Immer mehr Menschen in Deutschland haben einen Nebenjob. Doch statt Geldsorgen steht beim sogenannten Side Hustle Boom immer öfter das Thema Selbstverwirklichung im Vordergrund.

Gassi gehen mit fremden Hunden, als Komparse bei einem Film mitarbeiten oder online selbst gemachte Handarbeiten verkaufen: Immer mehr Menschen in Deutschland gehen einem Nebenjob nach. 2023 hatten laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung rund 4,5 Millionen Deutsche einen Zweitjob. 2013 lag die Zahl mit 3,2 Millionen noch deutlich darunter.

"Nebenjobs werden auf jeden Fall beliebter. Die Zahl der Nebenerwerbsgründungen ist zuletzt um etwa fünf Prozent gestiegen auf 382.000. Und inzwischen geht laut IAB tatsächlich fast jeder Neunte einem Nebenerwerb nach", sagt Katharina Lüth, Vorständin bei der Raisin Bank, im ARD-Finanzformat 50k auf YouTube. In anderen Ländern ist der Trend sogar noch ausgeprägter: In den USA hat jeder Dritte einen Nebenjob, in Großbritannien arbeitet jeder Vierte nebenbei.

Kreativ ausleben und Geld verdienen

Und das hat nicht immer nur etwas mit Geldsorgen zu tun. "Da geht es oft auch um Selbstverwirklichung. Kann ich über die Zeit mein Hobby zum Beruf machen oder unternehmerisch tätig werden", betont Expertin Lüth. Das bestätigen auch Daten des Arbeitszeitreports Deutschland von 2021: Danach machen 36 Prozent der Menschen ihren Nebenjob, weil sie Spaß daran haben - sie machen also ihr Hobby zum Beruf, können sich kreativ ausleben und nebenbei auch noch was verdienen.

Eine aktuelle Verbraucherumfrage von Intuit, einer weltweit aktiven Finanztechnologieplattform, zeigt außerdem, dass es vielen Side Hustlern darum geht, Autonomie zu erlangen. Fast die Hälfte der Befragten gab an, ihre Hauptmotivation für einen Nebenjob sei es, ihr eigener Chef zu sein, während 42 Prozent von dem Wunsch angetrieben werden, ihren Leidenschaften nachzugehen.

"Generation Nebenjob"

Und das Ganze ist besonders bei jungen Menschen beliebt, Experten sprechen mittlerweile schon von einer "Generation Nebenjob". Der Grund: Laut verschiedenen Verbraucherumfragen haben fast zwei Drittel der 18- bis 35-Jährigen bereits einen Nebenjob als Ergänzung zu ihrem Hauptjob begonnen oder planen dies.

65 Prozent von ihnen beabsichtigen, dieses Modell mit zwei Jobs dauerhaft fortzusetzen. Die Nebenjobs sind also mehr als nur flüchtige Trends - sie repräsentieren einen grundlegenden Wandel in der Einstellung jüngerer Generationen zu Arbeit, Sinnhaftigkeit und finanzieller Unabhängigkeit.

Gesetzliche Regelungen erleichtern Nebenjobs

Das könnte auch daran liegen, dass Nebenjobs durch gesetzliche Änderungen zuletzt immer attraktiver geworden sind. So ist seit 2023 das Einkommen aus einer sogenannten geringfügigen Nebenbeschäftigung - also einem Minijob - für die Beschäftigten steuerfrei. Außerdem werden keine Beiträge für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung fällig. Seit 2013 besteht zwar eine Versicherungs- und Beitragspflicht für die gesetzliche Rentenversicherung, aber es gibt die Möglichkeit, sich von der Zahlung des Arbeitnehmeranteils befreien zu lassen.

Und auch der Arbeitgeber des Hauptjobs darf einen Nebenjob nicht verbieten: "Grundsätzlich ist es so, dass der Arbeitgeber nicht über den Rest der Zeit eines Arbeitnehmenden bestimmen darf", betont Katharina Lüth. Was man aber trotzdem beachten muss: Der Nebenjob darf den Hauptjob nicht beeinträchtigen. Heißt: Als Rettungssanitäter darf man zum Beispiel im Nebenjob Taxi fahren. Das sagt zumindest das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.

Zudem gibt es ein sogenanntes Wettbewerbsverbot: Wer bei der Post arbeitet, darf nicht bei der Konkurrenz Briefe austragen. Aber man darf zum Beispiel als Hundesitter arbeiten oder kellnern - solange man das Arbeitszeitgesetz beachtet und die maximale Arbeitszeit und Ruhepausen einhält.

