Der FC Bayern steht nach dem Ausscheiden bei der Klub-WM in den USA vor Herausforderungen, insbesondere durch die Verletzung von Jamal Musiala, welche die Transferpläne des Vereins beeinflussen. Präsident Herbert Hainer (71) spricht im Interview von der Notwendigkeit, die Gehaltsstruktur des Vereins zu überdenken, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben, während der Sportvorstand Max Eberl in Ruhe arbeiten soll.

Frage: Herr Hainer, die Klub-WM in den USA endete im Viertelfinale und mit der schweren Verletzung von Jamal Musiala. Wie wird der FC Bayern ihm zur Seite stehen – und wie beeinflusst die Verletzung die Pläne des Klubs auf dem Transfermarkt?

Herbert Hainer: Das war natürlich ein ungeheuer bitterer Tag, für Jamal und uns alle. Er kam gerade erst aus einer Verletzung und wird jetzt wieder lange ausfallen. Das überschattet alles. Wir werden alles unternehmen, um ihn auf seinem Weg zu unterstützen – medizinisch und was auch immer er benötigt. Zum Transfermarkt: Unsere sportliche Leitung hat eine klare Zielsetzung, wie wir unseren Kader weiter verstärken. Diesen Plänen gehen wir konsequent nach.

Frage: Ist ein Umdenken in der Personalie Thomas Müller möglich?

Hainer: Thomas wurde nach dem Spiel gegen Paris von der Mannschaft verabschiedet.

Frage: Wie kann Thomas Müller ersetzt werden?

Hainer: Einen Thomas Müller 1:1 zu ersetzen, das ist nicht möglich – auf wie neben dem Platz, weil seine Karriere und sein Charakter einmalig sind. Seine Art und Weise zu spielen ist wie sein Auftreten nicht kopierbar – ein Bayern-Spieler mit Herz und Seele. Aber es geht weiter: Jetzt müssen eben andere Verantwortung übernehmen.

Frage: An wen denken Sie?

Hainer: Joshua Kimmich mit seinem unbändigen Siegeswillen, er ist die personifizierte Bayern-DNA. Junge Spieler aus unserem Campus wie Jamal, Aleksandar Pavlovic, Josip Stanisic. Mit Jonathan Tah haben wir einen Leader aus Leverkusen bekommen. Es wird anders sein, aber wir werden neue Führungsfiguren haben, die sich herausschälen.

Frage: Sie kannten Franz Beckenbauer sehr gut. Ist Thomas Müller ihm in manchen Punkten wie der Ausstrahlung, der Bedeutung für den FC Bayern schon sehr nahe?

Hainer: Beckenbauer wird immer über allen stehen. Aber Thomas Müller gehört natürlich in die Riege der ganz großen Spielerpersönlichkeiten des FC Bayern, wie beispielsweise Franz oder auch Gerd Müller. Für Thomas geht es ja jetzt auch nicht zu Ende, sein Abschied ist der Beginn einer Legende. In 20, 30 Jahren werden die Fans sagen: „Ich weiß noch genau, diesen Müller spielen gesehen zu haben!“

Frage: Nick Woltemade macht sich in Stuttgart als Torjäger und Typ einen Namen. Wäre er der ideale Neuzugang?

Hainer: Es ist kein Geheimnis, dass das ein sehr guter Spieler ist und sich gut entwickelt hat. Alles andere steht in den Sternen.

Frage: Im Herbst findet die nächste Jahreshauptversammlung statt. Werden Sie für eine dritte Amtszeit als Präsident kandidieren?

Hainer: Ich habe die Zeit auch in den USA genutzt, mache mir intensiv Gedanken über meine Entscheidung. Wenn es so weit ist, werde ich meinen Entschluss bekannt geben.

Frage: Ihre Frau Angelika verstarb im August 2024 nach langer Krankheit. Hilft Ihnen die Arbeit als Präsident auch als eine Art Ablenkung?

