Das britische TV-Dickschiff BBC wird bei der Fußball-WM im nächsten Sommer offensichtlich einen ungewöhnlichen, in der Senderhistorie so noch nie dagewesenen Weg einschlagen. Einem Bericht des englischen Blattes „Daily Mail“ zufolge plant die öffentlich-rechtliche Anstalt, erst ab dem Viertelfinale Fernsehkommentatoren und Experten zur Weltmeisterschaft nach Nordamerika zu entsenden. Außerdem soll die BBC demnach nicht beabsichtigen, ein eigenes Studio bei dem von den USA, Kanada und Mexiko gemeinsam ausgerichteten Turnier zu betreiben.

„Nur einige Radiokommentatoren und Analysten“ würden laut „Daily Mail“ die Reise antreten, „dies gilt jedoch nicht für diejenigen, die die Spiele für das Fernsehen übertragen“. Sender-Experten wie etwa Ex-Nationalspieler Wayne Rooney „und andere Persönlichkeiten werden infolgedessen viele Spiele aus der Ferne von ihrem Standort in Salford aus kommentieren – von Spielen also, die Tausende von Kilometern entfernt stattfinden“.

Die Kosten für die Berichterstattung über das Turnier, das in drei Ländern stattfindet und an dem erstmals 48 statt wie bisher 32 Nationen teilnehmen, wurden nach Informationen des Blattes „offenbar als unzumutbar angesehen“. Zwar dürften die Kosten der Hauptgrund für die Entscheidung der BBC sein, doch soll auch der CO₂-Fußabdruck bei der Berichterstattung über das Turnier eine Rolle gespielt haben. Die BBC lehnte eine Stellungnahme ab und erklärte lediglich, dass die Pläne für die Weltmeisterschaft noch nicht endgültig feststehen.

Die BBC ist von ihrer Struktur her vergleichbar mit der ARD oder dem ZDF. Die beiden deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zeigen bei der WM 2026 insgesamt 60 der 104 Spiele live im Free-TV und in ihren Mediatheken, jeweils 30 Partien pro Sender. Alle 104 Spiele laufen nur bei MagentaTV, das die vollständigen Live-Rechte für den deutschen Markt hält. Auch ARD und ZDF sollen ähnliche Pläne wie die BBC verfolgen, nur ausgewählte Partien vor Ort besetzen zu wollen. Ausnahme natürlich: die Begegnungen der deutschen Nationalmannschaft.

„Wenn die BBC nicht während des gesamten WM-Turniers dabei ist, wäre ich schockiert“

In England sorgt unterdessen der Schritt der BBC für Aufregung, zumal der kommerzielle Konkurrent ITV, mit dem sich die BBC in der Regel die Spiele aufteilt, diesem Beispiel nicht folgen wird. Berichten zufolge werde ITV etwa ein Studio in New York einrichten, wo das Finale und sieben weitere Spiele stattfinden.

Die BBC aber hat in England den TV-Status des „Kronjuwels“, der von der Regierung festgelegt wurde, um sicherzustellen, dass Großveranstaltungen im frei empfangbaren Fernsehen übertragen werden. Kritiker fordern nun dem Bericht der „Daily Mail“ zufolge, dass angesichts dieser Pläne überprüft werden sollte, ob die BBC nicht dafür büßen müsse. „Wenn die BBC dem Turnier nicht den Respekt zollt, den es verdient, warum sollte man es ihnen dann nicht wegnehmen und jemandem geben, der das tut?“, wird anonym ein Brancheninsider zitiert.

Auch der Labour-Abgeordnete Clive Efford, ehemaliger Schattenminister für Sport, kritisierte die Pläne scharf. „Wenn die BBC nicht während des gesamten Turniers dabei ist, wäre ich schockiert“, sagte er: „Es handelt sich um unseren Nationalsport, der von Millionen von Menschen verfolgt wird, und es ist eine Weltmeisterschaft. Die BBC sollte das anerkennen. Es ist eine Frage der Prioritäten, und es sieht so aus, als würden sie diese völlig falsch setzen. Ich bin fassungslos, dass sie überhaupt in Betracht ziehen, nicht dabei zu sein.“

Ein „Schattenminister“ ist in England ein hochrangiges Mitglied der offiziellen Oppositionspartei im britischen Parlament, das einem Regierungsminister entspricht und dessen Ressort kritisch „beschattet“. Der aktuelle Schattenminister, Nigel Huddleston, sagte: „Die Öffentlichkeit verlangt von der BBC, dass sie ihre Rundfunkgebühren sorgfältig einsetzt, aber wir erwarten auch, dass sie sich der Herausforderung stellt, wenn es um die Berichterstattung über Großereignisse geht. Da sich Schottland und England bereits qualifiziert haben und die Hoffnungen für Wales und Nordirland noch bestehen, herrscht im gesamten Vereinigten Königreich große Begeisterung für die Weltmeisterschaft. Ich hoffe daher, dass der nationale Rundfunkveranstalter ein umfassendes Berichterstattungspaket anbieten kann, das den Erwartungen der Fußballfans im ganzen Land gerecht wird.“

Das aber wäre eventuell ein Drahtseilakt für die BBC. Die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Medien und Sport, Dame Caroline Dinenage, vermutete, dass die Entscheidung des Senders eine Reaktion auf die Kritik sein könnte, die in diesem Sommer über den Sender hereingebrochen war. Entzündet hatte sie sich daran, dass die BBC laut „Daily Mail“ 500 Mitarbeiter zum Glastonbury Festival entsendet haben soll. Das ist ein Musik- und Kunstfestival.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Experten und Kommentatoren darüber besonders erfreut sind“, sagte Caroline Dinenage, „aber dieses Mal ist es ein viel größeres Turnier, sodass viele zusätzliche Spiele zu bereisen sind. Vermutlich gibt es eine Abwägung zwischen Preis-Leistungs-Verhältnis und Qualität der Inhalte, insbesondere nach der Kritik an der Anzahl der Mitarbeiter in Glastonbury in diesem Sommer.“

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