Für Gary Lineker liegt der Fall klar. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Harry Kane unterschätzen, dass wir seine Leistung nicht genug würdigen. Wer es täte, wäre verrückt“, sagte die englische Stürmer-Legende. Kane sei nicht nur „einer der Besten, die wir haben“ – sondern auch einer der „Besten, die wir jemals hatten“. Das meinte Lineker in Bezug auf den englischen Fußball. Es gilt aber fast noch mehr für die Bundesliga.
Dieses fundierte Lob änderte allerdings nichts daran, dass Kane am Dienstag bei der Fifa-Wahl zum Fußballer des Jahres 2025 einen Platz auf dem Treppchen deutlich verfehlte. Der Torjäger des FC Bayern brachte es auf 14 Scoring Points, die aus den Stimmen der Trainer, der Mannschaftskapitäne, einiger Journalisten und Fans errechnet wurde. Das reichte immerhin für Platz acht. Bei der Abstimmung zum Ballon d’Or, der deutlich wichtigeren Ehrung, hatte es Kane nicht einmal in die Top Ten geschafft. Er landete lediglich auf Rang 13.
Es sagt viel über die internationale Wertschätzung der Bundesliga aus, wenn ihr mit Abstand bester Spieler bei individuellen internationalen Auszeichnungen unter ferner liefen firmiert. Doch es gibt nun mal keine Kategorie, die der herausragenden Bedeutung, die Kane für den deutschen Vereinsfußball hat, Rechnung trägt: Der mittlerweile 32-Jährige ist der mit Abstand bekannteste Fußballer, der regelmäßig in deutschen Stadien spielt. Er ist als Aushängeschild für die Vermarktung der Bundesliga von existenzieller Bedeutung. Die 100 Millionen Euro Ablöse, die die Bayern im Sommer 2023 für ihn gezahlt hatten, waren weise investiert – und das längst nicht nur im Interesse des deutschen Rekordmeisters.
Kane jagt den Lewandowski-Rekord
Das Jahr 2025 war das Jahr des Harry Kane. Im Sommer erfüllte er sich einen großen persönlichen Traum. Mit den Bayern errang er endlich seine erste nationale Meisterschaft. Mit 26 Toren wurde er in seiner zweiten Bundesligasaison zum zweiten Mal hintereinander Torschützenkönig. Und auch danach machte Kane einfach weiter: In der aktuellen Saison hat er bereits 18 Treffer auf dem Konto. Ob er die 41 Tore, die Robert Lewandowski in der Saison 2020/21 als Marke vorgegeben hat, schafft? „Ich denke, dass es möglich ist“, sagte Kane – warnte aber auch: „Im Fußball ist es am schwierigsten, über einen langen Zeitraum konstant zu sein.“
Damit liefert Kane, der es im zu Ende gehenden Kalenderjahr auf 30 Tore in 32 Begegnungen brachte, auch den entscheidenden Hinweis, warum die Bundesliga zu Beginn der Winterpause ein bekanntes Bild abgibt: Die Bayern sind unantastbar, weil sie nicht nur das beste, sondern auch das stabilste Set-up haben. Die Pseudo-Verfolger – die Leipziger, die Dortmunder, die Leverkusener – durchlebten auch in dieser Saison Phasen der Instabilität, wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aus gänzlich unterschiedlichen Gründen.
RB Leipzig hat es geschafft, sich neu zu erfinden. Gleich 18 Spieler gingen – darunter mit Xavi Simons und Benjamin Sesko auch Profis von hoher Qualität. Neun Zugänge kamen – und darunter eine Reihe von spannenden Toptalenten wie Conrad Harder und Yan Diomande. Dieser Neuaufbau benötigte Zeit – wie auch der neue Trainer Ole Werner. Schien die 0:6-Auftaktniederlage beim FC Bayern fast schon ein Menetekel zu sein, fand die Mannschaft mit zunehmender Dauer immer besser in die Spur. Vor allen Dingen: RB spielt wieder wie RB – schnell und spektakulär. „Wir wollten back to the roots, junge Spieler verpflichten, die sich voll identifizieren. Jetzt haben wir ein Kader, der eine neue Ära einleitet“, sagt Geschäftsführer Marcel Schäfer. Es könnte so kommen.
Leverkusen mit vielen spannenden Gesichtern
Auch Bayer Leverkusen ist dabei, sich in eine neue Epoche hineinzuarbeiten. Entscheidend dafür war, dass Fernando Carro und Simon Rolfes eine eigene Fehleinschätzung schnell erkannt und korrigiert haben: Durch die Trennung von Erik ten Hag nach nur zwei Spieltagen wurde der Weg freigemacht für ein neues Team mit vielen spannenden Gesichtern: Junge Spieler mit Potenzial wie Ernest Poku, Christian Kofane oder Ibrahim Maza blühen unter dem angenehm emphatischen Kasper Hjulmand auf. Die Ära nach Xabi Alonso hat trotz Geburtswehen vielversprechend begonnen.
Der BVB, so scheint es, läuft dagegen Gefahr, einen gegenteiligen Weg zu gehen. Und das verblüfft. Denn nachdem Niko Kovač im Februar nach Dortmund gekommen war, hat sich die chronisch launige Diva aus dem Ruhrgebiet erheblich stabilisiert. Der erfahrene Coach hat die Mannschaft im Mai trotz eines großen Rückstandes doch noch in die Champions League geführt. Kovač hat den BVB fit und robust gemacht. Die Mannschaft spielte nicht immer spektakulär, aber erfolgreich. Sie punktete mit dem, was ihr in den vergangenen Jahren immer wieder abgesprochen worden war: Mentalität.
Kurz vor Weihnachten jedoch bröckelt die schwarz-gelbe Harmonie. Dem einen ist der Fußball zu destruktiv (Julian Brandt), dem anderen sind die Mitspieler nicht professionell genug (Nico Schlotterbeck). Bei beiden Spielern handelt es sich übrigens um Profis, deren Zukunft offen ist. Sportgeschäftsführer Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl relativieren diese Kritik, die sowohl bei den Teamkollegen als auch bei Kovač für Verstimmung sorgt. Klartext spricht dafür ein externer Berater.
Kritik an Toppmöller? Ein Wahnsinn
Matthias Sammer, der im Februar während seiner Arbeit als TV-Experte bereits die Mannschaft öffentlich vernichtet und den Rauswurf von Nuri Sahin quasi vorweggenommen hatte, erklärte, dass Schlotterbeck recht habe. Und dass es ein Problem sei, wenn es in der Klubführung Leute gebe, die das nicht erkennen. „Es gibt in der Wahrnehmung dessen, was er (Schlotterbeck, d. Red.) tut, Menschen, die wunderbare Charaktereigenschaften haben, aber keine Führungseigenschaften. Die erschrecken natürlich im ersten Moment“, sagte er gegenüber Sky. Welche Menschen ohne Führungseigenschaften Sammer meinte, ließ er offen.
Wie es mit dem BVB im kommenden Jahr weitergehen wird, ist spannend – genauso wie die Frage, ob es Eintracht Frankfurt gelingen wird, den zuletzt durchaus gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden. In Hessen hatte es zuletzt sogar vermehrt Zweifel gegeben, ob Dino Toppmöller überhaupt noch der richtige Mann sei. Das ist eigentlich ein Wahnsinn, hatte der Trainer die Eintracht doch erstmals in der Klubgeschichte über eine Ligaplatzierung in die Champions League geführt.
Doch wie sagte noch Harry Kane? „Im Fußball ist es am schwierigsten, über einen langen Zeitraum konstant zu sein.“
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