Schnellen Schrittes und mit Unterlagen im Arm eilt Gregor von Opel zum vereinbarten Treffpunkt in Kronberg im Taunus. Der 56-Jährige ist ein viel beschäftigter Unternehmer, aber wenn es um das Thema Bewegung geht, nimmt er sich Zeit – ein Sportsmann durch und durch. Selbst aktiv sowie seit mehr als drei Jahrzehnten im Einsatz für den Sport. Seit vergangenem Jahr führt er als Präsident die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG), deren Gründungspräsident 1951 sein Vater Georg war. Ein eigenständiger Förderverein, der sich für die Verbreitung des olympischen Gedankens einsetzt.

Sein Vater, siebenmaliger deutscher Meister im Rudern und auch in anderen Sportarten erfolgreich, war zudem Mitbegründer der Stiftung Deutsche Sporthilfe sowie IOC-Mitglied. Als DOG-Präsident wirkte er in den 50er-Jahren am „Goldenen Plan“ für den Sportstättenbau mit, der zur Richtlinie für Milliardeninvestitionen wurde.

WELT AM SONNTAG: Herr von Opel, warum engagieren Sie sich für den Sport? Hat das auch familiäre Gründe?

GREGOR VON OPEL: Ich hatte das Glück, schon als Kind verschiedene Sportarten ausprobieren zu dürfen. Seitdem gehört Sport fest zu meinem Leben – am liebsten täglich. Er macht mir Freude, tut mir gut, gibt mir Energie und hält mich gesund. Mein Vater verstarb leider, als ich noch sehr jung war. Doch sein Lebensweg und sein Engagement für den Sport haben mich tief geprägt. Trotzdem ist es nicht nur seine Geschichte, die mich antreibt.

WAMS: Sondern was genau?

VON OPEL: Als ich meine Arbeit für die Deutsche Olympische Gesellschaft begann, wurde mir klar, wie wertvoll und bereichernd diese Tätigkeit ist. So kam ich dazu – über das eigene Erleben, die Begegnung mit engagierten Menschen und die Überzeugung, dass Sport einen echten Unterschied macht. Dieses Thema treibt mich an – nicht, weil ich ein Amt oder eine Funktion anstrebe. Ich habe genug erlebt und bin gut beschäftigt. Mir geht es um Menschen, um das, was wir durch Sport für sie bewirken können – insbesondere für Kinder. Mich begeistert die Kraft des Sports. Deshalb liegt mein Fokus heute auf der Stärkung, Aktivierung und Belebung des Sports in Deutschland, denn dieses Thema ist von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung.

WAMS: Es soll künftig einen Staatsminister für Sport und Ehrenamt im Bundeskanzleramt geben. Eine Premiere. Zufrieden?

VON OPEL: Ich begrüße das mit Nachdruck, weil es den Bürgerinnen und Bürgern signalisiert, dass die Politik den dringenden Handlungsbedarf für dieses Ressort erkannt hat. Im Übrigen war das auch schon bei Innenministerin Nancy Faeser spürbar. Aber ein eigener Staatsminister ist genau das, was es jetzt braucht. Wir stehen an einem Wendepunkt, der echte Veränderungen möglich macht, die auch dringend notwendig sind.

WAMS: Erkannt ist das eine, getan das andere.

VON OPEL: Ganz genau. Nur weil etwas im Raum steht, heißt das nicht, dass es auch umgesetzt wird. Wir müssen uns aus dieser Dauerschleife befreien – festgestellt wird viel, getan aber zu wenig. Die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und dann auch umzusetzen, ist ein langer Weg – in Deutschland leider ein besonders langer. Genau deshalb wollen wir als DOG ein aktiver, konstruktiver Partner sein. Wir wollen Dinge bewegen. Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Menschen aktiv einbringen – sei es im Verein, in der Schule oder durch eine Mitgliedschaft in der DOG.

WAMS: Die DOG steht für die Verbreitung des olympischen Gedankens. Wie oft müssen Sie erklären, was das eigentlich bedeutet?

VON OPEL: Ab und zu kommt das vor – und ich erkläre es gern. Denn die Olympischen Spiele und der Leistungssport sind zwar die sichtbaren Aushängeschilder, aber das allein wird der olympischen Idee bei Weitem nicht gerecht. Es geht um Werte wie Fair Play, Leistungsbereitschaft, internationale Verständigung und Teamgeist. Diese Werte gehören in die ganze Gesellschaft – nicht nur in die Sportarenen.

WAMS: Manche sagen: Sport ist Luxus, wenn man Zeit hat.

