Die Chemikalie TFA gelangt durch Pestizide, Arznei- und Kühlmittel in die Umwelt. Da sie sich nicht abbaut, findet sie sich etwa im Trinkwasser und auch in Lebensmitteln. Experten fordern Konsequenzen.

Michael Müller ist pharmazeutischer Chemiker an der Universität Freiburg und erforscht die Belastung durch Trifluoressigsäure (TFA) anhand historischer Weinproben aus seinem Institut.

Sein Fazit ist alarmierend: Während alte Weine - bis in die 1970er-Jahre - noch frei von TFA sind, zeigt sich ab den 1980er-Jahren eine zunehmende Belastung. Seit 2010 steigen die Werte rasant. "Die neuen Weine enthalten extrem hohe TFA-Gehalte, mit denen wir nicht gerechnet haben", sagt Müller.

In einzelnen Proben wurden Konzentrationen von bis zu 300 Mikrogramm pro Liter festgestellt - eine Verzehnfachung innerhalb von 15 Jahren. Für Müller steht fest: "Wir werden toxikologische Probleme bekommen. Die Frage ist nur wann und in welchem Ausmaß."

Was ist TFA und warum ist es gefährlich?

TFA ist ein farbloses Salz der Trifluoressigsäure und gehört zur Familie der PFAS - per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Diese Stoffgruppe umfasst über 10.000 synthetische Chemikalien, die in zahlreichen Alltagsprodukten enthalten sind: Bratpfannen, Outdoor-Kleidung, Fastfood-Verpackungen, Pestiziden und sogar Medikamenten.

Einmal in der Umwelt, lassen sich PFAS kaum oder gar nicht mehr abbauen. Daher werden sie auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet. "Jedes Kilogramm TFA, das wir freisetzen, erhöht dauerhaft die Umweltbelastung", warnt Müller. "Ein Abbau ist nicht zu erwarten."

Wasserwerke in Sorge

Auch die Wasserversorger schlagen Alarm. In der Region Oberrhein haben sich die TFA-Konzentrationen im Rhein seit 2016 verdoppelt. Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) spricht von einem "ungestoppten Anstieg" mit direkten Folgen für das Trinkwasser. TFA ist besonders kritisch, weil es mit herkömmlichen Methoden nicht aus dem Wasser entfernt werden kann.

Ein deutschlandweiter Trinkwassertest des ARD-Magazins Plusminus zeigt: Alle Proben, ob aus Privathaushalten oder öffentlichen Einrichtungen, enthielten TFA. Die Werte lagen größtenteils unter einem Mikrogramm pro Liter, in Dresden jedoch bei 1,3 µg/l, in Kevelaer (NRW) sogar bei 2,4 µg/l.

Auch Mineralwasser waren betroffen. Während Gerolsteiner und Spreequell mit 0,1 und 0,2 µg/l relativ geringe Werte zeigten, wurde im stillen Aqua Mia von REWE ein TFA-Wert von 1,8 µg/l gemessen. Ulrich Borchers vom Institut für Wasseranalytik hält das für bedenklich: "Ein solches Wasser kann kaum noch als ursprünglich rein gelten. Es entspricht nicht den Erwartungen der Verbraucher."

Noch höhere TFA-Werte in Lebensmitteln

Noch gravierender ist die Lage bei Getreideprodukten. Die Umweltorganisation Global 2000 testete 48 Produkte. Alle waren mit TFA belastet. Konventionelle Waren wiesen dreimal höhere Werte auf als Bio-Produkte. Spitzenreiter: ein konventioneller Keks mit 420 µg/kg - das entspricht dem 100- bis 1000-Fachen der TFA-Werte im Trinkwasser.

Die Ursache liegt laut Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden auf der Hand: "Im Boden befinden sich bereits hohe TFA-Konzentrationen - vor allem durch PFAS-haltige Pestizide." Er fordert ein rasches Verbot dieser Stoffe und aller Substanzen, die sich in der Umwelt zu TFA abbauen.

Behörden und Politik kommen nicht hinterher

Bereits 2023 haben mehrere EU-Länder, darunter auch Deutschland, einen Vorschlag bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Ziel ist es, die gesamte Gruppe der PFAS-Chemikalien - also auch TFA - stärker zu regulieren. Doch das Verfahren kommt nur schleppend voran.

Experte Müller vermutet dahinter eine gezielte Verzögerung durch die Industrie: "Es werden absichtlich viele Anträge gestellt, damit sich das Verfahren in die Länge zieht. Das halte ich für unverantwortlich." Auch von der Politik fehlt ein klares Signal. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht ausdrücklich, dass ein generelles Verbot ganzer Chemikaliengruppen abgelehnt wird.

Das Bundesgesundheitsministerium sieht darin jedoch keinen Widerspruch. Auf Nachfrage betont es: "Grundsätzlich sollte der Eintrag von besonders langlebigen und schwer abbaubaren Stoffen in die Umwelt verringert werden."

Eine schleichende Gefahr

Die Konzentrationen von TFA in Umwelt und Lebensmitteln steigen seit Jahren an - messbar unter anderem in Trinkwasser, Wein und Getreideprodukten. Auch wenn die meisten gemessenen Werte derzeit unterhalb der geltenden Richt- oder Grenzwerte liegen, beobachten Fachleute die Entwicklung mit zunehmender Aufmerksamkeit.

Welche gesundheitlichen Auswirkungen mit langfristig höheren TFA-Konzentrationen verbunden sein könnten, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch: Je früher mögliche Quellen und Eintragspfade in die Umwelt erkannt und begrenzt werden, desto besser lassen sich mögliche Risiken kontrollieren.

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