Das Erstrunden-Aus in Wimbledon ist der Tiefpunkt für Alexander Zverev. Der Tennis-Star hat mit vielen Baustellen zu kämpfen – auch einer, die die Öffentlichkeit nicht kannte.

Auch in diesem Sommer wird es nichts werden mit dem großen Wurf für Alexander Zverev. Im Gegenteil: Wimbledon wurde für Deutschlands Tennis-Star zur Blamage. Schon in der ersten Runde musste er gegen den Franzosen Arthur Rinderknech die Segel streichen. Als Weltranglistendritter gegen die Nummer 72 auszuscheiden – das hatte sich der deutsche Tennis-Star sicher anders vorgestellt. Wie so vieles in den vergangenen Jahren.

Wimbledon Alexander Zverev spricht nach Erstrunden-Aus erstmals über mentale Probleme

Nach dem Wimbledon-Fiasko gab Zverev einen seltenen Blick in seine Seele frei und sprach offen über mentale Probleme. Er fühle sich "sehr, sehr alleine" im Leben, ihm fehle die Freude außerhalb des Tennisplatzes. Auch eine Therapie zieht er nach eigener Aussage in Betracht: "Etwas in mir muss sich ändern, etwas, das nicht notwendigerweise auf dem Tennisplatz liegt." 

Alexander Zverev wartet immer noch auf den großen Erfolg

Seit Jahren gilt Alexander Zverev als unumstritten bester Tennisspieler in Deutschland. International stand der 28-Jährige bisher aber nur einmal ganz oben: auf dem Treppchen bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. Dort gewann Zverev die Goldmedaille. Ein schöner Erfolg – doch was im Tennis zählt, sind die Grand-Slam-Turniere. Und da steht Zverev nach wie vor bei null Titeln.

Denn auch wenn er immer wieder in der Weltspitze mitmischte: Den Ansprüchen, die Fans, Medien und auch er selbst an ihn stellten, konnte der Hamburger nicht genügen. Stattdessen versagten in den entscheidenden Momenten die Nerven, Zverev wirkte nach außen mitunter arrogant und überheblich. Hinzu kamen Verletzungen und ein privates Auf und Ab.

Im Finale flattern die Nerven

Dreimal stand Zverev in den vergangenen fünf Jahren im Finale von Grand-Slam-Turnieren – sämtliche Endspiele gingen verloren. 2020 unterlag er dem Österreicher Dominic Thiem bei den US Open. 2024 führte Zverev bei den French Open gegen Carlos Alcaraz nach drei Sätzen, brach dann aber vollkommen ein. Und in diesem Jahr kam er nahezu kampflos ins Endspiel der Australian Open, weil Novak Djokovic im Halbfinale verletzt aufgeben musste – nur um dort glatt in drei Sätzen gegen Jannik Sinner zu verlieren.

"Ich bin einfach nicht gut genug", äußerte sich Zerev nach der Niederlage gegen Sinner fast schon fatalistisch. "Ich will meine Karriere sicher nicht als der beste Spieler beenden, der nie einen Grand-Slam gewonnen hat." Steht er kurz vor dem entscheidenden Schritt, so scheint es, setzt bei dem Hamburger die Nervosität ein. "Wenn es um die großen Momente geht, fehlt es ihm daran, mutig und aggressiv zu sein, das Risiko einzugehen, das Match zu ergreifen", analysierte der prominente französische Tennistrainer Patrick Mouratoglou, warum Zverev immer noch ein Grand Slam fehlt. Doch auch in Australien schien weniger die Final-Leistung das Problem des 28-Jährigen zu sein. Denn: Er habe die mentalen Probleme seit den Australian Open, berichtete ein sichtlich geknickter Zverev nach dem Wimbledon-Aus.

Zverev nach Niederlage: "Bin einfach nicht gut genug" © RTL
Zverev nach Niederlage: "Bin einfach nicht gut genug" © RTL

König der Ausreden?

Doch nicht immer äußert sich der Tennisspieler so selbstkritisch. Unter Fans wird schon länger darüber gespottet, Zverev finde nach jeder Niederlage eine neue Ausrede. Das Wetter, die Bälle, Schiedsrichter oder Zuschauer waren schuld an Rückschlägen – nur nicht Zverev selbst. 