VON OPEL: Ich sage: Sport ist absolut notwendig. Einerseits, um die olympischen Werte zu vermitteln – unsere Initiativen wie „Fair Play“ oder „Sport verbindet“ sind aktueller denn je. Andererseits, weil der Zeitgeist und der fordernde Alltag die sportliche Betätigung verdrängt haben. Formulierungen, die uns in der DOG gerade sehr am Herzen liegen, sind: „Deutschland, beweg dich!“ – als Impuls zur Umsetzung notwendiger Reformen. Und „Mensch, beweg dich!“ – als persönliche Aufforderung. Denn Bewegungsmangel ist inzwischen Volkskrankheit Nummer eins. Kinder und Jugendliche verbringen viel zu viel Zeit mit digitalen Medien. Der Schulsport allein reicht nicht aus – wir müssen frühzeitig gezielt Bewegung fördern.

WAMS: Wenn der Schulsport denn überhaupt stattfindet.

VON OPEL: Ein Blick nach Frankreich lohnt: Im Zuge der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2024 wurde dort an Grundschulen täglich eine halbe Stunde Bewegung eingeführt. Daraus sollten wir eine Blaupause machen. Das wäre auch bei uns sinnvoll – nicht nur wegen der Olympischen Spiele, sondern weil Sport den natürlichen Bewegungs-, Spiel- und Wettbewerbsdrang fördert. Und weil es einfach Freude macht.

WAMS: Der DOG-Slogan lautet: „Leistung macht Spaß“. Dafür gibt es auch Kritik.

VON OPEL: Ja, ich muss das leider immer wieder erklären. In Deutschland ist der Begriff „Leistung“ oft negativ belegt. Aber ich finde: Leistung gehört zum Menschen. Schauen Sie sich nur die Kinder an – sie vergleichen sich ganz natürlich, fordern sich heraus, wollen gesehen werden. Bei aller berechtigten Freude über kindgerechte Reformen wie etwa bei den Bundesjugendspielen darf nicht übersehen werden, dass der Leistungsgedanke nicht verloren gehen darf. Kinder und Jugendliche wollen sich messen, sich verbessern, etwas schaffen – das ist etwas zutiefst Menschliches. Wir müssen vermitteln: Leistung macht Spaß. Gerade im Sport kann man das auf eine spielerische, faire und motivierende Weise erleben. Leistung ist nichts Geringes oder Negatives – man lernt durch Sport zu gewinnen, aber auch zu verlieren. Und beides gehört zum Leben.

WAMS: Gerade Verlieren muss man lernen.

VON OPEL: Richtig. Wenn man Kindern das vorenthält, lernen sie es zu spät – oder gar nicht. Sport vermittelt Zielstrebigkeit und Fairness. Kinder können damit oft viel besser umgehen als wir Erwachsenen. Differenzierungen – mit oder ohne Handicap, nicht begütert oder wohlhabend – sind Kindern meist egal. Wir machen daraus ein Thema.

WAMS: Sport also als Lebensschule?

VON OPEL: Sport kann ein wertvoller Begleiter fürs ganze Leben sein. Nicht jeder braucht gleich viel davon – aber jeder sollte Zugang dazu haben. Ein guter Grund, den Betriebssport wieder zu fördern. Vieles muss man nicht neu erfinden. Wir brauchen in vielen Bereichen einfach eine Renaissance.

WAMS: Auch bei den Sportstätten?

VON OPEL: Unbedingt. Die Lage ist – sagen wir mal – nicht optimal.

WAMS: Eher katastrophal.

VON OPEL: Vielleicht ja. Ich wollte es freundlich umschreiben. Es gibt Ausnahmen, aber viele Sportstätten stammen noch aus der Nachkriegszeit. Sanierungen dauern zu lang. Wir können nicht 15 Jahre auf ein neues Schwimmbad warten. Das muss auch mal in fünf Jahren gehen.

WAMS: Der Koalitionsvertrag sieht mindestens eine Milliarde Euro für Modernisierung vor. Brauchen wir einen neuen „Goldenen Plan“?

VON OPEL: Ja – dringend. Der damalige Goldene Plan der DOG hat tausende Sportanlagen ermöglicht. Wir brauchen heute einen an die Zeit angepassten Plan: für moderne Sportstätten, für ein aktives Vereinsleben, für Bewegung im Alltag. Und wir brauchen einen umsichtigen und kraftvollen Staatsminister, der das gemeinsam mit dem DOSB und anderen Verantwortlichen umsetzt.

WAMS: Ist also in der Vergangenheit zu viel liegen geblieben?

VON OPEL: Ja, aber das gilt nicht nur für den Sport. Straßen, Brücken, Schulen, Behörden – man hat in Deutschland oft an den falschen Stellen gespart.

WAMS: Weil – bezogen auf den Sport – dieser zu wenig Lobby hatte?

VON OPEL: Sicherlich. Sport galt lange als „nice to have“. Das Bewusstsein ändert sich langsam, aber jetzt müssen Taten folgen. Wir müssen laut sein – und sichtbar.

