Im vergangenen Jahr erreichten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahn an Rhein und Ruhr einen Tiefpunkt: Jeder vierte Zug war verspätet, jeder sechste Zug fiel ganz aus. Jetzt holt sich der regionale Verkehrsverbund Hilfe aus der Vergangenheit.

Wenn diese Eisenbahn in den Bahnhof rollt, zücken manche gar ihr Handy für ein Foto, so ungewohnt ist der Anblick im Jahr 2025: Die Waggons stammen noch aus Bundesbahn-Zeiten - mit Fenstern zum Runterschieben statt Klimaanlage, schmalen Türen, die sich mit beherztem Ruck am Hebel öffnen lassen, und einem Zugbegleiter, der aus einer kleinen Kabine heraus vor jedem größeren Bahnhof die Anschlusszüge durchsagt. Leicht knarrend kommen die Informationen aus den Lautsprechern.

"Komme ich damit wirklich an?", fragt eine Bahnreisende ungläubig, als sie die Trittstufen in den 60 Jahren alten Waggon ihres RE 11 in Richtung Düsseldorf erklimmt. Wie die meisten Bahnreisenden auf der vielbefahrenen Nahverkehrs-Achse quer durch das Ruhrgebiet bis nach Westfalen ist sie viel modernere Exemplare gewohnt. Mit barrierefreiem Zugang, piepsenden Türen, die per Knopfdruck öffnen, Displays mit Verbindungsinformationen und automatisierten Durchsagen.

Sie wird von umstehenden Pendlern beruhigt: Der Zug mit unverkennbarem Retro-Charme gehört in NRW wieder zum täglichen Anblick. Das Bahnunternehmen TRI setzt ihn auf mehreren Linien als Ersatzzug ein. Es soll damit im Auftrag des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) helfen, den Regionalverkehr im Ruhrgebiet etwas zuverlässiger zu machen. 2024 hatten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit einen erneuten Tiefpunkt erreicht: Jeder vierte Zug war verspätet, jeder sechste Zug fiel ganz aus.

1000 Kilometer pro Tag

"Wir sind immer da, wenn jemand anders nicht kann oder andere Probleme von außen ihn nicht lassen", erklärt Henrik Feldmann, Leiter Strategie und Vertragsmanagement bei TRI Train Rental. Das 2013 gegründete Unternehmen ist nach eigenen Angaben Marktführer für Not- und Ersatzzüge in Deutschland - und das mit historischem Waggons und Loks, die längst nicht mehr gebaut werden.

Anfänglich kamen die Züge von TRI vor allem als Fußballsonderzüge oder für Touristiksonderfahrten zum Einsatz. Inzwischen seien sie auch als Ersatzzüge im Nahverkehr immer häufiger gefragt, sagt Feldmann. In diesem Sommer rollen TRI-Bahnen viermal am Tag zwischen Düsseldorf und Hamm. Auch auf den Linien RE6, RE3 und RE7 sind sie ersatzweise unterwegs. Etwas mehr als 1000 Zugkilometer kommen so pro Werktag zusammen.

Die Strecken werden eigentlich von National Express und der Eurobahn bedient. Doch wie die gesamte Branche ächzen die Eisenbahnunternehmen derart unter Lokführermangel, dass immer wieder Züge ausfallen. Teilweise wurden ganze Linien über Monate hinweg aus dem Fahrplan gestrichen. Damit das seltener passiert, fängt TRI nun einzelne Fahrten zu den Spitzenzeiten auf.

Möglich ist das, weil die 60 Jahre alten Waggons von einer deutlich moderneren Lok angetrieben werden. Sie schafft die 140 Stundenkilometer, die nötig sind, um Fahrpläne auf der Strecke einzuhalten, wie Feldmann erläutert. Auch die Waggons seien "so weit modernisiert, wie es geht".

Keine Plumpsklos mehr

Hier plumpst durch das Klo nichts mehr auf die Gleise wie früher. Auch Türen sind bei der Fahrt fest verriegelt. Nicht mehr bedient wird ein Snack-Point - "ein Relikt, was an frühere Zeiten erinnert", so Feldmann. Der Fahrgast konnte hier einst Erdnüsse oder einen Kaffee ziehen.

Nach qualifizierten Lokführern sucht auch TRI fortwährend: "In der gesamten Branche gibt es einen Mangel, da können wir nicht einfach aus dem Vollen schöpfen", erklärt Feldmann. Die alte Technik erfordere dabei auch besondere Kenntnisse, die man nur noch bei wenigen Arbeitgebern lernen könne. Daher habe man einen eigenen Ausbildungsbereich aufgebaut, um junge Menschen, von denen viele noch Lust auf die alte Technik hätten, entsprechend aus- oder fortzubilden. Engagement für die Sache und für die Mitarbeiter seien dann ein wichtiger Schlüssel, diese auch zu halten. "Wir sind alles Eisenbahner. Wer bei TRI arbeitet, der hat wirklich Lust", erklärt Feldmann.

TRI will mit Zuverlässigkeit punkten - ausdrücklich nicht trotz, sondern aufgrund der alten Technik. So erklärt es Lokführer Simon Kruck: "Wenn bei uns etwas mit einem Waggon nicht passt, dann rangieren wir ihn einfach aus und fahren weiter. Eine moderne Triebzugeinheit muss komplett aus dem Verkehr genommen werden, wenn ein einziges Rad kaputt ist."

Der 27-Jährige ist seit viereinhalb Jahren beim Unternehmen - und zwar sehr bewusst. Der junge Mann, dessen Bundesbahn-Umhängetasche aus Leder mehr als doppelt so alt sein dürfte wie er selbst, hat im Fernverkehr bei der Deutschen Bahn gelernt. Er ist ein ausdrücklicher Fan der alten Zeit auf der Schiene: Rangieren, Reparieren, manuelles Überprüfen der Technik - alles Arbeitsschritte eines Lokführers, die in vielen modernen Regionalzügen nachrangig sind - aber nicht bei den Zügen von TRI.

Überdurchschnittlich zuverlässig und sauber

"Die Lok spricht auch mit einem", sagt Kruck und meint die Geräusche, wenn er die Hebel umlegt. Quietschen, Ruckeln, Knacken: "Ein moderner Zug ist leiser. Das wünscht sich der Fahrgast. Der Eisenbahner der mag alles, was dazu gehört", sagt er. "Ich bin froh, wenn ich nicht so viele Displays habe, die einen hier und da mit einer Sprachausgabe bevormunden oder irgendeine Phantomstörung haben", sagt der Lokführer und lacht.

Früher war also alles besser? Man verstehe sich als ergänzendes Angebot, nicht mehr und nicht weniger. Denn: "Die Züge sind nicht mehr zeitgemäß, wir sind nicht vollständig barrierefrei." Dafür sei jeder Zug mit einem Zugbegleiter besetzt, der helfe, wo er könne.

Den Fahrgästen scheint das Angebot zu gefallen: Im Qualitätsbericht des VRR schnitt die von TRI betriebene Niers-Erft-Bahn (RB 37) in den Punkten Fahrgastzufriedenheit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit überdurchschnittlich gut ab.

Auch an diesem Tag trifft man, neben denen, die schlicht froh sind, von A nach B zu fahren, einige Reisende mit einem Strahlen in den Augen. "Dieses Einfache, das ist doch toll. Das erinnert mich total an früher", sagt Christine Warkotsch, deren Vater früher selbst bei der Bahn arbeitete. "Nostalgie", so bringt es Heinrich-Joachim Kocks auf den Punkt. "Damit bin ich groß geworden."

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