Online-Plattformen boomen

Gleichzeitig eröffnet der technischer Fortschritt neue Möglichkeiten bei Nebenjobs. So spielen etwa die Zeitersparnisse, die viele Arbeitnehmer durch Homeoffice erleben, eine wichtige Rolle bei der Attraktivität von Nebenjobs, so Katharina Lüth: "Wenn ich nicht mehr jeden Tag zwei Stunden Arbeitsweg habe, dann habe ich plötzlich mehr Zeit, um einem Nebenerwerb nachzugehen." Denn immerhin betrachten 44 Prozent der jungen Nebenerwerbstätigen den Mangel an Stunden am Tag als größtes Hindernis.

Und auch Online-Plattformen, die etwa Freiberufler mit potenziellen Kunden verbinden, und so den Verkauf erleichtern, haben Side Hustles weiter demokratisiert - und erleben einen Boom. So verzeichnete die Do-it-yourself-Plattform Etsy in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres 115.000 neue Verkäufer. Teachable, eine Plattform, auf der Menschen Onlinekurse erstellen und verkaufen können, freute sich im Juli 2024 über einen ersten Quartalsumsatz von mehr als zehn Millionen US-Dollar. Und OnlyFans, wo man mehr oder weniger erotische Bilder von sich zum Verkauf anbieten kann, meldete sechsstellige neue Anmeldungen.

YouTube-Kanal oder Tierbetreuung

So ist es auch kaum überraschend, dass beliebte Nebenjobs in Deutschland online stattfinden. Dazu gehören - neben den genannten Plattformen - etwa das Betreiben eines YouTube-Kanals, wobei sich hier vor allem über das YouTube-Partnerprogramm mit Werbung Geld verdienen lässt, das Verkaufen von Vintage-Artikel, zum Beispiel über Kleinanzeigen, Vinted, Facebook Marketplace oder auch in lokalen Flohmarktgruppen oder selbstgemachtes verkaufen. Wer gern strickt, bastelt oder malt, kann auch damit Geld verdienen.

Beliebt sind aber auch Jobs als Haushaltshilfe oder in der Gartenarbeit. Und in der Tierbetreuung, etwa als Dog Walker oder Hundesitter, lässt sich nebenbei Geld verdienen.

Mit dem Side Hustle zum Millionär

Und Side Hustle kann sich richtig bezahlt machen, wie das Beispiel von Vincent Willkomm zeigt. Der 46-Jährige hat sich wortwörtlich zum Millionär hochgehustlet. Mit Mieteinnahmen, Dividenden, Zinsen aus Privatkrediten und seinen früheren Nebenjobs verdient er über 11.000 Euro im Monat.

Mit 16 Jahren hat er angefangen - während andere feiern waren, hat er Spätschichten geschoben, Räume untervermietet, sein Auto verleast, den Keller als Lagerfläche vermietet. Und jeden Euro, den er verdient hat, hat er investiert. Deshalb rät Willkomm auch dazu, Geduld zu haben. Vincent Willkomm hat zwar schon mit 16 angefangen zu arbeiten, aber seine erste Millionen hatte er erst mit knapp 40 Jahren zusammen. Das zeigt also: Dran bleiben lohnt sich, auch bei kleinen Beträgen, die man verdient.

"Nebenbei reich werden ist schwierig"

Trotz dessen sollte man sich darüber im Klaren sein, das wohl die wenigsten mit ihren Side Hustles zu Millionären werden. "Was Side Hustler verdienen, ist schwer zu sagen. 2019 gab es eine YouGov-Umfrage, wonach die Hälfte der Menschen mit ihrem Nebenverdienst unter 500 Euro im Monat lagen. Immerhin ein Fünftel hat zwischen 500 und 2.500 Euro dazuverdient", so Katharina Lüth von Raisin. Genauere Erhebungen dazu gibt es für Deutschland aber nicht.

Anders sieht das in den USA aus. Dort verdienen Side Hustler, die rund zwölf Stunden pro Woche arbeiten, im Schnitt 1.122 Dollar im Monat. Aber das ist nicht die Regel - über die Hälfte verdient sogar weniger als 200 Dollar monatlich. "Nebenbei und einfach reich werden ist generell schwierig", sagt Expertin Lüth. Sinnvoller, als mit dem Nebenjob aufs schnelle Geld zu hoffen, ist aus ihrer Sicht, dass dazu verdiente Geld anzulegen. "Dieses zusätzliche Geld zu investieren und zu vermehren, das ist auf jeden Fall eine sinnvolle Idee."

Und sie betont im 50k-Interview auch: Es gibt Side Hustles, von denen man besser die Finger lassen sollte. "Gerade bei Versprechungen wie 'Mit diesem Nebenerwerb werden Sie sehr schnell sehr reich' sollte man auf jeden Fall Vorsicht walten lassen." Dahinter verbergen sich oft Schneeballsysteme, in die man selbst erst einmal viel Geld investieren muss. Auch von Multi-Level-Marketing sollte man lieber die Finger lassen. Dabei verkauft man Produkte und muss gleichzeitig andere Leute anwerben, die dasselbe machen.

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