Während Jahren hat Jaime Quintanilla als Journalist über Korruption, Menschenrechtsverbrechen oder den unerklärlichen Reichtum der Familie Bukele berichtet. Das war möglich, auch im autoritär regierten El Salvador. Doch im Mai habe sich alles schlagartig verändert, erzählt der 31-Jährige. «Meine Kollegen von der Onlinezeitung ‹El Faro› haben Videos publiziert, in denen erstmals hochrangige Bandenchefs erzählten, wie sie Nayib Bukele unterstützt hatten.»
Seither mussten Dutzende Medienschaffende und Menschenrechtsverteidigerinnen aus El Salvador flüchten. Auch Jaime Quintanilla. Nayib Bukele lässt keine Kritik an seinem Regime mehr zu.

Während Jahrzehnten war El Salvador von Bandengewalt geplagt. Wahllos töteten Gangmitglieder Zivilisten, vergewaltigten und erpressten sie. Zu Beginn seiner politischen Karriere bat Bukele die Gangs, ihre Gewalt einzudämmen und dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung in ihrem Gebiet für Bukele stimmte. Das belegen diverse Medienrecherchen. Im Gegenzug soll Bukele den Banden entgegengekommen sein, Gangbosse wurden gar heimlich freigelassen.
Der Pakt zwischen Präsident Bukele und den Gangs hat bis 2022 gehalten. Dann töteten Gangmitglieder an einem Wochenende 87 Personen. Bukele nahm das zum Anlass, den kriminellen Banden definitiv den Krieg zu erklären. Er rief den Ausnahmezustand aus, welcher Festnahmen ohne Haftbefehl ermöglichte.
Die Banden in El Salvador sind heute zerschlagen.
Seither wurde der Ausnahmezustand 40-mal verlängert. Mehr als 87'000 Personen wurden in diesen drei Jahren festgenommen. Das ist bei 6.6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern viel. El Salvador hat heute die höchste Inhaftierungsrate der Welt.
Unschuldige landen im Gefängnis
Es sei unumstritten, dass die Kriminalität, die Erpressungen und Morde in El Salvador abgenommen hätten, seit Bukele an der Macht sei, bestätigt Journalist Quintanilla. «Die Banden in El Salvador sind heute zerschlagen.»
Galt El Salvador vor zehn Jahren noch als das kriminellste Land der Welt mit einer Mordrate von mehr als 100 pro 100'000 Einwohner, so liegt die Mordrate heute bei unter 2. Doch der Preis, den die Bevölkerung dafür zahle, sei viel zu hoch, so Quintanilla: «Bei all diesen Verhaftungen wurden wohl Tausende Unschuldige eingesperrt.»
Die NGO Socorro Juridico Humanitario konnte den Tod von 427 Personen in Haft dokumentieren. 94 Prozent davon habe kein Bezug zu Banden nachgewiesen werden können.
Der Diktator bleibt hoch beliebt
Und trotzdem bleibt Nayib Bukele äusserst beliebt: 85 Prozent der Bevölkerung stehen hinter Bukele. Erstaunlich, sagt der Journalist Quintanilla: «Wenn ich Leute frage, deren Verwandte oder Bekannte unschuldig inhaftiert sind, dann lamentieren sie das zwar, sagen aber oft im gleichen Satz: ‹Das ist zwar bedauerlich, aber das ist der Preis, den wir für die Sicherheit in unserem Land bezahlen.›»
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