Lange müht sich die DFB-Elf gegen Dänemark, am Ende fährt die Wück-Truppe einen Arbeitssieg ein. Auf der Euphorie-Skala ist noch Luft nach oben, nicht nur auf dem Fußballplatz.

Ein paar hundert Kilometer weiter nordwestlich, beim Tennisturnier in Wimbledon, wurde jüngst ein Zuschauer zurechtgewiesen, da er in die Stille des Spiels hinein einen Champagnerkorken ploppen ließ. Im Baseler St. Jakob Park hätte man damit ganz sicher kein Problem gehabt. Dazu wurde, zumindest phasenweise, viel zu laut gesungen.

Ohnehin wird beim Kicken wohl eher Pils und Sprudelwasser bevorzugt, davon abgesehen wollte im zweiten EM-Gruppenspiel der deutschen Elf über weite Strecken noch nicht die rechte Sektlaune aufkommen. Gegner Dänemark agierte lange Zeit "aus einer massierten Deckung" heraus, zudem gelang dem dänischen Dynamit als Erstes das, was Deutschland in der ersten Hälfte verwehrt blieb – ein Tor.

Da passte es nur zu gut, dass die Berichterstattung in allen Gewerken einen ähnlich flachen Ball spielte, frei nach dem Motto: Erstmal gucken – dann mal sehen. Im Studio tauschten Claus Lufen und Almuth Schult einiges an Einstimmung aus. Die beiden sind eingespielt, entsprechend unaufgeregt und zielorientiert ihre Standortbestimmungen.

Die Deutschen hätten ausreichend "Mentalitätsspielerinnen", um den Ausfall von Giulia Gwinn zu kompensieren, befand Schult, während Lufen sich auf Stichworte beschränkte und Klara Bühl, diesmal augenscheinlich ohne Strickzeug angereist, im Porträt-Einspieler ein paar Blasen im Bubble Tea blubbern ließ. An den Spielfeldrand ging es im Vorwege natürlich auch. Da hatte Lea Wagner ihren Merkzettel mit "Schockstarre" und "Jetzt erst recht-Gefühl" solide verschlagwortet, Bundestrainer Christian Wück kann so schnell eh nichts aus der Ruhe, Verzeihung, aus der Rrrruhe bringen.

DFB-Spielerinnen mit "ü" im Namen

Gleiches galt auch für die Kommentatorin des Spiels, Stephanie Baczyk, die das Geschehen von der ersten Spielminute an im Griff hatte. Was für eine Wohltat, diese beinah oldschoolige Stille, ihre Disziplin, den Ball da unten, das Geschehen an sich, einfach mal laufen zu lassen. Kein Vergleich mit den diversen Dampfplauderern der Klub-WM, die sich im Tandem-Format um Kopf und Kragen quasseln, um noch den letzten Quadratmillimeter des Spiels meinen, küchenpsychologisch ausdeuten zu müssen.

Nicht so mit der erfahrenen Hannoveranerin, die ihre Termini von "Gegenpressing" bis "schnelle Balleroberung" so punktgenau setzt, wie Günter Netzer einst die Pässe. "Eine Partie, die taktisch geprägt ist", heißt es bei ihr an einer Stelle dann doch mal etwas plakativ. Gleichzeitig weiß sie, wissen wir, was das tatsächlich bedeutet: Es läuft alles ein wenig zäh da unten, vulgo: langweilig.

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Dass Baczyks Herz jedoch jederzeit Feuer fangen kann und sie kaum Mühe hat, die Dezibel-Anzeige in den roten Bereich zu jubeln, zeigte sich erstmals, als Klara Bühl, Verzeihung, "Büüüüühl" zum ersten Mal netzte. Dass der VAR die Bude in der 18. Minute nach langer Analyse wieder zurücknahm, ein Schönheitsfehler, ein weiterer, dass das Tor der Dänin Vangsgaard acht Minuten später selbst für schärfste VAR-Augen einfach zu regelgerecht geraten war und es plötzlich 1:0 für die Skandinavierinnen hieß.

Aber es gibt ja noch mehr Spielerinnen mit einem "Ü" im Namen und die scheinen wie gemacht für die Kommentarinnen-Box:  Erst "Nüüüskeeeen", dann auch noch "Schüüüüüller", so geht Euphorie. Am Ende der über neun Minuten Nachspielzeit war der "Mentalitätssieg" also unter Dach und Fach. "Völlig losgelöst", so schallte es durchs weite Runde, während Lea Wagner beim Bundes-Wück – noch so ein Typ mit "Ü" – noch einmal Begriffe wie "Achterbahnfahrt" und "Willen gezeigt" abklopfte und Claus Lufen im Studio schließlich noch einen Klassiker aus den Zeiten von Schön, Derwall, Vogts & Co. aus der Mottenkiste holte: "So spielt eine Turniermannschaft". 

Was er damit meint, ist natürlich klar. Ob auf die olle Binsenweisheit Verlass ist, wird sich spätestens im fast schon sicheren Viertelfinale zeigen. Und wenn es dann noch weitergeht, dann ploppen vielleicht auch auf den Rängen in der Schweiz die Champagnerkorken. Erst einmal jedoch heißt der nächste Gegner Schweden – am Samstag, 12. Juli, um 21 Uhr. Wir sind natürlich am Ball.

km

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