Julian Brandt ist kein Fußballprofi, der Angst hat, sich den Mund zu verbrennen. Und er ist eine ehrliche Haut. Natürlich sei er „zufrieden“, so der Mittelfeldspieler, der beim 2:0 über die TSG Hoffenheim in seinem 200. Bundesligaspiel für Borussia Dortmund sein 73. Tor erzielt hatte. Zumal bis auf RB Leipzig alle Konkurrenten im Kampf um die Champions League-Plätze verloren hatten. „Doch wenn man ehrlich ist, ist das nicht meine Art Fußball zu spielen. Aber ich glaube, manchmal muss ich das einfach auch akzeptieren“, sagte Brandt.

Diese Sätze überraschten. Weil sie natürlich schnell als Trainerkritik interpretiert werden könnten. Und weil der BVB eben auf die Art und Weise, die Brandt nicht mag, seinen Vorsprung auf die bis dahin auswärts ungeschlagenen Hoffenheimer auf fünf Zähler ausbauen konnte. Das war extrem wichtig – zumal die Dortmunder vier Tage zuvor aus dem DFB-Pokal ausgeschieden waren. Viele hatten befürchtet, dass dies einen Knacks geben könnte.

Trotzdem kritisierte Brandt den Spielstil. Ihm wären „mehr Ballbesitz, mehr Kontrolle und weniger hohe Bälle“ lieber. „Dass Hoffenheim lange Bälle spielt, kann ich nicht beeinflussen. Aber wir haben uns sehr stark an Hoffenheim angepasst“, erklärte er. Dabei habe es Räume gegeben und die Kombination vor seinem Treffer gezeigt, „dass wir es grundsätzlich können.“ Die Herangehensweise sei sicher der Situation geschuldet gewesen. „Aber am Ende“, so Brandt, „spielen wir Fußball und laufen nicht Fußball.“

Fans wünschen sich einen schöneren Fußball

Das Interessante – und möglicherweise auch Brisante – an seinen Ausführungen: Der 29-Jährige steht mit dieser Sichtweise nicht allein. Im Gegenteil. Auch einige BVB-Fans wünschen sich schon länger einen anderen, einen schöneren Fußball – obwohl die Dortmunder ihre stabilste Bundesliga-Hinrunde seit drei Jahren spielen. Nach 13 Spielen haben sie 28 Punkte. 2023 hatten sie zum gleichen Zeitpunkt der Saison nur 25 Zähler, genau wie 2024. Im vergangenen Jahr waren es sogar nur 21 Punkte. Der BVB dümpelte auf Platz sieben. Da müsste doch eigentlich jeder Anhänger mit einem halbwegs funktionierenden Erinnerungsvermögen zufrieden sein.

Die meisten sind es auch. Trotzdem hat die Bereitschaft, den von Pragmatismus geprägten Stil, den Niko Kovac seiner Mannschaft verordnet hat, gelitten. Das war gegen Ende der vergangenen Saison noch ganz anders. Der Trainer hatte den BVB, der sich in einer chaotischen Lage befand, als er im Februar übernommen hatte, stabilisiert. Indem er die Defensive, das Fundament stärkte. Dank einer bemerkenswerten Aufholjagd schaffte es das Team am Ende der Spielzeit doch noch in die Champions League. Dadurch konnte ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden verhindert werden.

Doch nachdem dieses Szenario abgewendet und die Angst vor dem Scheitern wieder vergessen war, wurden alte Sehnsüchte beschworen – nach Spektakel, furiosen Auftritten und Titeln. Plötzlich reichten Punkte oder Siege allein nicht mehr. Und als sich der BVB mit einer 0:1-Niederlage Leverkusen im Achtelfinale aus dem DFB-Pokal verabschiedete und klar wurde, dass es in dieser Saison sehr wahrscheinlich keinen Titel zu feiern geben wird, machte sich Frust breit. In den Fanforen begann es zu rumoren. Es wurde über ausbleibende Weiterentwicklung diskutiert – und dass Kovac dafür verantwortlich sei. Das sind, gemessen an der großen Gesamtzahl der BVB-Fans, vereinzelte Stimmen. Doch nach diesem Dienstag wurden sie lauter.

Kovac ist gnadenloser Realist

„Die Minderheit ist nicht immer die Mehrheit“, sagte Kovac am Sonntag, als er damit konfrontiert wurde. Er lächelte dabei. Verstehen kann er die Kritik, die tatsächlich keine unmittelbare Relevanz für ihn hat – er steht nicht ansatzweise zur Disposition – aber nicht. „Wir sind schon auf einem guten Weg. Wir können sicherlich besser werden. Aber dafür bedarf es ein bisschen Zeit“, erklärte er. Kovac ist ein zuweilen gnadenloser Realist.

Auf jeden Fall kann er einschätzen, was seine Mannschaft kann – und was (noch) nicht. Der Spagat zwischen dem Erreichen der Ziele und dem Unterhaltungswert der Spiele kann nur bei vorsichtiger Risikoabwägung gelingen. „Wir Trainer wissen, wie schwierig es ist, alles auf einmal unter einen Hut zu bringen. Das ist fast unmöglich. Und wenn man gegen Hoffenheim 2:0 gewinnt, muss man sich nicht schämen“, so der 54-Jährige.

Auch nicht für die Art und Weise, wie dieser verdiente Sieg zustande kam. Am Sonntag zeigte der gewiefte Taktiker, wie der Lauf eines Gegners, der die letzten sechs Spiele ungeschlagen war, zu brechen ist: Indem man ihm nicht gestattet, was er am besten kann. Der BVB überließ den Hoffenheimern, deren gefährlichste Waffe das Konterspiel ist, den Ball – Kovac ließ seine Mannschaft im eigenen Stadion verteidigen. Es wurde darauf verzichtet, die TSG hoch anzulaufen. So gab es nur wenig Torraumszenen gab. Das war nicht sexy – aber effektiv.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Mehrheit der 80.000, die den mitunter wenig reizvollen Darbietungen folgten, dies am Ende genauso wie Kovac akzeptieren werden. Hauptsache gewonnen. Die Kritiker allerdings werden weiter mäkeln.

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Die Dortmunder Vereinsführung wird das auf keinen Fall tun. Denn es geht auch darum, Unruhe zu vermeiden. Neben Brandt traf auch Nico Schlotterbeck – und der jubelte emotional vor der „Gelben Wand“. Der BVB hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der umworbene Nationalspieler vielleicht doch noch seinen Vertrag vorzeitig verlängert.

Schlotterbeck, Guirassy und Adeyemi vor dem Absprung?

Selbst wenn das mittlerweile unwahrscheinlich erscheint. Auch Karim Adeyemi und Serhou Guirassy werden mit anderen Klubs in Verbindung gebracht. Eine zweite Pflichtspielniederlage wäre auch unter diesen Aspekten fatal gewesen. Die Zukunft von Brandt, dessen Vertrag schon zum Saisonende ausläuft, ist ebenfalls offen. „Alles ist möglich“, sagte der, nachdem er seine Einlassungen zur aktuellen BVB-Spielweise beendet hatte.

Für die gab es dann allerdings auch noch Lob. „Ich habe immer Bewunderung, wenn Trainerkollegen es schaffen, in qualitativ guten Mannschaften eine derartige Bereitschaft zum Verteidigen zu erzeugen“, sagte Hoffenheims Christian Ilzer – der Coach der Mannschaft, die sich am Kovac-Fußball die Zähne ausgebissen hat.

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