Aufträge in der Ukraine liegen für europäische Baufirmen offenbar noch in weiter Ferne. Der österreichische Konzern Strabag teilt mit, erst prüfen zu müssen, „wo und wie ein Engagement unsererseits sinnvoll durchzuführen wäre“.
Auch das Bauunternehmen Porr zeigt wenig Ambitionen, bald Bauprojekte in der Ukraine umzusetzen. „Der Fokus der Porr liegt auf ihren sieben Heimmärkten. Wir haben derzeit nicht vor, in der Ukraine tätig zu werden“, heißt es von dem Konzern.
Mit den Vermittlungen von US-Präsident Donald Trump um einen Frieden in der Ukraine beginnen auch die Planspiele um einen Wiederaufbau des zerstörten Landes. Der Markt wäre jedenfalls gewaltig. So werden die Kosten für einen Wiederaufbau des von Russland angegriffenen Landes auf mehr als 500 Milliarden US-Dollar geschätzt. Gut die Hälfte davon betrifft den Wohnungsbau und die Infrastruktur.
Doch die Hürden, um an diesem möglichen Wiederaufbau teilzunehmen, sind mindestens ebenso groß wie die finanziellen Möglichkeiten für Firmen. Vor einem endgültigen und dauerhaften Frieden wollen zahlreiche Baufirmen offenbar gar nicht erst über Projekte in dem Land nachdenken. Doch selbst im Fall von erfolgreichen Friedensverhandlungen stehen dem Wiederaufbau noch zahlreiche Hindernisse im Weg.
Der Hauptverband der deutschen Bauwirtschaft erkennt vier konkrete Faktoren, die ein baldiges Engagement deutscher und westlicher Baufirmen in der Ukraine unwahrscheinlich machen. „Der Bau unterscheidet sich von anderen Branchen, indem er nicht bloß Produkte vertreibt, sondern längerfristig auf der Baustelle vor Ort sein muss, um Projekte zu verwirklichen“, sagt Frank Kehlenbach, Geschäftsbereichsleiter für Internationales Bauen des Hauptverbandes der deutschen Bauwirtschaft.
„Deshalb ist es klar, dass der Bau erst zu einem Zeitpunkt in die Ukraine kommen wird, wenn klar ist, dass der Frieden gesichert ist“, so Kehlenbach. Doch selbst zu diesem Zeitpunkt wäre sicheres Bauen noch keine Selbstverständlichkeit. So müsste auch sichergestellt sein, dass im Baugebiet keine Minen mehr liegen. „Besonders im Straßenbau wird das ein Thema sein“, sagt Kehlenbach.
Eine weitere Hürde für Baufirmen ist laut dem Verband das Thema Compliance in der Ukraine. So liegt das Land im Korruptionsindex von Transparency International auf Rang 105 von 180 angeführten Nationen, und innerhalb Europas nur noch vor Weißrussland und Russland.
„Wer in der Ukraine bauen will, muss Baugeräte und Materialien in das Land schaffen und hat daher zwangsläufig mit den Zollbehörden zu tun. Zudem braucht es für die Projekte Genehmigungen von den lokalen Verwaltungen. Die Compliance-Regeln der deutschen Bauunternehmen gelten weltweit“, sagt Kehlenbach. Sobald der Wiederaufbau startet, wird sich erweisen, ob die Korruption der Verwaltung unter dem derzeitigen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abgenommen hat.
Und auch das vom designierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aufgelegte Milliarden-Programm, durch das die Infrastruktur in Deutschland erneuert werden soll, könnte dem Wiederaufbau in der Ukraine dabei zuwiderlaufen. Denn in dem Maße, in dem Deutschland für Baufirmen attraktiver wird, könnten Auslandsmärkte aus dem Fokus geraten. „Wenn der Inlandsmarkt brummt und dort genug zu tun ist, dann nutzen die meisten Baufirmen ihre Kapazitäten zuerst im Heimatmarkt. Denn in Deutschland ist der Rechtsrahmen und das Marktumfeld bekannt und sicher“, so Kehlenbach.
Um das Interesse westlicher Firmen an einem Wiederaufbau in der Ukraine anzukurbeln, hat der Hauptverband der deutschen Bauwirtschaft auch eine Forderung an die europäische Politik. „Noch fließen kaum europäische Gelder in den Wiederaufbau in der Ukraine, sondern in die Aufrechterhaltung des ukrainischen Staatsapparats. Aber wenn EU-Gelder konkret für Infrastrukturprojekte zur Verfügung gestellt werden, dann sollten EU-Baufirmen als Erste exklusiv angesprochen werden“, so Kehlenbach. Nur wenn diese die Aufträge nicht bedienen könnten, solle der Kreis auf nicht-europäische Firmen ausgeweitet werden.
Hintergrund dieser Forderung ist der unfaire Wettbewerb zwischen europäischen, chinesischen und türkischen Baufirmen. „Wenn der Preis das einzige Vergabekriterium ist, haben deutsche und europäische Baufirmen bei Ausschreibungen keine Chance gegen chinesische Staatsbaufirmen, die aufgrund staatlicher Subvention ganz anders kalkulieren können. Daher braucht es entweder eine Lieferbindung an EU-Baufirmen oder Ausschreibungen, die auch Qualitäts- und Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen“, so Kehlenbach.
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) sieht zwar prinzipiell ein enormes Auftragsvolumen für die Bauwirtschaft in der Ukraine und „entsprechende Chancen für deutsche und europäische Bauunternehmen.“ So würde der ZDB sich mit dem Handwerk auf einen Wiederaufbau in der Ukraine vorbereiten. Doch laut ZDB seien dafür „enorme“ europäische und internationale Anstrengungen vonnöten.
„Der Wiederaufbau in der Ukraine wird eine Herausforderung, denn nicht nur zerstörte Transportwege, Engpässe bei Baumaterialien und eine instabile Energieversorgung werden die Umsetzung von Bauprojekten erheblich erschweren“, teilt der ZDB mit. Auch der Umgang mit Sprachbarrieren oder abweichenden Standards und regulatorischen Anforderungen dürfte laut dem Verband nicht unterschätzt werden. Nicht zuletzt bliebe die Frage der Sicherheit vor Ort ein Risikofaktor.
Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit den Schwerpunkten Gesundheit und Bauwirtschaft.
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