Das sogenannte Heizungsgesetz gilt seit Januar 2024 – und hat wohl mit dafür gesorgt, dass die Ampel-Regierung scheiterte. Die schwarz-rote Koalition versprach ihren Wählern daher ziemlich unzweideutig im Koalitionsvertrag: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“.
Dieses Versprechen scheint nun kurzerhand einkassiert zu werden. Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) sagte vor wenigen Wochen in einem Interview mit „Bild am Sonntag“, dass neue Heizkessel weiterhin zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssten, so wie es im neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgesehen ist.
Man dürfe „jetzt nicht alle Ziele über die Wupper werfen“, so Hubertz. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) ergänzte später in einem Zeitungsinterview, dass allenfalls Änderungen „im Detail“ bevorstünden.
Heizungshandwerker fordern Realismus
Der entscheidende Paragraf 71, in dem vorgeschrieben ist, welche Heizungsart eingebaut werden darf, bliebe damit im Wesentlichen erhalten. In Bestandsgebäuden läuft dieser meist auf den Einbau einer Wärmepumpe hinaus, da mit den Alternativen – etwa Stromdirektheizung oder Solarthermie-Hybridanlage – die 65-Prozent-Quote kaum erreicht werden kann.
Jetzt meldet sich das Heizungshandwerk zu Wort und appelliert an die Bundesregierung, realistisch auf die Lage in deutschen Heizungskellern zu blicken. Denn in vielen Fällen sei der Ad-Hoc-Umbau etwa von einer Gasheizungs- zur Wärmepumpenanlage umständlich und teuer, manche Hausbesitzer seien trotz Förderung überfordert. Zwischen den Zeilen räumt der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) auch erstmals ein, dass längst nicht jeder einzelne Handwerksbetrieb eine perfekt konfigurierte Wärmepumpe anbieten kann.
In einem Strategiepapier des Verbands, das WELT vorliegt, heißt es: Der ZVSHK unterstütze die Vorgaben zu den Klimazielen, „vor allem zur Senkung der Treibhausgase auf Basis des europäischen Klima-Zwischenziels für 2040 in Höhe von minus 90 Prozent gegenüber 1990.“ Doch weiter unten wird deutlich, dass der Verband das GEG nicht mehr für realistisch hält. Das Werk solle „vereinfacht und entschlackt“ werden, heißt es.
Nötig sei eine „technologieoffene Energieträgerstrategie zur Dekarbonisierung und Aufhebung der starren 65-Prozent-EE-Anforderung“ sowie die Möglichkeit, die Vorgaben mit „niedriginvestiven Lösungen“ zu erfüllen, sprich: in kleineren Schritten. Damit wäre gewissermaßen die Brennkammer des Heizungsgesetzes abgeschaltet. Mehr noch, laut Verband müsste der Gesetzgeber auch den Einbau von neuen Gas-Brennwertthermen ausdrücklich zulassen.
„Unter dem Strich kommt es auf nachhaltige CO₂-Vermeidung an“, sagt ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Müller zu WELT. „Und die erreicht man im ersten Schritt auch mit einer hocheffizienten und hydraulisch optimierten Öl- oder Gasbrennwertheizung: Die Einsparungen gegenüber älteren Geräten liegen oft über 30 Prozent.“ Solche neueren Geräte ließen sich später zum Beispiel mit einer Wärmepumpe, Solaranlage oder einer Holzeinzelfeuerstätte ergänzen und intelligent steuern.
Die schlichte Realität im Heizungskeller
„Ja, das wäre ein Paradigmenwechsel gegenüber den Maximalforderungen“, so Müller weiter. „Aber ich glaube, dass die Investoren hier eher mitgehen würden als bei weiter verfeinerten Einzelvorschriften. Jeder Gebäudeeigentümer soll die Möglichkeit haben, kluge und zielgerichtete Entscheidungen zu treffen, die dem Stand der Technik entsprechen und für ihn bezahlbar sind.“
Für Anhänger der GEG-Reform und eines möglichst schnellen Ausstiegs aus Verbrennerheizungen mag das nach Verweigerungshaltung klingen. Tatsächlich aber liefert der Handwerksverband nur die ausformulierten Argumente zur schlichten Realität in deutschen Haushalten. Trotz Heizungsgesetz wurden 2024 mehr als 410.000 Gasheizungen in Deutschland abgesetzt, der Anteil von Wärmepumpen am Gesamtmarkt war nicht einmal halb so hoch.
Laut GEG ist der Gasheizungseinbau zwar erlaubt, wenn die Gemeinde vor Ort noch keine Wärmeplanung vorgelegt hat und kein Anschluss möglich wäre. Das Gesetz schreibt allerdings eine „verpflichtende Beratung“ vor, und ab 2029 müssen Hausbesitzer dafür sorgen, dass mindestens 15 Prozent erneuerbare Gase genutzt werden, ab 2035 sind es 30 Prozent. Wie genau das gehen soll, kann kaum jemand sagen. Es herrscht offenbar das Prinzip Hoffnung.