WAMS: Zumal die Herausforderungen für den Sport vielfältig sind. Ehrenamt und Trainerbezahlung zum Beispiel sind Dauerprobleme.

VON OPEL: Ganz große Themen. Ehrenamt ist unbezahlbar – aber es darf nicht unbezahlbar für die Engagierten werden. Es muss noch stärker anerkannt und unterstützt werden. Viele Leistungssportler sagen mir: „Wir brauchen bessere Bedingungen für unsere Trainer.“ Auch hier muss unbedingt mehr geschehen.

WAMS: Sind Sie optimistisch?

VON OPEL: Ja. Ich spüre den Willen zur Veränderung. Auch das Innenministerium hat viel angeschoben – etwa zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele. Und unsere künftige Regierung unterstützt das ausdrücklich. Olympische Spiele sind kein Selbstzweck – sie bewegen enorm viel.

WAMS: Paris hat das mit der Ausrichtung der Spiele im vergangenen Sommer eindrucksvoll gezeigt.

VON OPEL: Paris war ein starkes Signal. Diese Begeisterung, diese Bewegung – das hat die Menschen mitgenommen. Olympische Spiele können enorm viel in der Gesellschaft auslösen, gerade, wenn sie im eigenen Land stattfinden. Frankreich hat das vorgemacht: tägliche Bewegung in Schulen, Investitionen in die Breite, ein neues Bewusstsein. Genau das brauchen wir auch.

WAMS: Also Olympische Spiele als Katalysator für Veränderung und um die angesprochenen Probleme anzugehen?

VON OPEL: Absolut. Olympische Spiele können ein Impulsgeber sein. Die Spiele gehen weit über den Sport hinaus, sie bedeuten eine große Chance – für moderne Infrastruktur, für Zusammenhalt, für unsere Jugend. Für Bildung, Ehrenamt und soziale Teilhabe. Schon die Bewerbung kann eine nationale Bewegung auslösen. Ich bin überzeugt: Deutschland braucht die Olympischen Spiele.

WAMS: Dennoch gibt es weiterhin Skepsis.

VON OPEL: Dabei ist jetzt der Moment. Weg vom Misstrauen, hin zu Mut und Haltung. Die Spiele sind kein Risiko, sondern unsere Chance. Gerade rund um Paris war die Stimmung positiv. Aber es sind viele Probleme auf uns eingerollt. Ich habe Sorge, dass der Sport wieder in den Hintergrund rutscht. Dabei brauchen wir ihn mehr denn je – als Fundament für ein gutes, gesundes Leben. Ich habe das selbst erlebt. Sport hat mich geprägt.

WAMS: Was macht Sie heute glücklich – sportlich gesehen?

VON OPEL: Im Winter bin ich viel auf Skiern unterwegs – Skifahren, Snowboard, Skitouren. Ich mache auch Cresta, das ist eine Urform des Skeletons – ein Geschwindigkeits- und Präzisionssport, der mich fasziniert. Im Sommer fahre ich Rad, gerne auch auf Tour, und ich laufe manchmal einen Marathon.

WAMS: Kürzlich in Rom. Zufrieden mit der Zeit?

VON OPEL: Nein, die Zeit war miserabel – darüber reden wir besser nicht. Meine Beine wollten ab Kilometer 19 nicht mehr mitmachen. Aber es war der erste Marathon meines Sohnes – also habe ich die Anstrengung durchgezogen. Gemeinsam ins Ziel zu kommen – das war das eigentliche Erlebnis. Und genau das ist Sport: Erlebnisse, die man nicht vergisst. Wer das nie erfahren hat, weiß gar nicht, was ihm entgeht.

*Gregor von Opel wurde am 4. Mai 1968 in Frankfurt als vierter und jüngster Sohn von Georg von Opel in die Unternehmerfamilie geboren. Er ist der Urenkel von Adam Opel. Der Betriebswirt führte als geschäftsführender Gesellschafter die Unternehmensgruppe Georg von Opel und leitet heute das Family Office in Kronberg im Taunus. Diesem gehören u.a. ein Unternehmensverbund in den Bereichen Immobilien und Unternehmensbeteiligungen an. Er ist zudem Vorstandsvorsitzender der „von Opel Hessische Zoostiftung“, Träger des Opel-Zoos, sowie Gründer und Gesellschafter des Fahrradherstellers Opelit. Von Opel, leitet zudem die von seinem Vater gegründete Stiftung „Spazierengehen“.

Melanie Haack ist Sport-Redakteurin. Für WELT berichtet sie seit 2011 über olympischen Sport, Extremsport sowie über Themen aus dem Fitness- und Gesundheitsbereich. Hier finden Sie ihre Artikel.

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