Deutschlands Maschinenbauer haben Exportprobleme. Im ersten Halbjahr 2025 sind die Ausfuhren der industriellen Schlüsselbranche preisbereinigt um fast fünf Prozent auf nur noch 98,3 Milliarden Euro gesunken, meldet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Vor allem in Nordamerika und Ostasien verkaufen die Unternehmen weniger Ware. Die USA und China sind aber die beiden wichtigsten Exportmärkte.
„Zollschranken und mehr Protektionismus belasten erheblich“, erklärt VDMA-Chefvolkswirt Johannes Gernandt den aktuellen Einbruch. Es gehe deshalb nicht um eine temporäre Schwankung, sondern um eine strukturelle Herausforderung der deutschen Vorzeigebranche. Deshalb sei die Politik gefragt. Europa müsse sich daher mit Nachdruck für offene Märkte und verlässliche Regeln im Welthandel einsetzen, meint Gernandt.
Vor allem im zweiten Quartal haben sich der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Zollkonflikt und die daraus resultierende Unsicherheit deutlich ausgewirkt. So meldet der VDMA für diesen Zeitraum ein kräftiges Minus von 9,5 Prozent im US-Geschäft. Aufs Halbjahr gesehen summiert sich der Verlust dort auf sieben Prozent – und liegt damit mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt.
Diese Entwicklung korrespondiert mit der schwachen Entwicklung der US-Wirtschaft insgesamt. So ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um 0,5 Prozent und damit noch stärker gesunken als von Analysten ohnehin erwartet. Dazu schwächelt auch der Arbeitsmarkt. Experten wie Jürgen Molnar, Stratege vom Broker RoboMarkets, sprechen von „ersten Bremsspuren“ aufgrund des „Zollwahnsinns“.
Und das scheint erst der Anfang. US-Notenbankchef Jerome Powell warnt jedenfalls vor weniger Wachstum und steigender Inflation in den USA. Für VDMA-Vertreter Gernandt ist deshalb keine kurzfristige Besserung in Sicht – weder für das so wichtige US-Geschäft noch für die meisten anderen Märkte. „Aufgrund neuer Drohungen und anhaltender Unsicherheiten rund um das Ende Juli ausgehandelte Zollabkommen dürften die Auswirkungen dieses Konflikts auch im dritten Quartal weiterhin spürbar sein.“
Nur vier der Top-20-Länder mit positiver Bilanz
Die Maschinenbau-Unternehmen bemühen sich daher um neue Absatzmärkte und verstärken ihre Aktivitäten in Ländern, die gemessen am Exportvolumen bislang weniger bedeutend sind. Das gilt zum Beispiel für die Region Mercosur, also den südamerikanischen Raum. Um 12,3 Prozent sind die Maschinen-Ausfuhren dorthin im ersten Halbjahr gestiegen. Aber auch der Nahe und Mittlere Osten zeigt eine positive Tendenz, ebenso Afrika. „Dies zeigt die Bestrebung von Unternehmen, zunehmend auf diversifizierte Marktstrategien zu setzen, um sich unabhängiger von einzelnen Absatzmärkten zu machen“, beschreibt Gernandt.
Denn die Zahl der Lichtblicke unter den etablierten Märkten ist aktuell gering. Lediglich vier der 20 größten Exportziele hatten in den ersten sechs Monaten 2025 eine positive Bilanz: Italien, Spanien, die Türkei und Brasilien. Die nach Prozentzahlen größten Verluste unter den wichtigsten Handelspartnern meldet der VDMA für Mexiko, die Tschechische Republik, Südkorea und Österreich. Noch schwerer wiegen allerdings die jeweils fast zehnprozentigen Rückgänge in China und Frankreich und das Sieben-Prozent-Minus in den USA. Denn diese drei Märkte stehen zusammen für gut 28 Prozent aller Exporte der deutschen Maschinenbauer.
Betroffen ist unabhängig von den Zielländern die überwiegende Mehrheit der Fachzweige im Maschinen- und Anlagenbau. Ganz vorne in der Verliererliste steht der Bereich Baumaschinen und Baustoffanlagen mit einem Minus von 12,9 Prozent. Dabei spielt China eine gewichtige Rolle. Denn zum einen fehlt es an Nachfrage aus der Volksrepublik angesichts der dortigen Immobilienkrise. Zum anderen konzentrieren sich die Hersteller aus China aufgrund eigener Absatzprobleme im Inland verstärkt auf den Export – und expandieren schnell und aggressiv, vor allem in Schwellenländer mit Produkten wie Raupenbaggern, Mobilkränen und Radladern.
Zweitgrößter Verlierer unter den wichtigsten Fachzweigen im Maschinenbau ist die Fördertechnik mit einem Rückgang von 10,3 Prozent, gefolgt von den vor allem in der Automobilindustrie, der Medizintechnik und in der Luft- und Raumfahrt eingesetzten Präzisionswerkzeugen. Die Antriebstechnik wiederum als größtes Segment im Export liegt ebenso wie die drittplatzierte Landtechnik bei einem Minus von rund fünf Prozent. Eine positive Entwicklung gibt es dagegen bei Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen mit einem Plus von 6,3 Prozent.
Auswirkungen auf Arbeitsplätze
Die schwierige Lage im Export hat längst auch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in den hiesigen Unternehmen. Ende Juni waren in den Betrieben mit mindestens 50 Mitarbeitern 1,01 Millionen Menschen beschäftigt, meldet der VDMA. Das sind rund zwei Prozent weniger als zum Vorjahreszeitpunkt. Und es ist der niedrigste Stand seit dem Jahresende 2021. Chefvolkswirt Gernandt prognostiziert für die kommenden Monate einen weiteren Stellenabbau – „wenn auch verlangsamt.“
Dabei droht der Branche mittelfristig der personelle Engpass: „Mehr als ein Viertel der Beschäftigten im Maschinen- und Anlagenbau wird in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter erreicht haben“, heißt es beim VDMA. „Hierauf muss die Politik endlich reagieren“, fordert Fabian Seus, der beim Verband das Thema Arbeitsmarkt verantwortet. „Anreize zur Frühverrentung müssen weg, das Renteneintrittsalter schrittweise erhöht werden.“ Auch das Thema Fachkräfteeinwanderung dürfe nicht vergessen werden. „Hier brauchen wir vor allem schnellere Anerkennungsverfahren und das Zeitarbeitsverbot muss weg.“
Zudem hält Seus geringere Arbeitskosten für ein Muss, um gerade den industriellen Mittelstand wettbewerbsfähig zu halten. „Die drängendste politische Aufgabe ist es, die Sozialabgaben zu senken. Wir benötigen ein wettbewerbsfähiges Niveau, maximal 40 Prozent, um Beschäftigung anzureizen. Jeder Prozentpunkt darüber macht den Standort unattraktiver und gefährdet Arbeitsplätze.“
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
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