Hainer: Der FC Bayern ist eine zweite Heimat für mich, ich bin seit über 20 Jahren im Aufsichtsrat und jetzt seit sechs Jahren Präsident. Natürlich hilft mir diese Aufgabe, sie gibt mir Halt und Inhalt, und das hat mir vor allem in sehr schweren Phasen sehr geholfen. Der FC Bayern ist ein ungemein wichtiger Teil meines Lebens. Ich bin ihm sehr dankbar und möchte mich einbringen, ich möchte helfen, dass dieser Klub vielen Menschen eine Heimat ist. Ein Verein stiftet Zusammenhalt, ich weiß das: Denn zu Hause wartet nun niemand auf mich.

Frage: Wollen Sie weitermachen, weil die Arbeit Sie erfüllt?

Hainer: Ich habe immer gesagt, dass es mir eine Ehre ist, Präsident dieses großartigen Vereins zu sein und Ihnen gerade erklärt, was mir persönlich diese Aufgabe gibt und bedeutet. Aber mit 71 Jahren macht man sich natürlich auch immer Gedanken um die Zukunft.

Frage: Wie sieht Ihre Bilanz als Präsident bislang aus?

Hainer: Ich hatte das Glück, dass wir gleich in meinem ersten Amtsjahr sechs Titel geholt haben, das war ein schöner Start. Im abgelaufenen Jahr haben wir jetzt drei Meisterschaften gewonnen: bei den Männern, den Fußball-Frauen und den Basketballern. Sportlich ist es also eine erfolgreiche Zeit. Zudem setzt der FC Bayern wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch Maßstäbe. Der soziale Aspekt liegt mir sehr am Herzen. Wir haben jetzt über 410.000 Mitglieder, noch nie haben wir so viele Eintritte gehabt wie in den vergangenen zwölf Monaten. Wir haben den Dialog mit den Fans und Mitgliedern stark intensiviert – das schlägt sich im Zuspruch nieder.

Frage: Wie sehen Sie den Kampf um die wirtschaftliche Bilanz, unter anderem mit Blick auf die hohen Gehälter, die beim FC Bayern gezahlt werden?

Hainer: Wir arbeiten angesichts der fremdfinanzierten internationalen Top-Klubs als unsere Konkurrenten unter zunehmend erschwerten wirtschaftlichen Bedingungen. Wenn man sportlich erfolgreich sein will, kostet das heutzutage eine unfassbare Menge Geld, aber große Herausforderungen sind unser Spielfeld. Wir müssen bei Transfers und Verhandlungen generell klug vorgehen – und noch mehr auf unseren FC-Bayern-Campus schauen. Fakt ist, dass wir aktuell eine Gehaltsstruktur auf sehr hohem Niveau haben. Das wollen und müssen wir zurückdrehen, was natürlich nicht von heute auf morgen geht – dafür braucht man ein paar Jahre. Das Ziel ist, dass wir uns da sukzessive erneuern. Da ist unsere sportliche Leitung dran.

Frage: Wie passt in diese Strategie ein Transfer von Woltemade, der 50, vielleicht 70, 80 Millionen Euro oder mehr kostet?

Hainer: Zunächst mal ist das reine Spekulation. Aber es ist generell immer wieder verwunderlich, auf welche Zahlenkombinationen der eine oder andere Experte kommt. Das ist Sache der Vereine und der Spieler. Wenn ein Spieler, der unter Vertrag steht, wechseln will, müssen sich die beiden Vereine einigen. Ich finde, wenn Außenstehende mit oft abenteuerlichen Zahlen um sich werfen, tut das auch einem Spieler nicht gut.

Frage: Um diese Summen zu kontrollieren und freizugeben, gibt es den Aufsichtsrat, dem Sie seit 2002 angehören. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Max Eberl, der in der Kritik steht?

