Die Bilanz der vergangenen Jahre verpflichtet zu Demut. Peinliches Vorrundenaus bei der WM 2018 in Russland unter Joachim Löw, blamables Vorrundenaus bei der WM 2022 in Katar unter Hansi Flick – die deutsche Nationalmannschaft darf sich in Anbetracht des jüngsten Abschneidens bei Weltturnieren auch bei „kleinen“ Gegnern nicht zu sicher sein.
2018 verlor Deutschland gegen Mexiko und Südkorea, vier Jahre später gegen Japan. Beim Turnier 2026 in den USA, Mexiko und Kanada trifft sie im kommenden Sommer auf Curacao, die Elfenbeinküste und Ecuador. Das ergab die Auslosung der Gruppen am Freitagabend in Washington. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nennt die Gegner in einer Mitteilung „interessant“. Gegen keinen der drei Gegner hat Deutschland je verloren.
Bei aller angebrachten Demut: Alles andere als der Einzug in die nächste Runde wäre eine Blamage. Eine noch größere Demütigung als 2018 und 2022. Zumal Deutschland 2026 sogar als Gruppendritter weiterkommen könnte. Das Überstehen der Gruppenphase ist Pflicht.
Das vom Niederländer Dick Advocaat – einst Coach von Borussia Mönchengladbach – trainierte Curacao ist das kleinste Land, das je an einer WM teilnehmen wird (rund 160.000 Einwohner). Die Mannschaft ist erstmals bei einer WM dabei. Viele Spieler stammen aus den Niederlanden und wurden in Europa ausgebildet. Doch natürlich ist Deutschland im ersten Gruppenspiel am 14. Juni Favorit. In der Weltrangliste liegt der Inselstaat Curacao auf Rang 82.
Der Bundestrainer heißt inzwischen Julian Nagelsmann, auch für ihn ist es die erste WM. Er war für die Auslosung in die USA gereist. Und hatte Glück, dass er und seine Mannschaft nicht Norwegen mit Stürmer-Superstar Erling Haaland zugelost bekamen. Lospech war bei diesem XXL-Turnier ohnehin nicht wirklich möglich. Und die Konstellation in Gruppe E bedeutet, dass Nagelsmann und seine Mannschaft das Wunsch-Teamquartier beziehen können.
Elfenbeinküste ist Afrika-Meister
Ecuador wurde in der WM-Qualifikation Tabellenzweiter vor Kolumbien und Brasilien, Elfenbeinküste ist amtierender Afrika-Meister. Beides sind durchaus spielstarke Mannschaften. Dennoch hätte es deutlich schwieriger kommen können für die Deutschen. Sie stehen vor machbaren Aufgaben. Diese Gruppe E bietet sehr gute Bedingungen, um gut in das Turnier zu starten. Doch im Achtelfinale droht ein schwieriger Gegner – Frankreich.
Die wegen der klimatischen Bedingungen ungewünschte Reise nach Mexiko bleibt Nagelsmann und seiner Mannschaft zunächst erspart. In den vergangenen Jahren hat sich einiges in der Nationalelf positiv entwickelt. Ob sie mit Frankreich auf Augenhöhe ist? Zweifelhaft.
Gewinnt Deutschland seine Gruppe, geht es im Sechzehntelfinale (Runde der letzten 32 Mannschaften) gegen einen Gruppendritten. 32 Teams sind als Gegner möglich. Die acht besten Gruppendritten ziehen ebenfalls in die K.-o.-Runde ein. Wird Deutschland Gruppenzweiter, spielt es gegen den Zweiten aus Gruppe I – Frankreich, Senegal, Norwegen und der Gewinner des zweiten Play-offs (Bolivien, Suriname oder der Irak) sind als Gegner möglich. Deutschland gegen Frankreich – dieses Duell könnte es im Achtelfinale geben, wenn beide Mannschaften ihre Gruppen und auch ihre Sechzehntelfinale gewinnen. Auch Norwegen wäre eine Herausforderung für Nagelsmanns Elf.
Gegen Frankreich wäre Deutschland Außenseiter. Zumindest lassen einige Leistungen der vergangenen Monate (0:2 gegen die Slowakei, mühsames 2:0 in Luxemburg) keinen anderen Schluss zu.
Titelfavorit ist Deutschland bei der WM 2026 nicht. Das Erreichen des Sechzehntelfinales muss das Minimalziel sein. Nagelsmann muss hoffen, dass der zuletzt verletzte Spielgestalter Jamal Musiala vom FC Bayern und der beim FC Liverpool zuletzt kritisierte Florian Wirtz bis zur WM in Topform sind. Und dass niemand in seiner Mannschaft die Curacao-Gruppe völlig unterschätzt.
Nagelsmann muss die Zeit bis zum WM-Start nutzen, um seine Mannschaft weiter zu formen. Und das Potenzial seiner Spieler auszuschöpfen. Dann kann es für Deutschland bei der XXL-WM mehr als das Erfüllen der Pflicht werden.
Julien Wolff ist Sportredakteur im Sportkompetenzcenter. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen.
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