Der FC Bayern erzielt im Viertelfinal-Rückspiel zwei Tore. Aber die reichen nicht, weil Inter Mailand auch zweimal trifft. Nun richten die Münchner den Blick auf den letzten möglichen Titel in dieser Saison, die Meisterschaft.
Plötzlich herrschte Ruhe im San Siro. Die Fans von Inter Mailand, die gut 50 Minuten lang ihre Mannschaft lautstark angefeuert hatten, verstummten, als es Harry Kane besser machte als im Hinspiel dieses Champions-League-Viertelfinales. Da hatte er eine Chance vergeben, die er sonst nie vergibt. Der englische Stürmer machte es dieses Mal sogar perfekt. Er nutzt den Platz, den ihm die Mailänder Defensive überraschend ließ und brachte die Münchner 1:0 in Führung.
Ein Schuss ins italienische Fußball-Herz, das aber nur kurz blutete. Weil die Antwort nicht lange auf sich warten ließ in dieser ereignisreichen zweiten Hälfte. Am Ende stand es 2:2, zu wenig für die Bayern, um in die Runde der letzten Vier aufzusteigen. Statt ein Finale dahoam gibt es am 31. Mai in München nun ein Finale der anderen. "Das Gefühl", sagte Sportvorstand Max Eberl, "ist gerade etwas bedröppelt."
Vielleicht wäre diese Partie anders gelaufen, wenn Thomas Müller zwei Minuten nach dem 1:0 das 2:0 gelungen wäre. Er, der dieses Mal von Anfang spielen durfte, hatte die Chance dazu, kam frei zum Schuss, aber der Ball segelte über das Tor. Man könnte sagen, Müller hat mit diesem Fehlschuss die eigene Champions-League-Karriere beim FC Bayern beendet, nach 163 Spielen, so vielen wie Lionel Messi. "Die Zahlen bedeuten mir im Rückblick nur so viel, dass ich es immer wieder geschafft habe, mich intern durchzusetzen und immer wieder meinen Teil beitragen zu können", so Müller. Er freue sich, "dass ich so viel Spaß hatte. Der Rest wird die Zukunft zeigen, aber ich bin da relativ entspannt."
Aber das mit selbstverursachten Ende in der Champions League trifft es nicht ganz. Denn zum einen gelang den Bayern durch Eric Dier ja später doch noch ein zweites Tor, und zum anderen traf Müller, der am Saisonende den Verein verlassen muss, an dem, was davor auf der anderen Seite des Spielfeldes passierte, keine Schuld.
Blitz-Doppelpack von Inter
Innerhalb von drei Minuten drehte Inter das Spiel, nach zwei Eckbällen. Zuerst traf Lautaro Martinez, dann der frühere Münchner Benjamin Pavard. War beim ersten Treffer noch viel Glück dabei, oder Pech, aus Sicht der Münchner, passte beim 1:2 aus ihrer Sicht Minjae Kim nicht auf und ließ den Inter-Verteidiger zum Kopfball kommen. "Im Fußball geht es immer um Details, um diese kleinen Schritte, die in diesen Spielen den Unterschied machen", sagte Trainer Vincent Kompany
Dass die Bayern vorne zu wenig effizient und hinten zu anfällig sind, ist keine neue Erkenntnis. Nur drei der vergangenen acht Spiele gewann die Mannschaft, nur einmal blieb sie ohne Gegentreffer. "Es ist zu oft der Fall, dass wir nicht als Sieger vom Platz gehen, obwohl wir das Gefühl haben, dass wir die bessere Mannschaft sind", stellte Joshua Kimmich fest. Er sieht darin einen Trend. "Da müssen wir aufpassen, gerade, wenn wir in Richtung Liga blicken."
Die Meisterschaft ist das letzte große Ziel, das den Bayern noch bleibt. Vereinschef Jan-Christian Dreesen gab beim Mitternachtsbankett der Mannschaft den Auftrag, "den Blick nach vorne zu richten". Am Samstag treffen die Münchner in der Bundesliga auf das abstiegsbedrohte Heidenheim. Denn die Champions League, sagt Dreesen, sei "nur die Kirsche, nicht die Torte. Die Torte ist die Meisterschaft."
Nicht genug für den eigenen Anspruch
National sind die Bayern im Moment wieder da, wo sie ihrem Selbstverständnis nach hingehören, haben bei sechs Punkten Vorsprung vor Leverkusen auch beste Chancen, da oben zu bleiben. Aber international genügten sie in dieser Saison den eigenen Ansprüchen nicht. Sie wähnen sich zwar auf Augenhöhe mit den Besten, denn "wir es schaffen es schon, gegen jede Mannschaft mitzuhalten", stellte Kimmich fest. "Aber haben auch nicht viele europäische Top-Teams in dieser Saison geschlagen." Und sogar gegen ein paar Mannschaften verloren, die nicht der Beletage der Königsklasse angehören. Dennoch, sagte Kimmich, sei der Weg der richtige. "Der Glaube und das Vertrauen in die Mannschaft ist absolut da." Nur am "Game Management", wie er es nennt, hapere es noch. "Da müssen wir noch einen Schritt machen."
Am Mittwochabend aber waren die Münchner erst einmal noch mit sich, mit ihrer Enttäuschung beschäftigt. Serge Gnabry blieb lange auf dem Rasen liegen, Kimmich wirkte beim Schlusspfiff wie zur Salzsäule erstarrt, Kane kämpfte mit den Tränen, als klar war, dass auch diese Jagd nach seinem ersten Titel erfolglos war. Und Müller, für den das Spiel eine ganz besondere Zäsur bedeutete? Es habe "keinen großen sentimentalen Emotionen parat", sagte er nüchtern auf dem Weg zum Mitternachtsbankett. "Wir sind ja mitten in der Saison", jedenfalls in der für die Meisterschaft entscheidenden Phase.
Aber davor hatte es dann doch einen Moment gegeben, in dem Müllers Körper "kurz reagiert" habe, wie er erzählt. Er war noch mit einem Interview am Spielfeld beschäftigt, als ein paar Fans, die noch im Stadion geblieben waren, ein Liedchen anstimmten und Müller feierten. Da habe es "schon einen leichten Anflug von Gänsehaut" gegeben. Wenn alles gut geht in der Bundesliga, dann wird er den vermutlich nicht zum letzten erleben.
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