Hainer: Zunächst einmal können wir froh sein, dass wir einen Aufsichtsrat haben, der einerseits mit Größen aus der Wirtschaft besetzt ist und andererseits durch Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge eine enorm hohe fußballerische Kompetenz hat, auf die andere nicht ansatzweise zurückgreifen können. Aufsichtsrat bedeutet: Aufsicht führen und Rat geben. Das tun wir und sind der Meinung, dass man unsere sportliche Leitung mit Max Eberl und Christoph Freund jetzt mal in Ruhe arbeiten lassen muss. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel.

Frage: Bitte.

Hainer: Es wird, wenn sich eine Trainersuche in den Augen der Öffentlichkeit hinzieht oder sich ein Spieler mal für einen anderen Verein entscheidet, immer viel berichtet – gerade in Zeiten des Transferjournalismus. Aber man muss schon auch immer die Gesamtsituation betrachten: Die Trainersuche wurde viel kritisiert, aber am Ende haben Max und Christoph Vincent Kompany geholt, und alle sind happy. Michael Olise wird von vielen als bester Neuzugang seit Jahren bezeichnet, Tom Bischof kam ablösefrei, genau wie Jonathan Tah, den viele internationale Top-Klubs wollten. Mir kommt das Positive in der Bewertung der Öffentlichkeit oft zu kurz.

Frage: Trotzdem: Woran wird Eberl gemessen?

Hainer: Schauen Sie: Jetzt stecken wir gerade mitten in der Transferperiode. Es ist bekannt, dass wir uns in der Offensive verstärken wollen. Man muss sehen, was möglich ist. Und daher sage ich klipp und klar: Die sportliche Leitung soll in Ruhe ihre Arbeit machen.

Frage: Muss sich Eberl mit Käufen und Verkäufen in diesem Transferfenster beweisen?

Hainer: Jeder beim FC Bayern muss seine Kernkompetenzen einbringen. Aber um das mal klarzustellen: Das Profil eines Sportvorstands besteht nicht allein aus An- und Verkauf. Und: Auf dem hohen Niveau unseres Kaders ist es keine leichte Aufgabe, Verstärkungen zu finden. Die Öffentlichkeit begleitet jeden unserer Schritte – das schmeckt uns nicht immer und macht die Sache nicht leichter, aber offensichtlich müssen wir damit leben.

Frage: Bei den Finanzen könnte ein Deal mit Emirates helfen: Die Fluggesellschaft wollte auf die Brust, soll nun Airline-Partner des FC Bayern werden.

Hainer: Wie bei Personalien werde ich auch bei Sponsoring-Themen keine Spekulationen kommentieren, zudem ist unser Vorstand Michael Diederich hier der Ansprechpartner. Aber mit Blick aufs große Ganze kann ich sagen: Wir wollen und müssen uns international noch stärker aufstellen. Denn wenn wir weiter wachsen wollen, müssen wir noch globaler agieren. Die Klub-WM war da auch eine wichtige Bühne, auf der der FC Bayern der Welt gezeigt hat, wer wir sind.

Frage: Der FC Bayern will künftig in der Liga auch wieder eine gewichtigere Stimme haben. Wie sehen die Pläne aus?

Hainer: Wir müssen als das Zugpferd des deutschen Fußballs in diesen Gremien weiterhin stark vertreten sein. Deswegen haben wir die Kräfte aufgeteilt: Jan-Christian Dreesen kümmert sich um die internationalen Gremien Fifa, Uefa und ECA und Michael Diederich um die deutschen Gremien DFL und DFB. Beide bringen sich da sehr stark ein, Jan Dreesen hat gerade rund um die Klub-WM bei der Fifa und ECA viel bewirkt. Die gleiche Stärke wollen wir auch national im DFL-Präsidium einbringen. Denn eines ist klar: Wenn es dem FC Bayern gut geht, geht es auch der Bundesliga gut. Und umgekehrt.

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) geführt und zuerst in „Sport Bild“ veröffentlicht.

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