Der VfL Bochum steht am Abgrund. Sportlich muss der Bundesliga-Absteiger unbedingt liefern. Aber noch schlimmer steht es um die Stimmung. An den Gegner hat der Klub eine sehr emotionale Erinnerung.

Andreas Luthe möchte nichts verraten. Nichts zur Trainerfrage beim VfL Bochum. Auch nichts zur Nachfolge des Geschäftsführers Sport Dirk Dufner. Was der Präsident sagt: Man werde alles beim abgestürzten Traditionsklub "vonne Castroper" wird "in die Spur bringen". Es ist indes keine kleine Entgleisung. Anders als der benachbarte, ewig erfolgreiche Starlight Express, ist der Bochumer Zug mit Volldampf vom Gleis geflogen. Die Trümmerteile liegen weit verteilt, zwischen Krümede (Knast) und Katastrophen-Autobahn (A40). Aus der Bundesliga direkt in den Abstiegskampf im Unterhaus. Dort geht es am Samstag gegen Fortuna Düsseldorf (20.30 bei NITRO und im Liveticker bei ntv.de), gegen einen Gegner, gegen den im Sommer 2024 das Unmögliche möglich wurde.

Die Größe der nun anstehenden Aufgabe im Ruhrstadion ist sportlich nicht vergleichbar mit dem Relegations-Wunder aus dem Mai des vergangenen Jahres. Emotional dagegen schon. Trainer Dieter Hecking wurde vor gut anderthalb Wochen freigestellt, Dufner ebenfalls. Dessen Nachfolger wird gesucht. Es können auch mehrere werden, wie Luthe im Gespräch mit RTL/ntv andeutete. Wie das Portal "Tief im Westen" berichtete, werden derweil nicht nur externe Kandidaten gescannt, auch im eigenen Haus wird gesucht. Was angesichts des millionenschweren Totalschadens mit Abstieg und Freistellungen eine gern gesehene Entlastung wäre.

Unglücklich? Erschreckend!

Ein Mann, der eine wichtige Rolle bekommen könnte, soll demnach Simon Zoller sein. Der ehemalige Stürmer ist zurückgekehrt und lernt das Haus nun von der anderen Seite kennen. So verfolgte er auch die Vormittagseinheit des Profiteams am Freitag in eleganter Zivilkleidung. Die Besetzung der sportliche Leitung, in welcher Form auch immer, hat auf jeden Fall Priorität. Luthe will sich dabei aber nicht auf einen Zeitpunkt festlegen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. "Aber wir kommen gut voran, die lange Liste wird immer kürzer", sagt er.

Eine andere Frage drängt ebenfalls: Kommt ein neuer Trainer oder bleibt U19-Coach David Siebers. Für Hecking hatte er übernommen, mit Luthes Versprechen, sich drei Spiele lang beweisen zu können. Der Auftakt ging indes kolossal in die Wicken. Beim Tabellenletzten 1. FC Nürnberg brach die Mannschaft nach 15 guten Minuten völlig zusammen. Keine Führung, keine Struktur, keine Punkte. Einer war nah, weil Ibrahima Sissoko spät per Elfmeter traf, nachdem er zuvor den Nachthimmel mit einem aberwitzigen Schuss geküsst hatte. Verdient wäre der Punkt nicht gewesen. Und er glitt den Bochumern in der Nachspielzeit aus der Hand (1:2). Luthe fand's "unglücklich". Die meisten Fans fanden es erschreckend. Erschreckend anfällig, erschreckend harmlos.

Keine Erinnerung an die Relegation

Die Offensive hat sich längst zu einer chronischen Krankheit "anne Castroper" entwickelt. Sie quält den Verein saisonübergreifend. Die Sommer-Maßnahmen auf dem Transfermarkt haben nicht gegriffen. Auch deswegen musste Dufner wohl gehen, auch wenn Luthe sich um eine klare Antwort windet. Die Entscheidung sei eine der Gesamtbetrachtung der Lage gewesen. Urteil: dringender Handlungsbedarf. Den Kader hält Luthe weiter für gut, er sieht viele tolle Spieler. Spieler, die sich vom Niveau in der Bundesliga sehen. Nur bliebe deren Potenzial halt nicht ausgeschöpft. Siebers bleiben vorerst noch zwei Spiele, um die Krankheit zu therapieren. Diese Woche ging er voll in die Offensive. Alles auf Torchancen kreieren.

