Dass manches nicht so läuft, wie er es sich wünscht, gehört schon fast zum Alltag des Bundesfinanzministers und SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil. Vor wenigen Tagen wurde diese Reihe um eine Entwicklung vor der eigenen Haustür erweitert: Aus dem Bundesverkehrsministerium und von der Deutschen Bahn wurde er vorab darüber informiert, dass es für die stark nachgefragte Gleisverbindung zwischen Hamburg und Hannover nun doch eine Neubaustrecke geben soll. Diese führt direkt durch Klingbeils Wahlkreis im Heidekreis, weswegen sich der heutige Vizekanzler wiederholt gegen eine „Zerschneidung der Region“ ausgesprochen und zu Wachsamkeit gegenüber entsprechenden Bahnplänen aufgerufen hatte.
Die Strecke zwischen den beiden Nord-Metropolen gehört zu den meistbefahrenen Deutschlands; die Bahn selbst gibt an, dass der Nutzungsgrad bei 147 Prozent liegt, was eine deutliche Überlastung dokumentiert. Die Folge seien viele Verspätungen, die sich dann auf weite Teile des Streckennetzes fortschreiben würden. Entsprechend groß ist auch über alle beteiligten Kommunen und Parteigrenzen hinaus die Einigkeit darüber, dass hier etwas passieren muss. Doch über konkrete Maßnahmen wird seit Jahrzehnten gestritten; entwickelt und verworfen wurden verschiedene Modelle, darunter zuletzt vor allem eine Ertüchtigung der bestehenden Strecke.
Am Freitag stellte die Deutsche Bahn ihre „Vorzugsvariante“ vor und setzt dabei auf einen Neubau von zwei Gleisen zusätzlich zur Bestandsstrecke – ein Wendepunkt in einem der wichtigsten Infrastrukturprojekte Norddeutschlands. Die Trasse soll grob gesagt über Soltau und die Kleinstadt Bergen im Landkreis Celle verlaufen und mehrere Orte neu an das Bahnnetz anschließen. Insgesamt soll so mehr Raum im Nah-, Fern- und Güterverkehr geschaffen werden. Nur so ließen sich die Anforderungen des Deutschland-Takts und der prognostizierte Anstieg des Güterverkehrs – gerade auch nach der Schienenanbindung durch den Fehmarnbelt-Tunnel nach Skandinavien – erfüllen. „Wir müssen hier wirklich groß und nachhaltig denken“, sagte Ute Plambeck, DB-Konzernbevollmächtigte für Deutschlands Norden.
Alle anderen der 29 geprüften Varianten würden das notwendige Qualitätsniveau nicht erreichen – zudem sei der Neubau gut für die Entwicklung der angeschlossenen Regionen, die für Touristen und Ansiedlungen durch die bessere Anbindung attraktiver werden könnte. Ähnliche Beispiele in anderen Gegenden Deutschlands hätten diesen Effekt gezeitigt. Und die Zahlen sind auch durchaus eindrucksvoll: Eine Fahrt von Soltau nach Hamburg etwa würde nach dem Neubau statt wie derzeit 84 nur noch 30 Minuten dauern, die ganze Strecke zwischen Hamburg und Hannover wäre in 59 statt jetzt in 74 Minuten zu schaffen. Zeitlich würde der Norden zusammenrücken, zumal auch die Bestandsstrecke bis 2029 in einigen Bereichen saniert werden soll, damit dort der Regionalverkehr zügiger abgewickelt werden kann.
Bis das alles aber soweit ist, gilt es aber noch einige Hürden zu überspringen – nach der erneuten Einbindung der zuletzt oft renitenten Kommunen und Anwohner mit Info-Veranstaltungen im Frühherbst soll der Deutsche Bundestag bis Anfang 2026 die Gelder für das weitere Planfeststellungsverfahren freigeben. Erhält die Bahn eine Mehrheit, muss Bundesfinanzminister Klingbeil mithin das Geld für ein Projekt herausgeben, gegen das er sich selbst lange ausgesprochen hat.
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