Ohne die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid werde es beim Klimaschutz in Deutschland nicht vorangehen, sagte Hamburgs neue Umweltsenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Montag. Auch Hamburg müsse sich für den Einsatz der sogenannten CCS-Technologie öffnen. Treibhausgase aus Kraftwerken und Fabriken werden dabei abgefangen, verflüssigt und unter dem Meeresboden gespeichert.
„CCS darf kein Ersatz für Klimaschutz sein. Aber es ist völlig klar, dass wir unsere Klimaziele ohne CCS nicht erreichen werden“, sagte Fegebank, die zugleich auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin ist. Die bis spätestens 2045 angepeilte Klimaneutralität der Hansestadt könne allein über Einsparungen nicht gelingen – „zumindest die letzten Prozente nicht“.
Die Umweltorganisation BUND widersprach Fegebank am Dienstag. „Der BUND Hamburg ist empört: Umweltsenatorin Katharina Fegebank möchte den Einsatz von Carbon Capture and Storage Technologie auch in Hamburg fördern“, sagte die Landesvorsitzende Sabine Sommer. „Die CCS-Technologie kann unmöglich von der Umweltbehörde so prominent nach vorne gestellt werden, was einer Vernachlässigung der tatsächlichen Aufgaben gleichkommt.“
Der BUND warne vor einer „problematischen Verschiebung der Prioritäten. CCS vermittelt den Eindruck, dass Emissionen unproblematisch seien, wenn sie ,weggespeichert‘ werden, die damit verbundenen Risiken und hohen Kosten werden dabei außer Acht gelassen. Dies schwächt Anreize und Spielräume für echte Emissionsreduktionen und konterkarieren das Erreichen der Klimaschutzziele.“
Die CCS-Technologie wird, etwa in den Offshore-Ölfördergebieten der norwegischen Nordsee, schon seit Jahrzehnten praktiziert. Die Unternehmen verpressen Kohlendioxid zurück in die Lagerstätten unter dem Meeresboden, um die Ölförderung zu stimulieren. Institutionen wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover sehen in der Anwendung der Technologie – etwa auch in der chemischen Industrie in den USA – auf der Basis existierender Daten bislang keine unvertretbaren Risiken, etwa den Wiederaustritt des Kohlendioxids. Umweltorganisationen wie unter anderem auch Greenpeace kritisieren CCS hingegen als „Scheinlösungen“ bei der Eindämmung von Treibhausgas-Emissionen.
Ein großes Thema ist CCS zum Beispiel auch beim Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Sogenannter „grüner“ Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien per Elektrolyse erzeugt wird, steht in den kommenden Jahren international nur in minimalen Mengen zur Verfügung. Viele Unternehmen aus der Industrie und der Energiewirtschaft wollen für eine Übergangszeit deshalb „blauen“ Wasserstoff nutzen. Dabei wird Wasserstoff aus Erdgas abgetrennt und das verbleibende Kohlendioxid unterirdisch verpresst. Auf diese Weise ließe sich auch „blaues“ Ammoniak erzeugen, eine Grundstoffchemikalie, die aus Wasserstoff und Stockstoff besteht. Ammoniak eignet sich zum Transport etwa per Tanker besser als reiner Wasserstoff. Auch ist Ammoniak der Grundstoff etwa für Düngemittel.
In den Nordseeregionen von Dänemark und Norwegen wird Kohlendioxid mithilfe der CCS-Technologien mittlerweile in wachsenden Mengen unter den Meeresboden gebracht. Beide Länder vermarkten dafür Kapazitäten in ausgeförderten Erdöl- und Erdgasfeldern. In Deutschland ist der Einsatz der CCS-Technologie bislang nicht erlaubt. Der vormalige Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) brachte für die Nutzung von CCS ein Gesetzgebungsverfahren in Gang, das die Ampelkoalition im Bundestag jedoch nicht mehr realisieren konnte. In den Jahren zuvor waren die Grünen strikt gegen den Einsatz von CCS. Wann die neue Bundesregierung aus Union und SPD das Thema wieder aufgreifen wird, ist unklar.
Fegebanks Ausführungen spiegeln die heutige Haltung der Grünen zu dem Thema CCS wider. „Wir brauchen es für die Klimaziele, das ist total klar“, sagt sie. „Deshalb ist es wichtig, dass wir breit darüber sprechen und die besten Wege finden, um CCS zum Einsatz zu bringen. Die Bundesregierung muss klären, wie abtransportiert und wo gelagert oder verpresst werden darf. Das ist im Moment noch alles unklar und faktisch verboten.“ In Hamburg wolle man den Einsatz von CCS vor allem bei der Müllverbrennung prüfen: „Wir haben dazu mit der Stadtreinigung eine Machbarkeitsstudie erstellt und werden schauen, welche Erkenntnisse wir daraus ableiten können.“
Hamburgs BUND-Chefin Sommer hingegen kritisiert, damit werde die Wirtschaft „nicht nur bei der Müllverbrennung oder Zementherstellung in die fossile Sackgasse gelenkt. Hamburg braucht keine unterirdische Verpressungspolitik mit hohen Kosten und ebensolchen Risiken, sondern echten Klimaschutz an der Oberfläche: Kreislaufwirtschaft vor der Müllverbrennung, statt erst nach der Verbrennung mit aufwändigst abgeschiedenem CO2.“ Mehr erneuerbare Energien seien nötig, etwa Solaranlagen auf Hamburgs Dächern, „anstatt fossiler Großprojekte mit CCS als Feigenblatt. Und nicht zuletzt: Den öffentlichen politischen Willen und Fokus dafür.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die Energiewirtschaft ist seit Jahrzehnten eines seiner Schwerpunktthemen.
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