Der ZVSHK schlägt nun ein „einfaches und verständliches Bewertungssystem“ für die CO₂-Emissionen von Heizungen vor und einen schrittweisen Anstieg der Erneuerbaren-Anteile. Gebäudesanierung oder grüne Energie aus dem Netz sollten ebenfalls auf das Emissionsvermeidungs-Konto einzahlen.
„Was man nicht tun sollte“, warnt Verbandschef Müller: „Noch komplexere Vorschriften erfinden, die eine sogenannte Lebenszyklusanalyse beinhalten, bei der auch noch die CO₂-Emissionswerte der eingesetzten Bauprodukte berechnet werden muss. Bis Mai 2026 muss auch die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie umgesetzt werden. Wenn in kurzen Zeitabständen immer wieder neue Regeln dazukommen, machen die Leute einfach nicht mehr mit.“
Private Verbraucher sollen in Vorleistung gehen
Müller kritisiert zudem, dass der Gesetzgeber mit zweierlei Maß messe. Private Hausbesitzer müssten von heute auf morgen einen hohen Erneuerbaren-Anteil nachweisen. Staat und Versorgungsunternehmen dagegen nicht. „Fernwärme gilt ebenfalls als Erfüllungsoption laut GEG“, sagt Müller. „Dabei ist ein Großteil der Wärmenetze derzeit noch vollkommen abhängig von fossiler Energie.“
Die neue Bundesregierung müsse sich ehrlich machen: „Auf der einen Seite plant das Wirtschaftsministerium neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von mehr als 20 Gigawatt, die dann Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Auf der anderen Seite sollen Hausbesitzer ihre Gasheizungen austauschen. Das versteht keiner so wirklich.“ Kommunen würden noch Jahrzehnte benötigen, um Wärmenetze auszubauen und auf grüne Energie umzustellen. „Bei einer Reform sollte man die Wärmeplanung deshalb wieder vom GEG entkoppeln“, so der Verbandschef.
Die Politik müsse zudem die Realität am Markt anerkennen. „Unsere Handwerksbetriebe haben sehr viel Knowhow für die Planung, Installation und Wartung von Wärmepumpen aufgebaut, die Hersteller haben gewaltige Produktionskapazitäten aus dem Boden gestampft“, sagt Müller. „Und jetzt sehen wir, was am Markt wirklich passiert: Im Neubau setzt sich die Wärmepumpe durch. Im Bestand fühlen sich viele überfordert. Energiewende mit der Brechstange – das funktioniert nicht.“
Der Verbandschef räumt allerdings ein, dass auch das Heizungshandwerk nicht so schnell umsteigen kann wie sich das manche vorstellen. Jahrzehntelang seien die Betriebe „mit der Installation und Wartung von Heizungen mit fossilen Brennstoffen groß geworden.“ Die könnten nicht sofort auf eine neue Technologie wechseln, zumal der Markt das „gar nicht hergibt“ – siehe Absatzquoten bei Wärmeerzeugern. Abgesehen davon seien auch in Zukunft genügend Fachleute nötig, die im Notfall eine Gas- oder Ölheizung reparieren können.
Dass das Heizungshandwerk eine andere Herangehensweise an die Energiewende im Gebäudesektor fordert, mag wenig überraschen. Aber auch unabhängige Experten schlagen ein flexibleres Vorgehen vor, etwa Lamia Messari-Becker, Bauingenieurin, Effizienzexpertin und Lehrstuhlinhaberin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Das Gebäudeenergiegesetz sollte so geändert werden, dass echte Technologieoffenheit entsteht“, sagt sie. „Der Staat sollte nicht in allen Einzelheiten vorgeben, welche Technologie im Heizungskeller eingebaut werden darf. Vielmehr sollte die CO₂-Ersparnis im Vordergrund stehen.“
Wie der ZVSHK schlägt auch Messari-Becker vor, dass jede Maßnahme auf das Klimaschutz-Konto einzahlen solle: „Sanierung, Optimierung der Heizung, Neueinbau, intelligente Steuerung, gemeinsame Maßnahmen. Die 65-Prozent-Regel im aktuellen GEG ist da viel zu starr und engt die Möglichkeiten der Verbraucher und beratenden Ingenieure ein.“
Selbst die erfahrene Energiewende-Spezialistin sieht wasserstoff- oder biogasfähige Gasthermen als Option, „diese aber ergänzt mit Solarthermie, Photovoltaik und später einer Wärmepumpe.“ Wo möglich, sollten Abwärme und Rücklauftemperaturen stets genutzt werden, auch zusammen mit lokalen Wärmenetzen. „So bekommt man Schritt für Schritt eine höhere Effizienz, aber nicht überall nach den gleichen technischen Vorgaben. Die Wärmewende im Gebäudesektor gelingt nur im größeren Verbund.“
Immer nur das einzelne Gebäude und seine Energiewerte zu betrachten, sei deshalb falsch. CO₂-Ersparnis sollte im Zusammenhang ganzer Wohnquartiere erfasst werden. „Nur so entsteht überhaupt eine Motivation, mehrere Häuser effektiv zusammenzuschalten und mit nachhaltiger Wärme zu versorgen“, etwa mit Blockheizkraftwerke oder gemeinsam genutzter Erdwärme.
Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.
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