Es hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder Momente gegeben, in denen das Gefühl aufkam, es könne bergauf gehen mit der deutschen Wirtschaft – die Phase des Siechtums und des Nicht-Wachstums könne ein Ende haben. Jetzt aber wirklich! Nun erst recht!
Diese Hoffnungen haben sich nie erfüllt. Mal kam ein Virus dazwischen, das sich als äußerst hartnäckig erwies; dann der Krieg in der Ukraine; und manchmal eine Koalition, der im entscheidenden Augenblick der Geldhahn abgedreht wurde und die sich dann im Streit selbst abwickelte. Mitunter aber standen auch einfach die Unternehmen selbst einem Aufschwung im Weg, weil ihnen der Mut und die Ideen fehlten, die es gebraucht hätte, um Tempo aufzunehmen.
Das oft beklagte Dilemma beim Gas zeigt, dass an Deutschlands Dauer-Stagnation nicht nur die Politik Verantwortung trägt, sondern auch die Unternehmen: Natürlich war schwer vorauszusehen, dass Russland die Ukraine überfallen würde und in der Folge die Gaspreise nach oben schießen würden. Dass es aber keine gute Idee war, sein Geschäftsmodell auf Dauer an russische Gaslieferungen zu binden, das hätte man auch in deutschen Chefetagen ahnen können – mit der Bereitschaft, nach Alternativen zu suchen und entsprechend zu investieren.
Institute werden optimistischer
Es ist daher zunächst nicht schlecht, wenn Kanzler Friedrich Merz eine Auswahl deutscher Unternehmen im Kanzleramt empfängt, um deren Bereitschaft zu Investitionen abzuklopfen und möglichst auch anzutreiben. Natürlich ist das eine PR-Veranstaltung, und sicher sind einige der dort nun gefeierten Investitionen auch schon seit langem geplant. Aber manchmal braucht man eine solche Show, um ein vorhandenes Gefühl stärker werden zu lassen und um die Zuversicht steigen zu lassen. In anderen Ländern weiß man das schon lange.

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capitalDenn die deutsche Wirtschaft ist tatsächlich wieder an einem Punkt angekommen, an dem vieles auf einen zumindest moderaten Aufschwung hindeutet. Die Bundesregierung kann mit einer gelockerten Schuldenbremse im Rücken ein Investitionsprogramm für die öffentliche Infrastruktur anwerfen. Die führenden Wirtschaftsinstitute haben zuletzt fast alle ihre Prognosen für das laufende und das kommende Jahr nach oben revidiert. Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturchefin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), geht davon aus, dass allein die Ankündigung des Finanzpakets den Unternehmen schon so viel Sicherheit gibt, dass sie bereit sind, ihre Investitionen auszuweiten. Die Deutsche Bank rechnet für 2026 sogar mit einem Wachstum von zwei Prozent – für deutsche Verhältnisse fast schon eine Bonanza.
Friedrich Merz: unklare Signale bei Brückensanierungen und Heizungen
Bis jetzt aber beruhen die wachsenden Hoffnungen vor allem auf Gefühlen – auf Erwartungen, Stimmungen und auch auf der Grundidee, dass es irgendwann schon rein rechnerisch doch wieder nach oben gehen muss, wenn eine Volkswirtschaft seit so langer Zeit vor sich hin dümpelt. Diese Gefühle aber müssen jetzt mit echten Investitionen unterfüttert werden, mit Aufträgen, Maschinen und Bauprojekten. Was für die Bundesregierung gilt, das lässt sich auch über die Unternehmen im Land sagen: Es gibt in der aktuellen Lage keine Ausreden mehr. Die Instrumente für das Wachstum liegen auf dem Tisch.

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Die ersten Signale aus der Bundesregierung hinterlassen dabei – um es vorsichtig auszudrücken – einen eher gemischten Eindruck. Die bundeseigene Autobahn GmbH hat einen Ausschreibungsstopp für das laufende Jahr verhängt, weil derzeit Haushaltsposten ins Sondervermögen verschoben werden und es daher plötzlich akut an Mitteln für die Sanierung von Brücken und andere Projekte fehlt. Unklarheit herrscht auch bei deutschen Heizungsbauern, weil nicht sicher ist, ob der Einbau von Wärmepumpen weiter in der bisherigen Form gefördert wird. Dass die Stromsteuer nur für einen Teil der deutschen Unternehmen und für Privathaushalte gar nicht gesenkt wird, sorgte für zusätzliche Verunsicherung.
Zollproblem wird nicht verschwinden
Die schwarz-rote Koalition sollte alles daran setzen, wenigstens im eigenen Land für verlässliche Bedingungen zu sorgen, für das, was man "ein gutes Umfeld" nennt. Geld ist das eine, eine klare Linie, an der sich alle orientieren können und die auch von den Verwaltungen umgesetzt wird, ist mindestens ebenso wichtig. Denn um Deutschland und Europa herum wirken Kräfte, auf die auch die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde nur sehr begrenzten Einfluss hat: China überschwemmt die Welt mit einer Masse an Exportgütern, Donald Trump wird sein furchterregendes Zoll-Spiel auch dann weitertreiben, wenn es vor dem Stichtag vom 1. August eine Einigung mit der EU geben sollte. Niemand sollte sich hier auf eine Phase der Ruhe einstellen, Trump liebt die Unsicherheit, die er anderswo erzeugen kann, er wird sie am Köcheln hatten.
Der Bundesregierung und den deutschen Unternehmen – und damit den treibenden Akteuren der Volkswirtschaft – bleibt in dieser Gemengelage nur übrig, das zu tun, was in ihrer Kraft liegt, um wieder so etwas wie Zuversicht und Wachstumshoffnung im Land zu erzeugen. Das aber sollte man von beiden auch verlangen können, vom Staat und von der Privatwirtschaft. Wenn eine kleine Show dabei hilft, dann – Vorhang auf.
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