Beim Viertelfinal-Aus in Roland Garros gegen Novak Djokovic war es ihm zu kalt, beim Turnier in Mailand meinte er: "Die Bälle waren ein Witz." Das frühe Scheitern bei Turnieren in Buenos Aires und Rio de Janeiro schob Zverev auf einen ungewohnten Schläger. Und nach dem Ausscheiden in seiner Heimatstadt Hamburg sagte Zverev: "Ich fand das dafür, dass ich 37 Mal gekotzt habe und 39,4 Fieber gehabt habe die ganze Nacht, ganz okay. Ich war zwei Punkte davon entfernt, das Match zu gewinnen. Da spricht einiges für mich eher."

Auch mit den Schiedsrichtern legte sich Zverev regelmäßig an und eröffnete somit Nebenschauplätze, die der Konzentration auf dem Platz abträglich sind. Legendär ist sein Wutausbruch in Acapulco 2022, als er nach einer Doppel-Niederlage mit seinem Schläger auf den Schiedsrichterstuhl einschlug. Zverev wurde von der ATP mit einer Geldstrafe sowie einer achtwöchigen Sperre belegt und sprach später vom schlimmsten Moment seiner Karriere.

So viel kassierten Tennis-Stars an Preisgeldern 2024 – und sie wollen mehr

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Vorwürfe wegen häuslicher Gewalt und Streit mit Boris Becker

Auch neben dem Tenniscourt lieferte Zverev zeitweise eher Negativschlagzeilen: Zwei Ex-Freundinnen beschuldigten ihn, sie geschlagen zu haben, die Vorwürfe standen jahrelang im Raum. In einem Fall wurde der Prozess wegen Körperverletzung gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 200.000 Euro eingestellt. Ein anderer Fall wurde nie bei der Polizei angezeigt, die ATP stellte ihre Ermittlungen aus Mangel an Beweisen ein. Seit fast vier Jahren ist Zverev mit der Moderatorin Sophia Thomalla liiert.

Ein besonderes Verhältnis hatte der Tennis-Star über die Jahre zu Boris Becker. Lange wurde Zverev angedichtet, in die riesigen Fußstapfen des dreimaligen Wimbledon-Gewinners treten zu können – eine Zuschreibung, die noch keinem jungen Sportler gutgetan hat. In regelmäßigen Abständen wird Becker als Trainer von Zverev gehandelt, der jedoch hält lieber an seinem Vater als Coach fest.

Boris Becker "Das ist für mich vielleicht die erste Partnerschaft auf Augenhöhe"

Als TV-Experte Becker ihm über die Medien zum Trainerwechsel riet, entwickelte sich ein öffentlicher Schlagabtausch. Zverev konterte: "Ich glaube, wenn es bei mir gut läuft, dann mache ich immer alles richtig. Und wenn es bei mir schlecht läuft, dann sind alle immer sehr, sehr schlau. Da gehört Boris leider dazu." Seine persönlichen Gespräche mit Becker würden "ganz anders laufen": "Vielleicht möchte er auch eine andere Maske aufsetzen, wenn er vor der Kamera steht und irgendwie anders dastehen." Nach dem vorzeitigen Ende beim Klassiker in London schloss Zverev auch einen externen Berater im Familienunternehmen nicht mehr aus.

Zverev spricht über mentale Probleme

Viele Baustellen also, die in der Summe dazu führen, dass Alexander Zverev nicht den Weg nach ganz oben im Tennis-Geschäft geschafft hat – auch jetzt nicht, da die Heilige Dreifaltigkeit Nadal/Djokovic/Federer den Sterblichen die Plätze überlässt. Zu oft schien er sich selbst im Weg zu stehen. Einen möglichen Grund dafür aber, seine mentalen Schwierigkeiten, kannte die Öffentlichkeit bisher nicht. Selbst sein Bruder Mischa, der das Geständnis als TV-Experte verfolgte, war überrascht. Wie die Hilfe aussehen könnte, ließ der deutsche Tennis-Star zunächst offen. Er hoffe, in einem Monat beim Turnier in Kanada dazu antworten geben zu können.

Die Aussagen von Wimbledon klingen nicht danach, als wäre der Traum vom Grand-Slam-Titel gerade das größte Problem von Alexander Zverev. Das hat auch der 28-Jährige erkannt: "Ich muss mich wieder selber ein bisschen finden und verstehen, welche Menschen mir Freude bringen, was mir Spaß macht, was mich motiviert."

Quellen: "Bild", NDR, Sky, "Tennis.com"

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