Der Jobwechsel gilt als der leichteste Weg zu mehr Gehalt. Aber stimmt das auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten? Ja, sogar gerade jetzt, beruhigt Karriereberaterin Nane Nebel – trotz der vielen Schlagzeilen über Massenentlassungen. Denn vor allem Führungspositionen blieben dabei erhalten und seien besonders wichtig, um Unternehmen aus der Krise zu führen. Gerade hierfür würden oft Manager ohne "Stallgeruch" geholt – und entsprechend gut bezahlt, stellt die Beraterin fest.
Ein Jobwechsel sei in Krisenzeiten aber natürlich dennoch mit mehr Unsicherheiten verbunden, warnt Julian Stahl, Arbeitsmarktexperte von der Jobplattform Xing. Aber auch der promovierte Ökonom sagt: Die Krise bietet wegen des anhaltenden Personalmangels besonders gute Chancen auf ein höheres Gehalt. Das gelte speziell für qualifizierte, flexible und gut vernetzte Fachkräfte.
Laut der Xing-Wechselwilligkeitsstudie 2025 ist der Wunsch nach einem höheren Gehalt der Grund Nummer eins, warum Beschäftigte aktuell über einen Jobwechsel nachdenken. Besonders jüngere Beschäftigte (Generation Z und Millennials) seien bereit zu wechseln, weil sie sich zu Beginn ihrer Karriere dadurch noch erhebliche Gehaltssprünge versprechen, sagt Stahl.
Mehr verdienen im neuen Job
Diese Rechnung geht oft auf. Denn immer noch ist ein Jobwechsel für viele Beschäftigte der einfachste Weg, um auf einen Schlag deutlich mehr zu verdienen – ohne eine umfangreiche Weiterbildung, versteht sich. Bei sehr gefragten Qualifikationen oder wenn zusätzliche Verantwortung übernommen werde, seien bis zu 30 Prozent mehr möglich, sagt Stahl. Generell hält er bei einem Jobwechsel ein Gehaltsplus von durchschnittlich 10 bis 20 Prozent für realistisch. Diese Spanne bei einem Job mit gleichem Profil bestätigt auch Nebel. Sie berät in erster Linie Top-Führungskräfte. Bei ihnen verteilt sich das Plus auf ein höheres Fixgehalt sowie auf eine variable, erfolgsabhängige Vergütung. Hier kommt es jedoch darauf an, genau hinzuschauen.

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"Einige Klienten haben ihr Fixgehalt nur geringfügig erhöht, aber durch variable Anteile am Jahresende deutlich mehr verdient", erklärt Nebel. Sie erlebt es allerdings immer wieder, dass der Wechsel am Ende doch nicht so lukrativ ausfällt wie gedacht. Denn schnell könne es trotz eigener Erfolge unerwartet eine Nullrunde geben, weil der vermeintlich fest zugesagte Bonus vom Gesamtergebnis des Unternehmens abhängig war. Nebel empfiehlt deshalb: Das Gehaltspaket eindeutig formulieren und alle Zusagen vertraglich vereinbaren.
Wer sich von höheren Löhnen im Ausland locken lässt, sollte ebenfalls sorgfältig nachrechnen. So mag beispielsweise die Schweiz mit sehr viel attraktiveren Bruttogehältern locken. Die könnten sich allerdings rasch durch teurere Lebenshaltungskosten oder einen Zweitwohnsitz relativieren, mahnt Nebel.
Mehr Gehalt durch Weiterbildung: Das lohnt sich
Doch warum sind Jobwechsel überhaupt so lukrativ – wenn ein Beschäftigter im selben Unternehmen auf derselben Position vermutlich doch keine zweistellige Lohnerhöhung bekommt? Arbeitgeber sind laut Stahl schlicht bereit, für "frische Kräfte" mehr zu zahlen – selbst wenn die auf der neuen Position nicht mehr leisten als bei ihrem vorherigen Unternehmen. "Neue Arbeitgeber müssen attraktive Angebote machen, um qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen, was den Verhandlungsspielraum erhöht", bilanziert Stahl. Zugleich werde es von Unternehmen oft nicht honoriert, wenn ein Beschäftigter der Firma lange treu geblieben ist oder zusätzliche Aufgaben übernimmt.
Apropos: Mit besonders gefragten Zertifikaten und Qualifikationen lässt sich ein Gehaltssprung beim Jobwechsel natürlich besonders gut begründen. Einige lassen in Tagen oder wenigen Wochen erwerben. Zu ihnen gehören laut Stahl:
- IT: Herstellerzertifikate wie "Microsoft Office Specialist" oder "SAP Certified Application Associate – SAP S/4HANA Cloud"; Einsteigerzertifikate wie CompTIA Security+ (IT-Sicherheit) oder Cisco CCNA (Netzwerkgrundlagen) – laut Stahl international anerkannt und auch ohne IT-Studium möglich; Zertifikate über den Umgang mit KI-Anwendungen
- Projektmanagement: Methoden wie Scrum, ITIL oder der "Certified Product Owner"
- Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse: IHK-Zertifikate (z.B. "Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement", "Managementassistent/in", "Industriekaufmann/-frau"); sie können laut Stahl auch als Teilqualifikationen oder über die Externenprüfung erworben werden.

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Ein Gehaltssprung fällt Jobsuchenden allerdings nicht immer automatisch in den Schoß. Wie also geht man als Führungskraft vor, wenn man mindestens 20 Prozent mehr verdienen möchte, ohne sich umfangreich weiterzubilden? Die meisten lukrativen Ausschreibungen findet man nicht auf Plattformen wie LinkedIn oder Experteer, winkt Nebel ab. Rund 80 Prozent der vakanten Führungspositionen würden nicht offen ausgeschrieben, sondern "verdeckt" vergeben – entweder intern oder über Initiativbewerbungen, Headhunter oder das eigene Netzwerk. Die Beraterin empfiehlt deshalb: Lieber direkt Unternehmen und Personalberater ansprechen.
Mehr Gehalt verhandeln
Um dann bei einer Bewerbung zu überzeugen und Konkurrenten auszustechen, kommt es laut Nebel weniger auf Titel und Diplome an. Entscheidend seien nachweisbare Erfolge, die dem vorherigen Arbeitgeber Profit gebracht hätten. Das schaffe Vertrauen in die künftige Performance und sei das beste Argument für ein hohes Gehalt. "Es geht also darum, die eigenen Erfolge zu erkennen und darzustellen", rät Nebel für die Bewerbung und das Vorstellungsgespräch.
Geht es im Bewerbungsgespräch um konkrete Summen, kann es sich laut Stahl auszahlen, eine "krumme" Zahl zu nennen, beispielsweise 56.700 statt 55.000 Euro. Dies signalisiere Verhandlungsbereitschaft und dass man sich intensiv mit dem Lohnniveau dieser speziellen Position beschäftigt hat. Experten sagen außerdem: Arbeitgeber runden bei ihrem Gegenangebot gern auf die nächst niedrigere Stufe ab. Aus 56.700 Euro werden dann möglicherweise 55.000 Euro, aus 55.000 jedoch schon gleich 50.000 Euro.
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Gehaltsverhandlung: Tipps
Nebel empfiehlt ferner, bei der Gehaltsverhandlung alternative Angebote parat zu haben, sollte die Gegenseite einen höheren Lohn ablehnen. Das könnte ein Fixbonus statt eines variablen Bonus im ersten Jahr sein oder künftige Gehaltssteigerungen schon jetzt fest zu vereinbaren. Das Gehalt bei einem Jobwechsel zu verhandeln, lohnt sich fast immer. Die in Stellenausschreibungen angegebenen Gehaltsspannen dienen laut Stahl in der Regel ohnehin eher als Orientierung und Verhandlungsbasis.
Wenn ein Unternehmen auffällig viele oder auch besonders hochwertige Benefits anbietet, kann sich der Gehaltspoker laut Stahl besonders lohnen. Als Beispiele nennt der Xing-Experte großzügige Boni, Firmenwagen, eine betriebliche Altersvorsorge sowie Zuschüsse für Umzug oder Kinderbetreuung.
Ob sich ein Jobwechsel am Ende wirklich lohnt, hängt aber von weit mehr als der Bezahlung ab. Nebel erinnert sich an einen Klienten, der für ein Gehaltsplus von mehr als 50 Prozent auf einen Geschäftsführerposten nach Stuttgart wechselte. Die Familie blieb in Hamburg, regelmäßige Homeoffice-Tage waren nicht möglich. "Das ist am Ende nicht gut ausgegangen, weder mit der Familie noch mit dem Job", berichtet Nebel. Der Jobwechsel müsse unter dem Strich mehr bringen, eben nicht nur finanziell. Ihr Tipp: "Priorisieren Sie, was Ihnen im Job wichtig ist. Erfüllt der Job 80 Prozent davon, ist er lukrativ."
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