Noch in der Kabine des San-Siro-Stadions versuchte Thomas Müller, die neue Zeitrechnung einzuläuten. Mit Josip Stanisic und Aleksandar Pavlovic schnappte sich die scheidende Vereins-Legende nach seinem letzten Auftritt in der Champions League ganz bewusst zwei Youngster, die aus Bayern kommen und im Verein groß geworden sind. Wie Müller selbst, der beim 2:2 gegen Inter Mailand sein 163. Spiel in der Königsklasse absolvierte, damit mit Lionel Messi gleichzog.
„Ihr müsst dranbleiben, es geht weiter. Ihr könnt hier noch viele Titel gewinnen. Jetzt kommt eure Zeit“, beschwor Müller die beiden Eigengewächse. Es war eine Art Staffelstab-Übergabe. Für den FC Bayern war das Aus in der Champions League eine Zäsur: Mit Müller verabschiedet sich die größte Vereinslegende vom Klub. Aber auf anderen Positionen braucht es genauso einen Umbruch – und der fällt groß aus.
Pavlovic und Stanisic sind bei den neuen Bayern fest eingeplant. Bei anderen Profis wird hinterfragt: Wer hat noch den Hunger, wer hat die Qualität, um eben auch in den wichtigen K.o.-Spielen Top-Leistung zu zeigen? Dabei sind nur wenige Namen unantastbar.
Sogar Kanes vorzeitiger Abgang ist vorstellbar
Intern fällt immer wieder das Wort „Blutauffrischung“. Denn so ehrenwert der fast sichere Meistertitel dieses Jahr ist: Auf Dauer will Bayern in Europa wieder konstant zu den Top 4 gehören. Die Mannschaft sei zu satt durch viele Titel der Vergangenheit. Und dann eben teilweise in den entscheidenden Momenten qualitativ nicht gut genug.
Außen vor bei der Diskussion sind nur neun Spieler: Manuel Neuer und Stellvertreter Jonas Urbig im Tor. In der Abwehr der verletzte Alphonso Davies und Stanisic. Im Mittelfeld Joshua Kimmich, der gerade seinen Vertrag verlängert hat, dazu Jamal Musiala und Pavlovic. Im Angriff Michael Olise, der beste Neuzugang der Saison, der allerdings auf höchstem Niveau noch reifen muss, sowie Harry Kane. Ein Abschied des Engländers ein Jahr vor Ablauf des Kontrakts 2027 ist allerdings vorstellbar, Kane könnte im Sommer 2026 für festgeschriebene 65 Mio. Euro gehen.
Zu den Unantastbaren würde eigentlich auch Dayot Upamecano zählen. Allerdings ziehen sich die Verhandlungen, es ist erneut von hohen Gehaltsforderungen und einer gewünschten Ausstiegsklausel zu hören. Die Bayern sind bemüht, eine Lösung zu finden, wollen sich aber nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Bei den Verlängerungen zuletzt gab es immer wieder den Vorwurf, es gäbe „keine Grenzen mehr“ bei den Verträgen, sowohl beim Gehalt als auch beim Handgeld. Upamecano und sein Management sollten daher gewarnt sein: Sie dürfen es im Poker nicht übertreiben.
Die Augen sind dabei auf Max Eberl gerichtet. Der Sportvorstand muss beweisen, dass er die Finanzen im Blick hat – und in den Griff bekommt. Am Umbruch im Bayern-Kader wird Eberl gemessen, genauso wie an der Personalie Florian Wirtz. Bei allen Diskussionen um die Defensive ist der Leverkusen-Star nach wie vor das Transfer-Ziel Nummer eins.
Eberl steht nach Sieg und Niederlage immer Rede und Antwort. Er vergaloppierte sich bei der Moderation des Abschieds von Müller. Aber der größere Vorwurf im Klub lautet: Eberl gibt nicht nur zu viel Geld bei Verlängerungen aus, ihm gelinge es auch nicht, Einnahmen zu generieren. Der Verkaufsmarkt im Sommer wird für ihn entscheidend.
Die Liste der potenziellen Kandidaten ist lang
Bei Mathys Tel hoffen die Bayern auf einen Deal mit Tottenham, auch wenn es derzeit unwahrscheinlich scheint, dass die Spurs den Betrag von rund 50 Millionen Euro (von den vereinbarten 60 Millionen der Kaufoption werden zehn Millionen Leihgebühr abgezogen) zahlen werden.
