Haben Sie am Dienstagabend auch gedacht, das Rückspiel im Viertelfinale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Barcelona können Sie sich schenken? So erging es vielen.
Die Luft schien ja nach dem Hinspiel schon raus zu sein – so wie Katalanen den BVB, der ja ohnehin nur noch ein müder Abklatsch vergangener Jahre zu sein schien, daheim mit 4:0 abgefertigt hatten. Falls Sie so gedacht haben sollten und sich das Spiel tatsächlich nicht angeschaut haben, könnten Sie sich beim Lesen der folgenden Zeilen vielleicht ärgern. Dafür vorab schon einmal: Sorry.
Aber es hilft ja nichts: Sie haben ganz schön was verpasst.
Das, was ausgerechnet die launischen und oftmals enttäuschenden Dortmunder gegen Barça, die derzeit beste Mannschaft Europas, abgerissen haben, war großes Kino. Sie lieferten einen epischen Fight, brachten das Stadion zum Kochen und den katalanischen Giganten ins Wanken. Fußball-Deutschland war dank des BVB, wie es Dortmunds Sportgeschäftsführer Lars Ricken sagte, „sehr nah dran an einer magischen Nacht.“ Oder, wie es das spanische Fachblatt „Marca“ schrieb: „Barça war an der Grenze zur Tragödie.“
Und nun? Alter BVB-Trott nach großen Spielen
Entschlossener kann eine Mannschaft kaum spielen als es die Dortmunder taten. Sie waren mutig, leidenschaftlich, bereit an die eigenen Grenzen zu gehen - und darüber hinaus. Von der ersten Minute an war der Wille zu erkennen, das Unmöglich möglich zu machen. Hätte es die Hypothek der in der Höhe unnötigen Hinspiel-Niederlage nicht gegeben – wer weiß? Die größtmögliche Sensation in der jüngeren Geschichte der Champions League wäre möglich gewesen. Hansi Flicks Barcelona, bis Dienstag 24 Spiele in Folge ungeschlagen, hätte in der „schwarz-gelben Hölle“, wie ein katalanischer Journalistenkollege die Atmosphäre in Dortmund treffend beschrieb, alle Träume vom Henkelpott beerdigen müssen.
Natürlich: Der Einwand, dass der BVB nach positiven Ausreißern in schöner Regelmäßigkeit immer wieder in seinen alten Trott zurückgefallen ist, ist mehr als berechtigt. Deshalb steht die Mannschaft in der Bundesliga ja auch nur auf dem achten Tabellenplatz – und wird wahrscheinlich in der kommenden Saison auch nicht mehr in der Champions League spielen. Nach neun Jahren in Folge.
Das wäre, gemessen am Potenzial der Mannschaft, ein Desaster. Deshalb hatte das Spektakel auch eine sehr bittere Note: Denn dieser BVB vom Dienstag gehört einfach in die Champions League. Zumal es, abgesehen von den Bayern, so viele überzeugende Repräsentanten der Bundesliga auf dieser Ebene nicht gibt. Die Leipziger hatten sich auf peinliche Weise bereits in der Vorrunde verabschiedet, Leverkusen strich im Achtelfinale die Segel.
Trotzdem war es ein wichtiger und auch guter Abend für den BVB. Denn es wurde deutlich, wie der Verein, der in den letzten Jahren immer mehr von seinem Weg abkam, sich wieder in die Spur bringen kann. Mit einer Rückbesinnung auf seine Wurzeln. Mit einer Herangehensweise, die seiner DNA entspricht: Mit einem Fußball, der nicht in erster Linie schön sein muss, aber vor allem leidenschaftlich. Mit Spielern, die nicht darauf aus sind, zu glänzen, sondern zu rennen und zu kämpfen. Im Ruhrgebiet, wo der BVB allen Internationalisierungsversuchen zum Trotz herkommt, hat noch nie irgendjemand irgendwas auf „Tiki-Taka“ gegeben.
Wenn es tatsächlich gelingen sollte, dies der Mannschaft wieder so zu vermitteln, dass sie es auch wieder regelmäßiger abruft, wird es auch eine Perspektive geben. Dazu werden Veränderungen nötig sein. Möglicherweise aber gar nicht mal so viele, wie sie die Kritiker derzeit anmahnen. Vielleicht reichen auch eins, zwei neue Spieler, die sich mehr durch Mentalität auszeichnen, als dass sie sich durch fragwürdige individuelle Qualität definieren.
Eines braucht der BVB dagegen auf keinen Fall: schon wieder einen neuen Trainer. Niko Kovač ist genau der richtige Mann am richtigen Ort – selbst wenn ihn manche als nicht modern und innovativ genug kritisieren. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Dortmund braucht keinen Taktik-Guru, sondern einen Pragmatiker, der wert auf Einstellung und Fitness legt. Der die Spieler antreibt – so wie am Dienstag.
Kovač muss zwingend eine komplette Saisonvorbereitung bekommen, um die Spieler in eine Verfassung bringen zu können, die es ihnen erlaubt, sich auch wieder regelmäßig die Lunge aus dem Leib zu rennen. Wer es dann trotzdem immer noch nicht tun sollte, der will es auch nicht – und muss gehen. So einfach ist das.
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