Borussia Dortmund ist beim FC Barcelona chancenlos. Nach einer guten Phase in der ersten Halbzeit, zerbricht die Mannschaft. An der Rückkehr zur Viererkette, die zuvor schon nicht recht funktioniert hatte, habe das Debakel laut Trainer Kovac aber nicht gelegen.
Je näher der Anpfiff am Mittwochabend gerückt war, desto größer war das Monster FC Barcelona zuvor gemacht worden. Mit Beginn des Viertelfinal-Hinspiels in der Champions League war es dann so groß geworden, dass es Borussia Dortmund einfach zu verschlucken drohte, ohne jeden Kampf. Oft hatte es solche Geschichte gegeben, und plötzlich bekam das Monster weiche Knie und die vermeintliche Beute tanzte ihm auf der Nase herum. Der FC Bayern hatte das zuletzt erlebt, als er im Achtelfinale gegen Bayer 04 Leverkusen zum Zwerg verwinzigt wurde, dann eiskalt zustach. An diesem Mittwochabend aber erfüllte sich die Prophezeiung: Der FC Barcelona war viel, viel zu stark für den BVB und nahm diesen genüsslich auseinander (4:0).
Es sollte ein schlimmer Abend für die Gäste werden. Die Mannschaft von Hansi Flick war von der ersten Sekunde an bereit, die Borussia zu vermöbeln. Der unaufhaltsame Sprinter Raphinha flog direkt über die linke Seite, seine Hereingabe war aber noch nicht präzise genug. Auf der anderen Seite tanzte sich Wunderkind Lamine Yamal an allen vorbei, aber auch sein Schuss war noch nicht gut genug. Es waren fünf Minuten gespielt und der BVB hatte die Kontrolle über all das, was er sich vorgenommen hatte, verloren. Nach zehn Minuten nahm sich Trainer Niko Kovac unter anderem Karim Adeyemi zur Brust und erklärte ihm augenscheinlich noch einmal, was er tun sollte.
Guirassy lässt die Monsterchance liegen
Von einer magischen Nacht hatten sie geträumt. Aber nur ein paar Minuten taten sie etwas dafür, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Nach einer halben Stunde hatte sich der Griff des Giganten ein kleines bisschen gelockert und der BVB spielte mit. Adeyemi hatte ein paar gute Läufe und seine Mannschaft ein paar Abschlüsse. Die beste Chance auf ein Tor ließ Serhou Guirassy ungenutzt. Leihgabe Carney Chukwuemeka hatte den Stürmer vorzüglich frei gespielt, der aber traf den Ball nicht richtig (36.). Je häufiger man diese Szene sieht, desto klarer wird einem, wie riesig diese Möglichkeit war. Es war vielleicht die einzige, das Spiel kippen zu lassen.
Der FC Barcelona führte da bereits 1:0. Adeyemi hatte sich ein sinnloses Foul geleistet und Gelb gesehen. Der Freistoß danach wurde seiner Mannschaft zum Verhängnis. Pau Cubarsi köpfte aufs Tor, Raphinha flog heran und berührte den Ball noch vor der Torlinie. Für einen Moment musste Barça um den Treffer zittern. Die Frage nach Abseits stand im Raum. Es war der wohl dümmste Torklau der jüngeren Vereinsgeschichte geworden. Aber der VAR sah, dass zentimetergenau alles mit rechten Dingen zugegangen war. Der BVB hatte sich nach dem bitteren und schwerwiegenden Ausfall von Abwehrchef Nico Schlotterbeck neu auf- und das System umgestellt.
Ein Fehler? Nicht in den Augen von Kovac. Er warf seiner Mannschaft ein kollektives Abwehrversagen vor. "Das war kein Problem einer Vierer- oder Fünferkette", betonte der Trainer, der zuletzt gegen Mainz 05 und beim SC Freiburg nach einem Wechsel auf eine Fünferkette gegen den Ball zwei überzeugende Siege erzielt hatte. Die klassische Abwehrformation mit vier Mann in der letzten Linie hatte zuvor schon nicht recht funktioniert. Nun also die Umstellung, ohne Schlotterbeck. Sie ging schief. Dabei sahen die Außenverteidiger Julian Ryerson und insbesondere Ramy Bensebaini gegen Raphinha und Yamal mehrere Male fürchterlich schlecht aus. Kapitän Can sparte nicht mit Kritik: "Da muss es auch mal knallen, es hat zu wenig geknallt. Es ist keine Systemfrage, sondern eine Frage, ob jeder bereit ist, 100 Prozent zu geben und auch mal über die Schmerzgrenze zu gehen."
