Wenn am Wochenende die Biathlon-Saison mit dem Weltcup in Östersund/Schweden beginnt, sind viele Augen auf Franziska Preuß gerichtet. Die 31-Jährige hat den erfolgreichsten Winter ihrer Karriere hinter sich, an dessen Ende sie sich in einem dramatischen Saisonfinale den Sieg im Gesamtweltcup sicherte. Im Februar hatte sie zudem ihren ersten WM-Titel abseits der Staffelwettbewerbe gewonnen. Jetzt startet Preuß als große Hoffnungsträgerin in die olympische Saison mit den Winterspielen im Februar in Mailand und Cortina.

Frage: Frau Preuß, gehen Sie als Gesamtweltcupsiegerin und Weltmeisterin anders in eine Saison als sonst?

Franziska Preuß: Das Grundvertrauen in mein Leistungsvermögen ist größer. Und ich muss niemandem mehr etwas beweisen, vor allem mir selbst nicht. Das gibt mir eine gewisse Gelassenheit. Aber ich bin immer noch total detailbesessen und gebe jeden Tag 110 Prozent, um noch besser zu werden. Da hat sich nichts verändert.

Frage: Wie lief die Vorbereitung?

Preuß: Im April war ich erst mal richtig leer. Die ganze Anspannung von den letzten Weltcupwochen, in denen ich mir im Rennen um die große Kristallkugel keinen einzigen Fehler erlauben durfte, fiel ab. Den Urlaub in Thailand hatte ich dringend nötig. Auch danach ging nicht viel. In vier Wochen war ich vielleicht dreimal joggen. Das Gewehr habe ich sechs Wochen nicht angepackt. Ich habe so lange gewartet, bis ich wieder richtig Lust auf den Alltag als Sportler hatte.

Frage: Und dann lief alles nach Plan?

Preuß: Ich bin gesund durch den Sommer gekommen, was bei mir ja nicht selbstverständlich ist. Doch dann bin ich bei den deutschen Meisterschaften am Arber auf die linke Hand gestürzt und musste operiert werden. Das hat die Vorbereitung gestört. Ich musste am Gewehr etwas verändern. Das Griffstück für das Stehendschießen wurde angepasst, sodass die Spreizung der Finger nicht mehr so extrem ist. Zwei Monate war ich beim Schießtraining eingeschränkt, aber jetzt spüre ich nichts mehr.

Frage: Wie ist die Form aktuell?

Preuß: Ich fühle mich sehr gut. Beim Schießen habe ich ein paar Wochen verloren. Aber zum Glück habe ich in meinem Leben schon so viel geschossen, dass ich das kompensieren kann. Ich habe zuletzt extra viel Trockentraining mit Halteübungen gemacht. Und läuferisch stimmt die Form. Die Laufbandtests waren sogar besser als in den Jahren zuvor.

Frage: Haben Sie wie im Vorjahr viel allein und nicht mit dem Team trainiert?

Preuß: Ja. Never change a running system (übersetzt: Ändere nie ein funktionierendes System; d. Red.). Von Mai bis Juli war ich daheim in Ruhpolding und habe dort trainiert, zum Teil auch mit der Trainingsgruppe am Stützpunkt. Die ersten beiden Augustwochen war ich mit meinem Papa in der Lenzerheide in der Schweiz. Anfang Oktober war ich dann in Antholz für zwei Wochen, die zweite Woche zusammen mit dem Team. Danach war ich wieder allein in Obertilliach. Das Höhentraining mit dem Team habe ich ausgelassen, weil ich schlechte Erfahrungen damit gemacht habe und oft krank geworden bin. Allein zu trainieren, gibt mir den Vorteil, keine Kompromisse machen zu müssen. Ich kann meinem roten Faden folgen.

Frage: In Antholz finden im nächsten Februar die olympischen Biathlon-Wettkämpfe statt. Liegt Ihnen die Anlage?

Preuß: In den vergangenen Jahren war ich oft im Sommer zum Trainieren in Antholz. Die mittlere Höhenlage ist ideal, die Rollerbahn ist gut, man hat viele Anstiege direkt vor der Haustür. Auch zu Wettkämpfen reise ich gern nach Antholz. Der Schießstand ist windanfällig und kommt direkt nach einem Anstieg. Aber ich bin dort meistens gut klargekommen und hatte schon einige Podestplatzierungen dort.

Frage: Das Einzige, was Ihnen fehlt, ist der Olympiasieg. Wäre Ihre Karriere ohne Olympiagold unvollendet?

Preuß: Nein, ich betrachte meine Karriere schon jetzt als vollendet. Ich bin völlig fein mit dem, was ich erreicht habe. Der Sieg im Gesamtweltcup war immer das Größte für mich, weil er die Leistungen der gesamten Saison widerspiegelt. Meinen größten Traum habe ich verwirklicht. Olympiagold wäre jetzt das i-Tüpfelchen, würde aber nicht die große Kristallkugel toppen. Für mich ist das Wichtigste, schöne Olympische Spiele zu erleben. Ich war schon bei drei Spielen dabei und hatte immer Probleme im Vorfeld. Hoffentlich kommt es diesmal anders. Ich hoffe auf ein schönes Schlusskapitel in meinem persönlichen Olympiabuch.

Frage: Das heißt, Sie setzen sich nicht unnötig unter Druck?

Preuß: Nach einigen schweren Jahren merkt man, was wirklich wichtig ist. Ich habe gelernt, wie schnelllebig der Leistungssport eigentlich ist. Früher habe ich das alles zu nah an mich herangelassen und mich zu sehr über den Biathlonsport definiert. Aber man ist kein schlechterer Mensch, wenn man mal ein schlechtes Rennen zeigt.

Frage: Beenden Sie nach Olympia Ihre Karriere?

Preuß: Das lasse ich offen. Bis Februar richtet sich mein ganzer Fokus auf den Sport. Da ist wenig Zeit für andere Gedanken.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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