Nach jahrelangen Gesprächen einigen sich die EU und Indonesien auf ein umfassendes Handelsabkommen. Es sieht fast vollständige Zollfreiheit für europäische Waren vor. Zudem sollen kritische Rohstoffe gesichert und die Abhängigkeit von Russland reduziert werden.
Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem weltgrößten Inselstaat Indonesien sind nach mehr als neun Jahren abgeschlossen. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und der indonesische Wirtschaftsminister Airlangga Hartarto unterzeichneten auf Bali ein Wirtschaftsabkommen und ein Investitionsschutzabkommen zwischen der Staatengemeinschaft und der südostasiatischen Wirtschaftsmacht.
Damit sollen Zölle auf EU-Waren bei der Einfuhr nach Indonesien beinahe vollständig abgeschafft werden. Gelten soll dies unter anderem für Autos und landwirtschaftliche Produkte. "Wir erleben eine Zeit der Umbrüche, der Unsicherheit und des raschen Wandels", sagte Sefcovic. "Doch mit dem heutigen Abschluss dieses Abkommens senden die EU und Indonesien der Welt ein starkes Signal: Wir stehen vereint für einen offenen, regelbasierten und für beide Seiten vorteilhaften internationalen Handel."
Er sei überzeugt, dass der Deal helfen werde, "enormes ungenutztes Potenzial zu erschließen". Durch die Abschaffung von über 98 Prozent der Zölle bringe er für beide Seiten zahlreiche Vorteile mit sich. Minister Airlangga Hartarto sprach von einem "wichtigen Meilenstein".
98 Prozent der Zölle entfallen
Insgesamt soll das Abkommen nach Angaben aus Brüssel 98 Prozent der Zölle auf beiden Seiten abschaffen. Indonesien verzichtet insbesondere auf seine Autozölle, die für europäische Hersteller bislang bei 50 Prozent liegen. Sie sollen in den kommenden fünf Jahren schrittweise auslaufen. Auch Zölle auf Maschinenteile, Chemikalien und Medikamente sollen wegfallen.
In der Landwirtschaft erklärte sich Indonesien den Angaben zufolge bereit, unter anderem Zölle auf Milchprodukte und Fleisch abzuschaffen. Auch die EU hebt die meisten Zölle auf Agrarprodukte aus Indonesien auf. Außerdem sollen die indonesischen Exportindustrien für Palmöl, Textilien und Schuhe profitieren.
Insbesondere für Palmöl-Plantagen roden indonesische Unternehmen jährlich große Flächen Regenwald. Brüssel hat sich deshalb dafür eingesetzt, dass das Abkommen nun Verweise auf eine Reihe internationaler Abkommen zum Klima- und Umweltschutz enthält. Nach EU-Angaben gibt es zudem eine Sondervereinbarung für eine nachhaltigere Palmöl-Produktion, die Indonesien aber keine konkreten Einschränkungen vorschreibt.
Die deutsche Industrie hofft im Rahmen des Abkommens zudem auf Rohstoffe aus Indonesien, unter anderem auf Nickel für Autobatterien. Das südostasiatische Land verfügt unter anderem über die weltweit größten Nickel-Reserven und will den Abbau ausweiten. Indonesien hatte den Export rohen Nickels in den vergangenen Jahren aber beschränkt, um den Aufbau einer verarbeitenden Industrie im eigenen Land zu erzwingen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor der Unterzeichnung gesagt, die geplante Vereinbarung verschaffe der EU einen stabilen und verlässlichen Zugang zu kritischen Rohstoffen, die für Europas saubere Technologien und die Stahlindustrie unverzichtbar seien. Gleichzeitig eröffne sie neue Chancen für Unternehmen und Landwirte in einer großen und wachsenden Volkswirtschaft.
EU schließt mehrere Handelsabkommen
Schon im Juli hatten sich von der Leyen und Indonesiens Präsident Prabowo Subianto auf den Abschluss der seit 2016 andauernden Verhandlungen verständigt. Als wichtige EU-Anliegen galten die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsstandards und Investitionserleichterungen.
Auch vor dem Hintergrund geopolitischer Entwicklungen strebt die EU an, ihre Handelsbeziehungen stärker zu diversifizieren. Der Handelskonflikt mit den USA, die Rohstoffabhängigkeit von Russland und anfällige Lieferketten verstärken den Druck. So erzielte Brüssel zuletzt nach 25-jährigen Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) eine Einigung über eine große Freihandelszone, modernisierte das Freihandelsabkommen mit Mexiko und sucht auch mit Großbritannien neue Wege in den Handelsbeziehungen. Bevor das Abkommen mit Indonesien in Kraft treten kann, müssen noch der Rat der Mitgliedstaaten und das Europaparlament zustimmen.
Deutsche Wirtschaftsverbände begrüßten das Abkommen. Angesichts zunehmender Handelskonflikte müsse die EU ihre Absatzmärkte auch in Südostasien ausweiten, erklärte einer der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Wolfgang Niedermark. Er rief die EU-Kommission dazu auf, auch die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen rasch abzuschließen.
Die EU ist Indonesiens fünftgrößter Handelspartner. Der bilaterale Handel erreichte im vergangenen Jahr 27,3 Milliarden Euro, was 32,22 Milliarden US-Dollar entspricht.
Mit mehr als 280 Millionen Einwohnern ist der G20-Staat Indonesien die drittgrößte Demokratie und das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt. Seit 1976 hat die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean ihren ständigen Sitz in der Hauptstadt Jakarta. Das Inselreich gilt als mächtigster Akteur in ganz Südostasien und eines der wichtigsten Länder im gesamten Indopazifik.
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