Als Barça kurz nachlässt, kann der BVB hoffen
Der FC Barcelona nahm sich nach der Führung zurück, presste nicht mehr so erbarmungslos. Der BVB war plötzlich da und Hansi Flick verzweifelt. Er fuchtelte fortan heran, es waren taktische Anweisungen. Und seine Spieler drehten sich mehrfach erleichtert ab, wenn wieder ein Angriff des BVB irgendwo verendet war. "Wir haben verdient verloren. Ich finde, nach dem ersten Gegentor haben wir es für rund 20 Minuten ganz ordentlich gemacht. Danach hatten wir dann kaum noch Ruhe in unserem Spiel und bestrafen uns selbst", haderte Kovac. Wieder einmal hatten seine Spieler Aufwand und Ertrag nicht in ein gutes Verhältnis setzen können. Eine gute Position wäre möglich gewesen. Ein 0:1 etwa hätte alles offen gelassen.
So war auch Flick nicht ganz frei von Kritik für die Leistung seiner Mannschaft: "Wir haben trotz des hohen Sieges noch zu viele Fehler gemacht. Daran müssen wir arbeiten, aber im Grunde haben wir schon auf einem sehr hohen Niveau gespielt."
Doch dann wurde es schlimm, erbarmungslos schlimm. Barça rannte über den BVB hinweg. Im magischen Dreieck um Yamal, Raphinha und Robert Lewandowski verloren sich die Dortmunder auf fatale Weise. Kaum war das Spiel wieder angelaufen, stand es 2:0. Yamal flankte auf Raphinha, der legte mit ganz viel Gefühl im Kopf auf den Polen ab, der sich lang streckte und ebenfalls per Kopf vollendete. Für Lewandowski ist es der 28. Treffer gegen seinen Ex-Klub, der ihm die Steigbügel für die Weltkarriere von 2010 bis 2014 hingehalten hatte. Er ließ noch einen weiteren folgen (66.), ehe Yamal das Debakel für die Dortmunder manifestierte. Kapitän Emre Can vernichtete danach die eigene Leistung: "Wir waren in den Zweikämpfen zu soft, haben in der Defensive nicht geschlossen genug gestanden und zu einfache Fehler gemacht. Das wird gegen Teams wie den FC Barcelona hammerhart bestraft und deshalb sind wir hier untergegangen. Barcelona war ein anderes Level."
Für die Dortmunder war es ein gigantischer Rückschritt auf dem Weg, sich wieder zu berappeln. BVB-Boss Lars Ricken hatte noch vor dem Spiel einen Kulturwandel ausgerufen. "Wir wollen und müssen eine Leistungskultur schaffen. Intensität, Aggressivität, Tempo, Siegermentalität", sagte er in einem WAZ-Interview: "Für all das steht Niko Kovac." Wenn der BVB es zurück unter die besten vier in Deutschland schaffen wolle, "muss jeder Spieler und jeder Mitarbeiter exzellente Leistungen bringen – wirklich ausnahmslos jeder." Kaum ausgesprochen, wurden seine Worte vom eigenen Personal im Olympiastadion zerfetzt.
Kovac kritisiert seine Außenstürmer
Die Gäste waren von der Wucht des Gegners überfallen worden. Sie wussten, was sie erwartet. Und konnten es nicht verhindern. Das machte Kovac einigermaßen sauer: "Ein Standardtor und drei Kontertore, das ist definitiv zu viel." Besonders hart ging er mit seinen Außenstürmern ins Gericht. Das war zu Beginn des Spiels Adeyemi und Jamie Gittens gewesen, der ganz weit weg ist von der Form, die ihn im Herbst zu Europas neuem Goldjungen hatte werden lassen. "Man kann ja Bälle verlieren, das gehört auch dazu, aber man muss dann auch die richtigen Entscheidungen treffen", klagte der BVB-Coach. "Es ging darum, dass man außen Zwei-gegen-Zwei verteidigt. Es ist sicher nicht immer einfach für die Außenstürmer mitzugehen, wenn ihre Außenverteidiger gehen. Auf dem Niveau musst du aber mit nach hinten arbeiten."
Es war eine Ermahnung mit Nachdruck, denn am Samstag geht es nach München, zum FC Bayern. Dort muss der BVB seine Aufholjagd in der Bundesliga Richtung Champions League fortsetzen: "Ohne Verteidigung werden wir auch in München Probleme haben."
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