Derby-Zeit ist Schlagzeilen-Zeit. So auch vor 20 Jahren, als der BVB finanziell am Boden lag und auf Schalke antreten musste. Der verletzte Stolz der Borussia regte damals offensichtlich die Gemüter der Schwarz-Gelben zusätzlich an.
"Einige Schalke-Fans würden mir was auf die Lampe hauen, wenn sie mich sehen." BVB-Pokal-Held und Stadionsprecher Norbert Dickel war sich seiner scharfen Worte gegen den Lokalrivalen offensichtlich bewusst. In einem Bericht in einer großen deutschen Sportillustrierten holte Dickel damals vor dem Derby auf Schalke die verbale Keule raus. Was sich anhörte wie ein lautes Pfeifen im Wald, war tatsächlich das gezielte Bemühen mit ein wenig Extra-Stimmung alle Reserven zu mobilisieren, um endlich wieder einmal ein Erfolgserlebnis gegen den S04 feiern zu können. Denn vor dem 125. Revierderby hatte der BVB zwölfmal nacheinander vergeblich versucht, den Kontrahenten aus Gelsenkirchen zu besiegen.
Tatsächlich waren bereits sieben lange Jahre vergangen, in denen die Schwarz-Gelben gegen die Königsblauen kein Spiel mehr gewonnen hatten. Eine Situation, die die Schalker Fans natürlich auszukosten wussten. Und so hatten sie T-Shirts drucken lassen mit der Aufschrift: "Im Sommer 2004 wurden Kinder eingeschult, die noch nie im Leben eine Niederlage gegen den BVB erleben mussten." Währenddessen hatte die Borussia wenige Wochen zuvor nur mit Ach und Krach noch die finanzielle Totalpleite abwenden können. Das Selbstbewusstsein der Borussia lag deshalb verständlicherweise am Boden. Ein Zustand allerdings, den die Legende des BVB, Norbert Dickel, nicht einfach so hinnehmen wollte.
"Das war Ehrensache!"
Dementsprechend lederte er vor dem Derby in markigen Worten los: "Früher sind wir mit acht Mann nach Schalke gefahren und haben die weggehauen. Das war Ehrensache!" Natürlich wusste auch Nobby Dickel, dass das Quatsch war, was er da gerade gesagt hatte, doch nicht einmal ein Hauch von seinem sonst so gewohnt netten, verschmitzten Lächeln umspielte bei seinen Worten die eigenen Mundwinkel. Vielleicht hatte sich Dickel aber auch einfach nur an eine Schalker Legende und seine Worte vom 12. September 1994 erinnert. Denn damals hatte Helmut Kremers vor seiner Wahl zum Präsidenten des FC Schalke 04 etwas ganz Ähnliches geäußert.
Auf der Jahreshauptversammlung im Gelsenkirchener Sportparadies reichte dem ehemaligen Schalker Spieler und Sänger solch betörend schöner Schlager wie "Das Mädchen meiner Träume" ein einziger legendärer Satz, um den gesamten Saal geschlossen hinter sich zu bringen: "Wenn wir früher gegen Dortmund gespielt haben, haben wir uns dafür nicht mal umgezogen." Kremers hatte damals ganz offensichtlich den richtigen Knopf bei den Fans gedrückt, denn als der neu gewählte Präsident zum Abschluss wie traditionell immer das Lied "Blau und weiß, wie lieb ich dich" anstimmen wollte, begannen die Mitglieder stattdessen inbrünstig zu singen: "Wir scheißen auf den BVB!"
"Ich betrete keine Halle, wenn ich Fußball sehen will"
Ein paar Jahre später nun die Dickel-Worte zur eigenen ruhmreichen Vergangenheit. Aber der frühere BVB-Stürmer lieferte auch gleich eine Begründung für seine waghalsige Behauptung hinterher: "Ein 1:0-Sieg gegen Schalke, das ist wie ein 10:0 gegen alle anderen." Doch selbst in dem festen Glauben, dass man das 125. Revierderby für sich entscheiden würde, konnte Dickel nichts nach Gelsenkirchen ziehen. Denn außer der Befürchtung, dass er einen auf "Lampe" kriegen würde, hatte der BVB-Stadionsprecher noch einen anderen Grund für sein Fernbleiben: "Ich war noch nie bei einem Liga-Spiel in der Arena Auf Schalke. Was soll ich da? Ich betrete keine Halle, wenn ich Fußball sehen will."
Außerdem reizte den Helden des DFB-Pokal-Endspiels von 1989 auch in seiner Funktion als "Laberkopf" (Dickel über Dickel) des BVB im hauseigenen Stadion eine kleine Stichelei gegen die königsblauen Kollegen: "Bei uns ist Stimmung, da ist was los. Auf Schalke ist alles langweilig! Ich treffe als Ex-Profi den richtigen Ton, anders als ein Radiomoderator." Wen genau er mit seiner Kritik meinte, ist nicht überliefert, aber mittlerweile versteht sich Dickel auf durchaus entspannte Art und Weise mit seinem Gegenüber vom S04, dem sogenannten "Quatscher", Dirk Oberschulte-Beckmann.
"Hömma, Kollege, ich weiß nicht, wat mit dir los ist"
Beckmann hat sich übrigens einmal den Preis des "Westfälisches Blindhuhn" abgeholt, als er im Jahr 2017 den Fahrer eines abgestellten Autos, bei dem der Motor noch lief, mit dem Spruch über die Stadionmikrofone ansprach: "Hömma, Kollege, ich weiß nicht, wat mit dir los ist. Der Motor läuft, der Schlüssel steckt. Meld dich mal bei uns!" Das fanden anschließend nicht nur die Fans vor Ort richtig lustig, sondern auch die Jury des Kabarett-Preises.
Vor zwanzig Jahren allerdings konnten die Schalker überhaupt nicht über die Attacken aus Dortmund lachen, denn auch der neue Geschäftsführer des BVB, Aki Watzke, stichelte vor dem Derby ordentlich los: "Ich war immer ein Hardcore-Fan und bin es heute noch. Aber schreiben Sie nicht, was ich früher gerufen habe." Das Geheimnis behielt Watzke damals tatsächlich für sich - und versuchte in den folgenden Jahren nicht selten, die überbordende Schärfe aus der Beziehung der beiden Nachbarn zu nehmen. Und auch Norbert Dickel machte zwar seitdem aus seinem Herzen keine Mördergrube, attackierte aber nie wieder in dieser geballten und ungewohnt aggressiven Form den königsblauen Revierrivalen.
Der "Kicker" schrieb übrigens nach dem 125. Duell des FC Schalke 04 gegen Borussia Dortmund: "In einer schnellen und intensiven Partie holte sich Dortmund mit einer tollen Defensivleistung und einem herausragenden Weidenfeller nach zwölf sieglosen Anläufen gegen den Reviernachbarn einen glücklichen Sieg." Und so hatten die Verbalattacken aus Dortmund am Ende tatsächlich ihre Wirkung nicht verfehlt. Das laute Pfeifen im Wald hatte ganz offensichtlich zum Erfolg mit beigetragen. Eine Wiederholung wird es in dieser Saison allerdings höchstens im DFB-Pokal geben. Das Revierduell auf Ligaebene wird noch (mindestens) eine Spielzeit auf sich warten lassen.
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