Vor knapp einem Jahr kündigte Ricarda Lang ihren Rücktritt als Grünen-Chefin an. Dem stern verrät sie, warum sie endlich Klartext reden kann und was sie Julia Klöckner zu sagen hat.
Die Grünen-Politikerin Ricarda Lang (31) sagt: Julia Klöckner polarisiert mit Kalkül, Frauen in der Politik werden härter bewertet als Männer, die Grünen sollten sich nicht selbst verzwergen. © Christoph Soeder / Picture Alliance
Julia Klöckners Empörungsdebatten spalten die Gesellschaft

Seitdem die Grünen-Politikerin Ricarda Lang vor gut einem Jahr gemeinsam mit ihrem Co-Chef Omid Nouripour den Parteivorsitz abgegeben hat, will sie als Klartext-Politikerin bekannt sein – ein Befreiungsschlag. "Unser Rücktritt war ein Signal, dass wir Verantwortung übernehmen für das schlechte Abschneiden bei den Landtagswahlen in mehreren ostdeutschen Bundesländern", sagt sie im stern-Podcast "Die Boss – Macht ist weiblich" mit Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne.

Das habe nicht nur ihren Alltag verändert, sondern auch ihre Kommunikation freier gemacht: "Als ich mir alte Videos von Pressekonferenzen angeschaut habe, dachte ich: Krass, du hast so viel Zeit damit verbracht zu beweisen, wer du nicht bist, dass du irgendwann verloren hast, wer du bist. Nahestehende Menschen riefen mich an und sagten: Du klingst wie ein Roboter."

Klimaschutz als Elitenthema

Heute will sie sich nicht mehr selbst zensieren und äußert offen Kritik. Mitglieder der Bundesregierung kommen dabei nicht gut weg, etwa Bundeskanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (beide CDU). Aber auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die sie als "Polarisierungsunternehmerin" bezeichnet: "Sie kümmert sich gar nicht um die realen Probleme vieler Menschen, sondern stellt Empörungsdebatten und Symboldebatten daneben. Und diese Symboldebatten spalten uns nicht nur innerhalb des demokratischen Spektrums, sondern auch als Gesellschaft." Die Art, in der die Bundestagspräsidentin polarisiere, unterscheide sie von anderen konservativen Vorgängern: "Wolfgang Schäuble und Nobert Lammert hatten Positionen. Keinem von beiden würde man die eigene Position absprechen. Aber sie haben sie auf eine Weise eingebracht, die uns gesellschaftlich weitergebracht hat."

Bei "Die Boss – Macht ist weiblich" sprechen Spitzenfrauen unter sich: Gastgeberin und Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne (u.a. Siemens Energy und Henkel) trifft  Chefinnen aus allen Gesellschaftsbereichen, um mit ihnen über ihr Leben und ihre Karriere zu reden. "Die Boss" erscheint alle zwei Wochen immer mittwochs auf stern.de  sowie auf RTL+ und allen gängigen Podcast-Plattformen. Abonnieren Sie den Podcast und verpassen Sie auch künftig keine Folge mehr. 

Auch sich und ihre Partei nimmt sie nicht aus von Kritik. So hätten die Grünen in ihrer Regierungszeit viele enttäuscht, weil die soziale Förderung beim Gebäudeenergiegesetz am Ende stand statt am Anfang: "Solange wir als Elitenpartei wahrgenommen werden und auch das Klima als Elitenthema, kann Klimaschutz nicht mehrheitsfähig sein." Dabei treffe das Gegenteil zu: Lang erläutert, warum ihrer Ansicht nach ärmere Menschen stärker vom Klimawandel bedroht sind als wohlhabendere.

Die aktuell diskutierte These, linke Politik sei ursächlich für den Aufstieg der AfD, hält sie für verkürzt: Die Konservativen hätten sich beim Migrationsthema zu stark von den Rechten treiben lassen und trügen so mit zu ihrem ungebremsten Höhenflug bei. Allerdings müsse man sich bei den Grünen auch eingestehen, dass sich die Umfrageergebnisse für die in Teilen rechtsradikale Partei bereits in der eigenen Regierungszeit verdoppelt hätten. "Wir haben uns bei den Grünen ein bisschen zu oft für uns selbst entschuldigt. Dadurch sind wir aber nicht als weniger ideologisch wahrgenommen worden, sondern immer mehr in die Defensive gekommen."

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Auch sonst nimmt Lang kein Blatt vor den Mund. Sie bezeichnet es als Problem, wenn sich die Öffentlichkeit mehr für ihren sichtbaren Gewichtsverlust interessiert als für ihre Agenda: "Ich bin ja nicht rausgegangen, um Model zu werden, sondern Politikerin. Also kritisiert mich für meine Ideen, meine Konzepte, aber doch nicht für mein Aussehen." Und sie verrät, warum sie als Tochter einer prekär verdienenden Alleinerziehenden lieber bei den Grünen als bei der SPD eingetreten ist, warum sie immer zwei Tage wartet, ob sie sich in Social-Media-Debatten einschaltet, und ob ein Selfie mit der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek und der SPD-Abgeordneten Rasha Nasr ein Vorbote für weibliche Machtbündnisse ist.

All das und noch mehr hören Sie in der aktuellen Folge unseres Podcasts DIE BOSS. Tipp: Lassen Sie am besten gleich ein Abo da, um auch künftig kein Gespräch mit Simone Menne zu verpassen.

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