Eine Tragödie am 7439 Meter hohen Dschengisch Tschokusu, dem höchsten Berg Kirgistans, sorgt derzeit für Schlagzeilen und Bestürzung: Eine Bergsteigerin verletzt sich, kann wegen extremer Witterungsverhältnisse aber nicht geborgen werden. Ein anderer Bergsteiger, mit dem sie schon vorher schicksalshaft verbunden war, dringt zu ihr vor. Und verliert wenig später sein Leben. So die Kurzfassung.
Vier Wochen ist es her, dass der Tod Laura Dahlmeiers und ihr Wunsch, dass keiner für ihre Rettung sein Leben aufs Spiel setzen solle, Trauer und Schock auslösten. Die Tragödie an Kirgistans höchstem Gipfel zeigt nun auf dramatische Weise, warum die Biathletin sich bewusst dazu entschied – und Familie und Wegbegleiter darauf beharrten.
Es war am 12. August, als die Bergsteigerin Natalia Nagowizyna auf einer Höhe von etwa 7000 Metern verunglückte und sich ein Bein brach. Hoffnung auf eine Rettung der Russin besteht mittlerweile keine mehr – die Bergungsversuche sind seit Samstag auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, wie die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti vermeldete.
„Die Wetterbedingungen haben sich plötzlich verschlechtert, sodass alle Rettungsmaßnahmen gestoppt wurden“, sagte demnach ein Sprecher des kirgisischen Katastrophenschutzministeriums. Aus Kreisen des Ministeriums hieß es gegenüber der Agentur Tass weiter: „Seien wir realistisch: In diesem Jahr werden die Wetterbedingungen den Rettungskräften den Zugang zu Nagowizyna unmöglich machen.“
Beim Katastrophenschutzministerium geht man davon aus, dass sie nicht mehr am Leben ist – darüber seien sich alle Experten einig. Die Temperaturen auf dem Gipfel erreichen derzeit wohl fast Minus 30 Grad Celsius bei Nacht.
„Wir wissen, wo sie sich befindet. Aber es ist unmöglich dort hinzugelangen“, sagte Dmitri Grekow, Leiter des Basiscamps, gegenüber Tass. Außerdem erklärte er, dass bislang nie jemand aus einer solchen Höhe von diesem Berg gerettet worden sei. Ob ihre Leiche am Berg verbleibt oder geholt wird, wenn sich das Wetter bessert, ist noch unklar.
Rettungsversuch führt zu weiterem Unglück
Am 15. August starb der Italiener Luca Sinigaglia beim Versuch Nagowizyna zu retten. Er kannte Nagowyzina bereits von einer anderen Besteigung. Seine Schwester Patrizia Sinigaglia gab dem „Corriere della Sera Milano“ ein Interview zu dem Unglück.
Ihr Bruder sei bereits in Begleitung des deutschen Bergsteigers Gunther Siegmund auf dem Abstieg gewesen, schildert sie darin. Die beiden mussten wohl Schutz in einer Eishöhle suchen, als Nagowizynas Begleiter Roman sie einholte. „Roman war heruntergekommen, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich das Bein gebrochen hatte und in ernsthaften Schwierigkeiten steckte“, erzählte Sinigaglia in dem Interview, „Luca schnappte sich sein Zelt, seinen Gaskocher, Essen und seinen Schlafsack und ging mit Gunther wieder hinauf, um seiner Freundin zu helfen.“
Am 13. August hätten die beiden demnach die Verunglückte erreicht. Sie blieben die Nacht und ließen ihr die überlebenswichtige Ausrüstung da. Am 15. August machte sich Sinigaglia noch einmal auf den Weg zu der Russin. Durch das plötzlich schlechter werdende Wetter sei er von einem Schneesturm erfasst und auf etwa 6900 Metern Höhe eingeschlossen worden. Infolgedessen starb er an einem Höhenhirnödem.
Ausgelöst wird dieses durch einen erhöhten Hirndruck, wenn der Blutfluss im Gehirn, durch langanhaltenden und ausgeprägten Sauerstoffmangel steigt. Bei Bergsteigern ist das Risiko dazu meist vermindert, solange sie nicht zu schnell aufsteigen. In Sinigaglias Fall sei es durch Unterkühlung und Erfrierungen verstärkt worden.
Wie das italienische Außenministerium mittlerweile mitteilte, sei die Bergung seines Leichnams mit einem Hubschrauber gelungen. Ein weiterer Rettungshubschrauber habe bei dem Versuch, Nagowyzina zu bergen, einen Unfall gehabt.
Er hätte sie schon zum zweiten Mal gerettet
Besonders tragisch: Sinigaglia hatte die Russin schon einmal gerettet. Die erfahrene Alpinistin und ihr Ehemann seien am Khan Tengri (Kasachstan) in Schwierigkeiten geraten, schilderte Patrizia Sinigaglia und erzählte weiter: „Luca kam ihnen zu Hilfe. Er schaffte es, Natalia ins Basislager zurückzubringen, ihr Mann konnte nicht gerettet werden.“
Jetzt wird Nagowyzina wohl das gleiche Schicksal erleiden. Der Dschengisch Tschokusu, auch begannt als Pik Pobeda, gilt als technisch anspruchsvoller Gipfel. Der Aufstieg führt über steile Eiswände, in dem Gebiet kommt es zudem zu plötzlichen Wetterwechseln und extremer Kälte, die nun auch Nagowyzina und Sinigaglia zum Verhängnis wurden.
Kurz vor seinem Tod hatte sich Sinigaglia indirekt noch einen großen Traum erfüllt. „Den Schneeleoparden-Preis zu gewinnen, der denjenigen verliehen wird, die in der ehemaligen UdSSR die Gipfel von allen fünf über 7000 Metern hohen Bergen erreichen“, erzählte seine Schwester. Der Dschengisch Tschokusu hatte ihm noch gefehlt, kurz vor seinem Tod erreichte er ihn.
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