Der Rückzug von Helmut Marko nach 20 Jahren bei Red Bull wird in der Lobby eines Luxushotels in Dubai besprochen. Eine Stunde lang setzt sich der 82 Jahre alte Österreicher mit Oliver Mintzlaff, dem Geschäftsführer Sport des Energydrink-Konzerns, am Montag nach dem Saisonfinale von Abu Dhabi zusammen. Bei dem Gespräch teilt Marko Mintzlaff mit, dass er sich freiwillig aus dem Rennstall zurückziehen wird.
So steht es später auch in der Pressemitteilung. Darin sagt Marko: „Das knappe Verpassen der Weltmeisterschaft (Red Bulls Max Verstappen wurde mit zwei Punkten Rückstand Zweiter hinter McLarens Lando Norris, d. Red) in dieser Saison hat mich sehr bewegt und mir klargemacht, dass für mich persönlich nun der richtige Moment gekommen ist, dieses sehr lange, intensive und erfolgreiche Kapitel zu beenden.“
Nach Informationen der „Sport Bild“ ist das jedoch nur die halbe Wahrheit. Marko trat zwar freiwillig zurück – aber nur, um Mintzlaff zuvorzukommen. Er wusste, dass dieser sonst – trotz seiner großen Verdienste wie dem Gewinn von acht Fahrer- und sechs Konstrukteurs-Titeln die Reißleine gezogen hätte. Mintzlaff, der mittlerweile mächtigste Mann des Rennstalls, wollte zur nächsten Saison einen Neustart für sein Team.
Marko verließ Red Bull mit einer üppigen Abfindung
Hätte Marko nicht freiwillig seinen Posten, der nicht nachbesetzt wird, geräumt, hätte Mintzlaff ihn entweder weiter entmachtet oder entlassen. Dazu passt: Der Grandseigneur kassiert trotz seines offiziell freiwilligen Rückzugs eine Abfindung. Rund zehn Millionen Euro zahlt ihm RB. Das entspricht dem Gehalt, das Marko für das letzte Vertragsjahr 2026 noch zugestanden hätte.
Ein guter Deal für beide Seiten. Für Marko, weil er bereits seit geraumer Zeit nicht mehr die Wertschätzung im Team gespürt hat, die er seiner Meinung nach verdient. Für Mintzlaff, weil nun endlich die Ruhe ins Team einkehren kann, die es seiner Meinung nach braucht, um langfristig sportlich erfolgreich zu sein.
Immer wieder sorgte Marko mit seinen Alleingängen für Kopfschütteln. Im Oktober verpflichtete er das 20 Jahre McLaren-Talent Alex Dunne für die Nachwuchsakademie. Red Bull erfuhr davon aus den Medien. Sowohl die Verantwortlichen als auch der einflussreiche Weltmeister Max Verstappen und sein Umfeld reagierten verstimmt. Während der Star-Pilot von den Qualitäten des Iren nicht überzeugt ist, duldete RB keinen Alleingang.
Der Vertrag mit Dunne wurde aufgelöst, ohne dass der auch nur einen Kilometer für das Team gefahren ist. 600.000 Euro zahlte RB dem Jungpiloten. Ein teures Missverständnis.
Das könnte auch Arvid Lindblad werden. Der 18 Jahre alte Brite mit schwedischen Wurzeln fährt ab kommender Saison für das Schwester-Team Racing Bulls, ist aber – wie bei allen Fahrern üblich – mit einem Red-Bull-Vertrag ausgestattet. Pikant: Erneut war es Marko, der ohne Absprache handelte. Er stattete Lindblad, von dessen Qualitäten intern nicht alle vollends überzeugt sind, mit einem Formel-1-Vertrag aus, bevor die Fahrerpaarung für 2026 überhaupt besprochen war.
Um weitere Alleingänge des Österreichers zu vermeiden, entzog Red Bull ihm im Anschluss die Vollmacht für Unterschriften. Ein Affront im Auge des Leitbullen Marko, der zuvor jahrelang die alleinige Hoheit bei den Fahrerbesetzungen hatte.
Marko war so verärgert, dass er sich bei der offiziellen Besprechung über die Fahrer der Saison 2026, die in der Nacht nach dem Katar-Rennen Anfang Dezember stattfand, kaum beteiligte. Ein Teilnehmer berichtet, dass der Österreicher wie ein „verstimmtes Kind“ am Tisch gesessen habe. Gesprochen habe er nur, wenn er direkt gefragt wurde, und seine Antworten wären aufgrund der geringen Lautstärke kaum zu verstehen gewesen.
Verstappen intervenierte in der Causa Marko nicht mehr
Vorgänge, die dem entthronten Weltmeister Verstappen nicht verborgen geblieben sind und ihn weiter von seinem Entdecker und Förderer haben abrücken lassen. Nicht aus menschlicher Perspektive, aber aus sportlicher.
Anfang der Saison stand Marko vor einer Suspendierung, als er beschuldigt wurde, er habe gegenüber Ford-CEO Jim Farley gesagt, dass der gemeinsame Motor für 2026 nicht die Erwartungen erfülle. Damals hatte Verstappen noch seine persönliche Zukunft an die des Österreichers geknüpft – jetzt intervenierte er indes nicht mehr.
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Verstappen und Red Bull sind zu dem Entschluss gekommen, dass sie in die Post-Marko-Ära starten müssen. Weniger Interna sollen an die Öffentlichkeit gelangen, der Fokus wieder rein auf dem Rennsport liegen. Zumal Marko seit Juli eine seiner Kernaufgaben verloren hat. Als Teamchef und CEO Christian Horner nach dem Grand Prix in Silverstone (England) entlassen wurde, war der Machtkampf beendet. Nicht nur zwischen ihm und Marko, sondern auch zwischen dem britischen und dem österreichischen Lager im Team.
Während Red Bull vor dem Tod von Konzerngründer Dietrich Mateschitz († 78) im Oktober 2022 fest in der Hand der Brause-Zentrale war, riss Horner nach dessen Ableben immer mehr Macht an sich. Als Chef des Rennteams, der Motoren- und Technik-Abteilung und Vorsitzender des Marketings verantwortete er zum Schluss die vier größten Bereiche. Marko war für den Red-Bull-Konzern quasi der Fuß in der Tür. Nach dem Aus von Horner und der Rückeroberung der Hoheit im Rennstall brauchte es den schlichtweg nicht mehr.
Nur für eine Sache wollte Red Bull Marko am Ende behalten: für die Nachwuchsakademie. Immerhin war er es, der die beiden einzigen RB-Weltmeister entdeckte: Verstappen und Sebastian Vettel. 15 weitere Fahrer aus seiner Schule schafften den Sprung in die Formel 1. 137 Siege fuhren diese teamübergreifend ein. Doch Marko sagte für den Akademie-Posten ab – in diesem Fall wirklich freiwillig.
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