Das Spiel war vorbei, da fing das Nachspiel an. Im Kabinentrakt brach der Frust aus einigen Spielern und Betreuern des FC Villarreal heraus. Dabei soll, vermeldete der Streamingdienst Prime, der die Champions League-Partie zwischen Borussia Dortmund und dem Tabellendritten der spanischen La Liga übertragen hatte, Adeyemi mit einigen Spaniern aneinandergeraten sein.

Ein „Staff-Mitglied“, klärte der Dortmunder Nationalspieler später auf, habe ihm gesagt, er solle „Respekt zeigen.“ Allerdings, so Adeyemi, hätte es auch „ein paar Spieler gegeben, die zu unserem Trainer sagten, er soll leise sein. Ich weiß nicht, was sie unter Respekt verstehen.“ Letztendlich sei „von beiden Seiten gestichelt worden. So ist Fußball, deswegen: kein böses Blut“.

Der Wirbel, in den der Stürmer, um den es in den vergangenen Wochen medial nicht gerade ruhig war, diesmal ganz ohne eigenes Zutun verwickelt war, dürfte tatsächlich eine Randnotiz bleiben. Denn das, was von diesem 4:0 (1:0) des BVB gegen Villarreal in Erinnerung bleiben wird, ist eindeutig der große Anteil, den Adeyemi und sein Stürmerkollege Serhou Guirassy, zuletzt ebenfalls eher ein Sorgenkind, daran hatten. Guirassy, der in den vergangenen Wochen auf dem Platz fast wie ein Schatten seiner selbst gewirkt hatte, hatte zwei Tore beigesteuert – und Adeyemi für die Entscheidung gesorgt.

Dabei gelang dem Nationalspieler ein Treffer, in dem er auf beeindruckende Art seine Qualitäten unter Beweis stellte. Schnelligkeit und vor allem Instinkt. Adeyemi nahm ein Zuspiel von Felix Nmecha auf, rannte dann mit dem Ball quer zum Strafraum auf eine Gruppe von drei Verteidigern zu. Das erschien fast keinen Sinn zu ergeben – dachten sich offenbar auch die Spanier, die nicht erkennen konnten, was Adeyemi überhaupt vorhat. Bis sie es begriffen hatten, war es zu spät – denn da hatte der 23-Jährige plötzlich die Richtung gewechselt und sprintete Richtung Tor. Nach einem Doppelpass mit Julian Brandt war dann die komplette Abwehr aufgerissen – und selbst wenn Adeyemi das einen Tick zu steile Zuspiel von Brandt nicht mehr ganz erreichen konnte, gab es keine Rettung mehr. Der verzweifelte Klärungsversuch der Spanier klatschte an Adeyemis Knie – von dort sprang der Ball ins Tor. Es war das vorentscheidende 3:0 (58. Minute).

Lob vom Coach

„Das ist das, was er kann“, sagte Niko Kovac anerkennend. Der BVB-Trainer geriet ob dieser Aktion fast schon ins Schwärmen – und brach eine Lanze für den Offensivkünstler, um den es wegen seines illegalen Waffenbesitzes so viele Debatten gegeben hatte.

„Ihr wisst, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu Karim habe“, erklärte Kovac gegenüber den Journalisten auf der anschließenden Pressekonferenz. „Aber ich fordere auch viel von ihm. Weil ich weiß: Er kann verdammt viel.“ Adeyemi habe „Fähigkeiten, die in der Bundesliga ihresgleichen suchen. Und wenn er die alle so zeigt wie heute, dann ist ein Klasse-Spieler, ein Weltklasse-Spieler!“

Das ist eine extreme mutige Aussage für einen Trainer – weil sie sich auf einen Spieler bezieht, der polarisiert. Nicht nur aufgrund des jüngsten Skandals, sondern auch aufgrund seiner Spielweise. Adeyemi ist geschickt genug, um Strafstöße herauszuholen. Früher plump mittels Schwalben – mittlerweile subtiler und legitimer, wenn er seinen Körper zwischen Ball und Verteidiger drängt und Fouls provoziert. So wie auch am Dienstag gegen Villarreal.