Die Fehleinkäufe und Bryan Zaragoza (an Osasuna verliehen), welche vor Eberls Amtsantritt kamen, sollen unbedingt abgegeben werden.
Die Verpflichtung von João Palhinha erscheint immer rätselhafter. Wenn sich ein Klub findet, der nur annähernd das zahlen würde, was die Bayern für den Portugiesen ausgaben – unglaubliche 51 Millionen Euro –, dürfte er gehen. Aus der Premier League soll es von Ex-Klub Fulham und West Ham Interesse geben. Fulham-Eigentürmer Shahid Khan ist nach wie vor Fan von Palhinha, genauso hätte Trainer Marco Silva den Abräumer gerne zurück.
Raphaël Guerreiro ist zwar flexibel einsetzbar, den Nachweis von internationaler Top-Klasse konnte er jedoch nicht erbringen. Tore gegen Bochum oder Kabinettstückchen reichen nicht, um bei den Bayern unumstritten zu sein.
Ein anderer Spieler, der immer mehr kritisch gesehen wird: Innenverteidiger Minjae Kim. In der vergangenen Saison stand der Südkoreaner nach dem Aus gegen Real Madrid im Halbfinale in der Kritik, nun machte er im Rückspiel gegen Inter erneut eine schlechte Figur. Kim spielt seit Oktober 2024 mit extremen Achillessehnen-Problemen. Aber: Entweder hätte er Vincent Kompany das klare Signal senden müssen, dass er nicht spielen kann, oder der Trainer hätte seinen angeschlagenen Verteidiger nicht aufstellen dürfen.
Jonathan Tah ist ablösefrei
Die Bayern wären gesprächsbereit, käme ein Klub auf sie zu. Doch bei keinem der angeblichen Interessenten – Chelsea, Newcastle, Juventus Turin – war das bislang der Fall. Der Markt dürfte nach den jüngsten Auftritten kaum größer geworden sein. Kim selbst wurde vom Verein nicht mitgeteilt, dass er gehen soll. Er selbst hat aber für sich entschieden, dass er im Endspurt der Saison mehr Auszeiten will.
In der Abwehr könnte plötzlich wieder ein Name aktuell werden, den die Bayern schon abgeschrieben hatten: Jonathan Tah, der Leverkusen verlassen wird, wäre ablösefrei zu haben. Allerdings sind die Zweifel im Klub groß – auch, weil im vergangenen Sommer zu viel verbrannte Erde hinterlassen wurde: Eberl hatte sich mit der Spielerseite auf einen Transfer geeinigt, auch in Leverkusen ging man davon aus, dass der Deal über die Bühne geht. Am Ende scheiterte der Kauf wegen des Vetos des Münchner Aufsichtsrats an fünf Mio. Euro.
Das Verhältnis mit Leverkusen ist belastet. Das erschwert auch einen Wirtz-Deal. Es gibt bei den Bayern auch Zweifel, ob Eberl den Transfer gestemmt bekommt. Neben der persönlichen Ebene geht es um eine Transfer-Summe jenseits der 100 Millionen Euro. Bei der würden die Einnahmen aus der Klub-WM helfen. Beim Turnier in den USA (14. Juni bis 13. Juli) könnten die Münchner bis zu 100 Mio. Euro einnehmen.
Wechselt Coman nach Saudi-Arabien?
Danach könnte es namhafte Veränderungen im Kader geben. Bei den Verkaufskandidaten weiter ganz oben steht Kingsley Coman, der in Mailand seinen vorerst letzten Champions-League-Auftritt im Bayern-Trikot gehabt haben dürfte. Zwischen dem Management des Franzosen und dem FC Arsenal gibt es einen Austausch, wahrscheinlicher ist jedoch ein Wechsel Richtung Saudi-Arabien. Auch bei Leon Goretzka und Serge Gnabry sind die Bosse trotz der jüngst gezeigten ordentlichen Leistungen für einen Verkauf offen. Bei beiden gilt aber: Sie wollen auf keinen Fall gehen. Beide haben einen Kontrakt bis 2026, wollen mit diesem auslaufenden Vertrag in die nächste Saison gehen.
Für Eberl ist es eine komplizierte Situation: Geld einnehmen, Kosten sparen, die Abwehr verstärken und den Wirtz-Deal, der insgesamt rund 250 Mio. Euro kosten soll, einfädeln. Von einer Mammut-Aufgabe zu sprechen ist wohl noch untertrieben.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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