Leo Neugebauer holt kurz vor Ende der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Tokio die erste deutsche Goldmedaille. Der Zehnkämpfer bringt nach einem überragenden zweiten Tag beim abschließenden 1500-Meter-Lauf einen knappen Vorsprung ins Ziel. es ist die knappste Entscheidung der WM-Geschichte.
Leo Neugebauer holte unter dem Jubel der Fans noch einmal alles aus sich heraus, er torkelte auf den letzten Metern irgendwie ins Ziel, sank zu Boden. Ein Rollstuhl wurde eigens herbeigebracht für Neugebauer, den neuen König der Athleten - doch der völlig erschöpfte Zehnkampf-Weltmeister erhob sich, um die ersehnte Goldmedaille in Empfang zu nehmen: Mit einem absoluten Kraftakt über die abschließenden 1500 m erfüllte sich der Stuttgarter seinen großen Traum. "Ich fühle mich fantastisch", rief er über das Stadionmikrofon, als er wieder zu sich gekommen war.
Neugebauer krönte sich in einem packenden Thriller von Tokio zum König der Athleten, ein Jahr nach Olympia-Silber in Paris jubelte der 25-Jährige über den ersten ganz großen Titel seiner Karriere. Er streckte die Arme in den Himmel, legte sich die Deutschland-Fahne um die starken Schultern und schickte Luftküsschen ins Publikum.
Knappste Entscheidung der Geschichte
Mit nur 20 Punkten Vorsprung setzte sich Neugebauer in der knappsten Zehnkampf-Entscheidung der WM-Geschichte gegen Ayden Owens-Delerme (8784/Puerto Rico) durch. Bronze sicherte sich in einem immens spannenden Wettkampf Kyle Garland aus den USA (8703). Niklas Kaul, der 2019 WM-Gold gewonnen hatte, wurde Vierter (8538).
"Ich muss ehrlich sagen, dass diese Saison eine Achterbahnfahrt war, mit Gold habe ich nicht gerechnet. Ich bin megahappy", sagte Neugebauer in der ARD: "Ich habe mich noch nie so schlecht nach 1500 m gefühlt, der Rollstuhl war aber nicht nötig. Am Ende brauchte ich eine 1500-m-Bestleistung, aber der zweite Tag war echt geil. Der hat richtig Spaß gemacht."
Neugebauer galt im Vorfeld nicht als Topfavorit auf den Titel, doch der deutsche Rekordhalter präsentierte sich in Japan dann in Topform und leistete sich weniger Patzer als die Konkurrenz. Mit einer Galavorstellung im Diskuswurf (56,15 m) und für ihn ganz starken Ergebnissen mit dem Speer (64,34 m) und über die 1500 m (4:31,89 Minuten) zog er auf und davon. Damit gewann Neugebauer am letzten WM-Tag in Tokio mit dem drittbesten Zehnkampf seiner Karriere das erste Gold für das deutsche Team.
Nach Kaul und Torsten Voss, der 1987 in Rom Gold für die DDR gewann, ist Neugebauer der erst dritte Zehnkampf-Weltmeister aus Deutschland.
Favoriten scheitern in Serie
Neugebauer nutzte bei seinem Coup auch den Patzer seines Rivalen Sander Skotheim aus, der Topfavorit erlebte erneut ein Drama. Der Norweger, der mit seinen 8909 Punkten als Nummer eins der Welt nach Japan gereist war, stolperte zum Start in den zweiten Wettkampftag über die Hürden, stieß daraufhin ein Hindernis mit den Händen um - und wurde deshalb disqualifiziert. Schon bei Olympia in Paris lag Skotheim auf Goldkurs und blieb dann im Stabhochsprung ohne gültigen Versuch.
Auch Neugebauer kämpfte sich in Tokio durch einige Tiefen, nach der Halbzeit klagte er sogar über Knieprobleme - aber der Sonnyboy, der als College-Student mit einem ewigen Lächeln im Gesicht in die Weltspitze stürmte und die Herzen der Fans eroberte, biss sich durch. Und belohnte sich am Ende selbst.
Taktik führt auf den Thron
Neugebauer hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass der Zehnkampf bei der WM eine Wundertüte werden würde - und er sollte Recht behalten. Es könne "alles passieren", hatte er gesagt und dann kam es tatsächlich zu einer Art Fehler-Festival, keiner der Medaillenkandidaten kam ohne Probleme durch - aber Neugebauer leistete sich am Ende die wenigsten Schwächen.
Sich keinen großen Kopf machen, nicht so viel rechnen, sondern "von Disziplin zu Disziplin schauen", war Neugebauers Motto. Und seine Taktik ging auf. Nun sitzt Neugebauer auf dem Zehnkampf-Thron.
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