Vor allem aber haben viele Anhänger, darunter auch viele BVB-Fans, nicht vergessen, dass Adeyemi in seinen ersten zweieinhalb Jahren in Dortmund extreme Leistungsschwankungen hatte. Auf ein starkes Spiel folgten oft zwei oder drei schwächere.

Damit ist es vorbei, seit Kovac sein Trainer ist. Seitdem hat sich der geborene Münchener stabilisiert. Er agiert, zumindest auf dem Platz, deutlich erwachsener. Kovac hat den vermeintlich schwierigen Charakter dechiffriert. Er weiß, was Adeyemi braucht: eine enge Leine, viele Erinnerungen – aber eben auch viele positive Verstärkungen. In diesem Zusammenhang ist die „Weltklasse“-Aussage zu verstehen. Sie ist im Konjunktiv formuliert: „Wenn...“

Blues beim BVB vertrieben

Fakt ist dagegen: Adeyemi hat, genauso wie Guirassy, den Blues beim BVB zumindest wieder etwas vertrieben. In der Bundesliga hatte das Kovac-Team zuletzt auf der Stelle getreten, sowohl beim 1:1 beim Hamburger SV als auch beim 3:3 gegen den VfB Stuttgart wichtige Punkte durch späte Gegentore verschenkt. Es haperte an der Konzentration, auch spielerische Frische war nicht immer zu erkennen.

Doch in der Königsklasse des europäischen Fußballs tankte Dortmund am Dienstag neues Selbstvertrauen. Durch den dritten Sieg im fünften Gruppenspiel ist der BVB auf klarem Kurs Richtung Achtelfinale – auch wenn die erste Halbzeit gegen Villarreal wenig überzeugend war und die Spanier ab der 53. Minute in Unterzahl spielen mussten, nachdem Juan Foyth wegen eines Handspiels auf der Torlinie die Rote Karte gesehen hatte. „Der Platzverweis tat uns schon gut. Aber in der zweiten Halbzeit war das echt gut. Das war so, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte Abwehrchef Nico Schlotterbeck.

Der Innenverteidiger, der sich unverändert in Gesprächen mit Sportdirektor Sebastian Kehl bezüglich einer Vertragsverlängerung befindet, freute sich besonders für Guirassy. „Serhou hatte leider keine leichte Zeit, man merkt, dass der Trainer ihm wieder Vertrauen gibt. Er bekommt auch von uns Jungs das Vertrauen“, so Schlotterbeck. Guirassy, der in der vergangenen Saison auf 13 Tore in der Champions League gekommen war, hatte zuletzt mit sich selbst gehadert. Der Mittelstürmer fand nur schwer in die Spiele, auch weil er zwischenzeitlich immer wieder körperliche Probleme hatte. Vor allen Dingen aber, weil es ihn wurmte, dass er zuletzt nicht mehr so regelmäßig traf.

Abonnieren Sie WELTMeister bei Spotify, Apple Podcasts oder direkt per RSS-Feed.

Der Doppelpack vom Dienstagabend könnte der erste Schritt heraus aus einer schwierigen Phase gewesen sein, selbst wenn Guirassy einen Foulelfmeter erst per Nachschuss verwandeln konnte. „Serhou hat hart dafür gearbeitet, sich selbst mal wieder zu belohnen. Damit tut er sich einen Gefallen, aber uns natürlich auch. Denn wir brauchen einen sehr guten Guirassy in den kommenden Wochen“, sagte Kehl.

Da ist was dran. Am kommenden Samstag muss der BVB in der Bundesliga bei Bayer Leverkusen antreten – am Dienstag darauf geht es im DFB-Pokal erneut gegen Bayer. „Nach diesen beiden Spielen wissen wir, wohin diese Saison geht“, sagte Schlotterbeck. Und das könnte dann auch in seine Überlegungen einfließen, wie lange er noch in Dortmund bleiben will.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke