Chinesische Firmen drängen durch die Zölle aggressiv in andere Märkte wie Australien oder Südostasien. Dort müssen sie mit Dumpingpreisen agieren und in der Heimat die Kosten senken. Die Last des Handelskriegs mit den USA wird so auf die Arbeiter abgewälzt.
Mike Chai kämpft um das Überleben seiner Fabrik für Küchenschränke. Um in dem durch hohe US-Zölle verschärften Preiswettbewerb mit anderen chinesischen Herstellern zu bestehen, will er die Lohnkosten um 30 Prozent drücken. Seit der Pandemie hat Chai seine Belegschaft bereits auf 100 Mitarbeiter halbiert. Mehr gehe nicht, sagt er. Stattdessen kürzt er nun die Schichten und schickt seine Arbeiter in den unbezahlten Urlaub. "Wir sind im Überlebensmodus", betont der 53-jährige Unternehmer aus der südchinesischen Stadt Foshan. Seinen langjährigen Mitarbeitern habe er gesagt: "Ihr wollt nicht, dass unsere Fabrik pleitegeht. Lasst uns das gemeinsam durchstehen."
Chais Geschichte ist kein Einzelfall. Sie steht symptomatisch für eine Entwicklung, die Ökonomen als versteckte deflationäre Zeitbombe für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt betrachten. Während die offizielle Arbeitslosenquote stabil bei rund fünf Prozent liegt, greift eine wachsende Unterbeschäftigung um sich. Um im verschärften Wettbewerb zu überleben, senken chinesische Unternehmen nicht die Zahl ihrer Mitarbeiter. Stattdessen gehen sie an deren Löhne und Arbeitszeiten. Die Last des Handelskriegs mit den USA wird so auf die Arbeiter abgewälzt. Deren sinkende Kaufkraft belastet wiederum das Konsumklima und die Binnennachfrage.
"Das Modell ist verrückt"
Die neuen Verwerfungen sind eine direkte Folge der US-Zölle. Chinesische Firmen, die wegen der dadurch steigenden Preise nicht mehr in die Vereinigten Staaten verkaufen können, drängen aggressiv in andere Märkte wie Australien oder Südostasien. Dort verdrängen sie mit Dumpingpreisen etablierte Exporteure wie Mike Chai. Um mitzuhalten, müssen sie ihre Kosten senken.
"Es sind die Menschen, die unter diesem Modell des enormen Wettbewerbs und der niedrigeren Preise leiden", sagt Ökonomin Alicia Garcia-Herrero vom Finanzhaus Natixis. "Das Modell ist verrückt." Die offiziellen Statistiken würden die chinesischen Arbeiter nicht als "die Hauptverlierer" des Handelskriegs ausweisen, weil sie nicht arbeitslos würden. Stattdessen erhielten sie unbezahlten Urlaub oder würden weniger Stunden arbeiten.
Die Folgen für die Betroffenen sind oft dramatisch. Alan Zhang, der seit Jahren in Textilfabriken arbeitet, verdiente früher 400 Yuan pro Tag (etwa 48 Euro). Heute hat er Mühe, einen Job für die Hälfte des Geldes zu finden. Im Juli arbeitete er nur 14 Tage. Das bereitet ihm Sorgen, da er jährlich 10.000 Yuan für den Kindergarten seines Sohnes aufbringen muss.
"Sonst fährt das Unternehmen gegen die Wand"
Unternehmer wie Dave Fong stellen von Festangestellten auf Tagelöhner um. "Wenn wir das nicht tun, fährt das Unternehmen gegen die Wand." Er bevorzuge befristete Verträge, weil dann keine Renten- oder Versicherungsbeiträge fällig würden, erklärt Fong.
Diese Entwicklung hat bereits spürbare Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. "Wenn die Löhne im verarbeitenden Gewerbe unter Druck geraten, wird die gesamte Wirtschaft einen deflationären Druck spüren", warnt Richard Yarrow, ein Experte der Harvard Kennedy School. Die Anzeichen dafür sind unübersehbar: Das Verbrauchervertrauen verharrt auf einem Rekordtief, die Einzelhandelsumsätze sind schwach, und die Inflation lag im Juli bei null Prozent. Die Strategie, die Exporte um jeden Preis wettbewerbsfähig zu halten, geht somit zulasten der eigenen Bevölkerung. Und sie birgt die Gefahr, die Binnenkonjunktur nachhaltig zu lähmen.
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