Arm, aber sexy. So oder so ähnlich würde wohl das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens funktionieren. Der Staat wäre zwar pleite, weil er einen Einbruch der Wirtschaftsleistung und des Arbeitsvolumens riskieren würde, oder er müsste die Steuern ins Unendliche treiben – dafür hätten die Bürger aber mehr Zeit und Muße für Hobbys, Sport, Familie, Weiterbildungen, Ehrenamt und andere tolle Dinge.
Klingt unrealistisch. Ist es auch. Daran ändert auch die durchaus beachtliche Studie des Vereins „Mein Grundeinkommen“ wenig. Drei verschiedene Wirtschaftsinstitute waren über mehrere Jahre an der Studie beteiligt. Die Ergebnisse sind interessant – aber nur fürs Fachpublikum.
Denn letzten Endes haben die Wissenschaftler an einem Luftschloss geforscht. Die Wahrscheinlichkeit der politischen Umsetzung geht gegen null. Um es mit Klaus Wowereit zu sagen: Das Grundeinkommen wird nicht eingeführt – und das ist auch gut so.
Sei es der drohende Kollaps des Steuersystems, das Ausblenden von wissenschaftlich erwiesenen Arbeitsanreizen oder das völlige Ignorieren, dass die Versprechungen von der Vollversorgung für alle weitere Migrationsströme nach Deutschland auslösen und gleichzeitig Firmen endgültig abwandern würden: Das Grundeinkommen bleibt eine philanthropische Idee, die gesellschaftspolitisch durchaus interessante Ansätze hat, in der Praxis aber zum Scheitern verurteilt ist.
Ein Satz in der Studie allein zeigt, dass es sich bei dem Ganzen eher um Verhaltensforschung anstatt um eine volkswirtschaftlich belastbare Rechnung handelt: „Direkte und insbesondere indirekte Wirkungen einer öffentlichen Finanzierung können ebenso wenig ermittelt werden wie Preis- und Inflationseffekte oder andere makroökonomische Effekte.“
Schlechte Forschungslage zum Bürgergeld
Die beteiligten Forscher hätten die Zeit sinnvoller nutzen können. Etwa mit Studien zum Bürgergeld: einer Sozialleistung, die unter ganz realen Bedingungen untersucht werden kann. Fast 50 Milliarden Euro kostete das Bürgergeld Bund und Länder im Jahr 2024 insgesamt. Gemessen an diesem riesigen Volumen ist die Forschungslage erschreckend schlecht. Das hat auch politische Gründe. Noch-Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) entschied bei der Einführung, den Forschungsauftrag dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu überlassen.
Nun mag es Kritiker geben, die es für zweifelhaft halten, dass jenes Institut, das an die Bundesagentur für Arbeit (BA) angegliedert ist, federführend genau das Projekt unter die Lupe nimmt, das einst deren heutige Chefin erfunden hatte: Andrea Nahles, BA-Vorsitzende und ehemalige SPD-Parteichefin.
Wer sich mit den Studien des IAB auseinandersetzt, weiß jedoch, dass der Vorwurf der Befangenheit nicht standhält. Die Forscher in Nürnberg arbeiten – anders als Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der fürs Grundeinkommen trommelt – weitestgehend unideologisch. So veröffentlichte beispielsweise IAB-Arbeitsmarktexperte Enzo Weber als erster Ökonom eine Kurzstudie zum Bürgergeld, die auf die negativen Folgen hinweist.
Dass das IAB die Forschungs-Hoheit über das Bürgergeld hält, ist trotzdem falsch. Vor allem aber deshalb, weil die angepeilte Studie viel zu lange dauert. Erst 2026 – also vier Jahre nach Einführung – sollen erste Ergebnisse vorliegen. Man sei noch nicht in der Lage, eine Bilanz zur Wirkung des Bürgergelds zu ziehen, lautet die offizielle Position des Arbeitsministeriums.
Angesichts der Kosten und der Versprechungen, die Heil an die „größte Arbeitsmarktreform seit 20 Jahren“ knüpfte, ist das eine Zumutung gegenüber denjenigen, die das Bürgergeld finanzieren müssen. Und: Nach dieser Logik dürfte man überhaupt nichts am Bürgergeld ändern, so wie Union und SPD es gerade planen, weil ja wissenschaftlich noch gar nicht bewiesen ist, was wirkt, und was nicht.
Besser wäre gewesen, die Forschung breit aufzustellen. Spannend wäre gewesen zu sehen, ob beispielsweise das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft und das DIW unter Marcel Fratzscher zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen wären. Beide Institute haben aber bis heute kaum etwas zum Bürgergeld publiziert. Hätte man sie dazu beauftragt, wären wir heute schlauer und könnten die Debatte mit mehr Fakten und weniger Emotionen führen.
Hätte, wäre, könnte. In einer idealen Welt wäre es so gekommen. Dort würde wahrscheinlich auch das bedingungslose Grundeinkommen funktionieren. In der echten Welt eher nicht.
Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Bürgergeld, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen.
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