Gegen Düsseldorf soll die Wende her. Muss die Wende her. Das Ruhrstadion soll das Faustpfand sein, anders als beim Relegationsdrama. Da weinte das Stadion bittere Tränen (0:3). Da war der Abstieg für einen Moment die Realität, ehe die Zukunft einen anderen Plan parat hatte und die Bochumer auf surreale Weise in der Liga hielt. Für den Fußballer Luthe war es das perfekte Ende der Karriere, die sich nun auf Funktionärsebene fortsetzt. Beide Male muss er direkt in prekärer Lage da sein. Er kann nicht anders. Der VfL ist sein Verein, er lässt ihn nicht los.

Alles zerbrach in der magischen Nacht

Anders als die Erinnerung an Düsseldorf, an den Mai 2024. Was bringt's auch? Auch Siebers will keine Parallelen erkennen und das Spiel abermals besonders in Erinnerung rufen. Nur eine Sache: Nach einem schwachen Auftritt alles richtig machen. Und das nachhaltig konservieren.

In jenem Moment, als sich der VfL unsterblich fühlte, zerbrach nämlich ganz viel. In der Partynacht im Bermuda-Dreieck konnte das niemand ahnen. Aber es reihte sich hernach eine große Fehlentscheidung an die nächste. Vor allem bei der Kaderplanung. Siebers ist nun der nächste, der versucht, das vermutete Potenzial zu heben. Baut er nach Nürnberg um? Anderes System? Offensiver, mutiger? Anderes Personal? Setzt er nun weniger auf die alten Führungsspieler und wieder mehr auf die Jugend? Was er andeutet: Defensivspieler Erhan Masovic kommt nach seinem dramatischen Lungenkollaps wieder für mehr als nur 45 Minuten infrage. Das sei auch gut so. Und was ist mit den Last-Minute-Transfers Farid Alfa-Rupprecht und Michael Obafemi? Der junge Leverkusener ist extrem spielfreudig, aber ist er robust genug? Und Obafemi, der international erfahren ist, wirkt längst nicht fit genug für die 2. Bundesliga.

Kurz, klatsch, zong

Kurz, klatsch, zong. In kleinen Übungen trainieren die Bochumer an diesem Freitag offensive Einheiten. Passen, passen, schießen. Auf die kleinen Tore. Wer am schnellsten ist und trifft, bekommt Punkte. Zong, Pfosten, drin. Blau gegen Rot. Die Führung wechselt. Co-Trainer und Vereinslegende Anthony "Toto" Losilla übernimmt das Kommando. Er zählt, motiviert, er fordert "Wettkampf, Wettkampf" ein. Die körperliche Spannung bleibt hoch, kein Müßiggang. Geht auch nicht nach diesem Saisonstart mit fünf Niederlagen aus sechs Spielen. Siebers hatte in seiner Antrittsrede "Victory", "Fight" und "Love" oder "Leidenschaft" (VfL) gefordert. Schon im Training soll es um alles gehen. Um das Gewinnen. Das muss diese Mannschaft erst wieder lernen. Viele Pflichtspielsiege gibt es seit über einem Jahr nicht. In einer Runde fällt kein Tor. "Wahnsinn, Wahnsinn", ruft Losilla. Und dann weiter, weiter. Siebers und Losilla fordern Stress, Wachsamkeit. 30-Sekunden-Spiele, drei gegen drei. Nicht dribbeln, nicht halten, schießen, "abdrücken", "knipsen". Immer wieder ruft Siebers diese Worte.

Es schlummere "viel Gutes in der Mannschaft", findet Siebert. "Natürlich haben wir das zuletzt nicht immer auf den Platz bekommen. Umso mehr geht es darum, auch mal positive Verstärker zu haben, sei es, dass wir einen guten Start erwischen, ein frühes Tor erzielen und gute Aktionen haben." Und was er im Training sah, das macht ihn zufrieden. In der Vorbereitung auf das brisante Duell gegen Fortuna sei es viel um die eigene Positionierung gegangen. "Da wurden mehr tiefe Läufe und tiefe Sprints eingefordert", betont Siebers. "Jeder, der diese Woche vor Ort war, hat ein fantastisches offensives Training gesehen. Viele Eins-gegen-eins-Situationen und auch viele Tiefenläufe. Das gibt mir ein gutes Gefühl, jetzt geht es darum, das im Spiel abzurufen." Bittere Randnotiz: Die Kurzpass-Tor-Übungen gewannen die Roten. Rot, wie Fortuna Düsseldorf.

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