zeigt mir, dass noch nicht alle Knöpfe so gedrückt sind, wie es sein müsste“, erklärte Hecking. Auch fußballerisch müsse sich die Mannschaft steigern – was sich im Training zuletzt allerdings zumindest andeutete. „Da sieht man Spielzüge, wo ich denke: Jungs, hier zeigt ihr es doch“, sagte der Coach.

Ausgerechnet gegen Union soll nun die dringend benötigte Trendwende eingeleitet werden. Das wird jedoch nicht einfach – denn allein wegen der immer noch nicht ausgestandenen Vorgeschichte dürfte bei den Gästen eine sehr spezielle Motivation vorherrschen. Aus dem Osten Berlins werden viele Fans im Ruhrstadion erwartet. Das Motto lautet: „Alle in Rot nach Bochum“.

Die Verantwortlichen von Union Berlin werden allerdings auf die Reise ins Ruhrgebiet verzichten. Das liegt jedoch nicht daran, dass sie ihren Kollegen vom VfL Bochum aus dem Weg gehen wollen. Die Frauenmannschaft von Union kann am Sonntag im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach den Aufstieg in die Bundesliga schaffen.

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