Nach langem Taktieren hat das Gesundheitsministerium den Bericht zur Maskenaffäre um Ex-Minister Jens Spahn vorgelegt. Der steht am Mittwoch vor einem heiklen Auftritt.

Es ist ein schöner Termin, auch das Wetter soll mitspielen. Am Mittwochabend treffen sich die Mitglieder des Haushaltsausschusses im Garten der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft zum "Haushältergrillen". Zu dem geselligen Treffen eingeladen sind auch frühere Abgeordnete, die im Haushaltsausschuss über Jahre mitentschieden haben, was mit dem Geld der Steuerzahler passiert.

Doch bevor sich die amtierenden Mitglieder des Ausschusses Bratwürstchen und Bier widmen können, steht für sie noch ein anderer Termin an. Gegrillt werden soll, geht es nach der Opposition, der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Im Ausschuss soll Spahn am Mittwochnachmittag die drängenden Fragen beantworten, die sich aus den neuen Erkenntnissen in der Affäre um das Chaos beim Einkauf von Coronamasken im Frühjahr 2020 ergeben. Allerdings tagt das Gremium wie üblich nicht öffentlich. 

Seit Wochen sickert durch, was eine Sonderermittlerin im Gesundheitsministerium unter Spahn zu den Maskengeschäften gefunden hat. Dazu wertete sie die im Ministerium vorhandenen Akten dazu aus, teils holte sie auch Unterlagen zurück, die seit 2020 bei externen Dienstleistern des Ministeriums lagerten. Der Untersuchungsbericht der früheren Justizstaatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD), insgesamt 170 Seiten stark, liegt seit Ende Januar vor. Über Monate hielt Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) den von ihm beauftragten Bericht zurück – aus Rücksicht auf den Wahlkampf, wie er freimütig bekannte. Auch die amtierende Ministerin Nina Warken (CDU) wollte ihn eigentlich unter Verschluss halten. 

Umfangreiche Schwärzungen im Bericht

Vergangene Woche gab sie unter dem Druck nach, an diesem Dienstagmorgen ging der Sudhof-Bericht an den Haushaltsausschuss – wenn auch mit umfangreichen Schwärzungen. Diese begründet das Ministerium mit dem angeblichen Schutz von Mitarbeitern und Geschäftsgeheimnissen der beteiligten Firmen. Allerdings wurden mitunter auch Informationen unkenntlich gemacht, die es schon vor Jahren auf Nachfragen dem Bundestag mitgeteilt hatte – etwa zu Stückpreisen von Masken, die das Ministerium unter Spahn an den Schweizer Großlieferanten Emix bezahlt hatte.

Insgesamt zieht Sudhof in ihrer Analyse ein vernichtendes Fazit von Spahns Maskeneinkaufs. "Fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz" hätten dazu geführt, dass nicht als Team "Staat", sondern als Team "Ich" gehandelt worden sei. "So begann das Drama in Milliardenhöhe mit der Entscheidung des damaligen Bundesministers, nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen, sich fachfremd und ohne Arbeitsmuskel mit Milliardensummen auf dem Gebiet der Beschaffung betätigen zu wollen", schreibt Sudhof. Dies ziehe "bis heute erhebliche Kosten und Risiken nach sich". So klagen etwa bis heute noch Dutzende Maskenlieferanten gegen den Bund, inklusive Zinsen geht es bei den Verfahren um mehr als 3 Milliarden Euro. Insgesamt habe Spahn seinerzeit Verträge über 11 Milliarden Euro abschließen lassen.

Schon was zuvor aus dem Bericht bekannt geworden war, wirft neue Fragen zu mehreren Maskenverträgen auf, die der heutige Unionsfraktionschef teils persönlich angebahnt hatte. So stellte die Sonderermittlerin fest, dass der Auftrag als zentraler Logistikdienstleister für die Lagerung und Verteilung der Milliarden an bestellten Masken an das Unternehmen Fiege aus Spahns Heimatregion gegen die ausdrückliche Warnung anderer Ministerien erfolgt sein soll. Als sich der Auftragnehmer – wie von den anderen Ressorts befürchtet – als überfordert erwies, habe Spahns Ministerium davon abgesehen, Schadensersatzansprüche gegen Fiege zu verfolgen.

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Ferner, so Sudhof in ihrem Bericht, habe der Minister in einem besonderen Bestellverfahren den Preis, den der Bund allen Lieferanten garantierte, persönlich um rund 50 Prozent hochgesetzt. Deshalb drohten die Zahlungen an Maskenhändler, die zuletzt vor Gericht Etappensiege erzielten, nun um mehr als 600 Millionen Euro höher auszufallen. Sudhofs Fazit, sinngemäß: Spahn habe sich in der dramatischen Lage zu Beginn der Pandemie als zupackender Krisenmanager profilieren wollen – obwohl weder er noch sein Ministerium die nötige Expertise dafür gehabt hätten. 

Spahn hat "reines Gewissen"

Nach drei Wochen unter Dauerfeuer von Opposition und Medien will Spahn aus der Defensive kommen. Schon vergangene Woche gab er mehrere große Fernsehinterviews, um seine Sicht der Dinge darzulegen – die da lautet: Es war Krise, alle Welt kämpfte um jeden Preis um die Masken, Deutschland war im "gesundheitlichen Kriegsfall", aber hatte keine "Gewehre", es musste schnell gehen. Dabei sei zwar naturgemäß nicht alles fehlerfrei gelaufen. Aber er habe ein absolut "reines Gewissen".

Nun will der CDU/CSU-Fraktionschef die Verteidigung in eigener Sache auch im Bundestag fortsetzen. Dafür hat er von sich aus angeboten, sich an diesem Mittwoch im Haushaltsausschuss den Fragen der Abgeordneten zu stellen. Auch die amtierende Ministerin Warken, die sich zunächst dagegen gesperrt hatte, den Sudhof-Bericht den Abgeordneten in voller Länge zu übermitteln und lieber eine Art Bericht über den Bericht anfertigen lassen wollte, wird am Mittwoch in den Ausschuss kommen. 

Allerdings haben Oppositionspolitiker kaum Hoffnung, dass die Antworten wesentliche neue Erkenntnisse bringen. Bestätigt fühlen sie sich in ihrer Skepsis von dem Theater um den Sonderbericht und die umfangreichen Schwärzungen. "Spahn und Warken versuchen weiterhin, immer nur das Nötigste zu sagen, während Deutschlands Steuerzahler weiterhin Milliarden verlieren wegen Spahns Maskengeschäften", sagt die Grünen-Haushälterin Paula Piechotta, die sich seit Jahren um die Aufklärung der Maskendeals bemüht. 

Piechotta erinnert daran, dass Spahn schon vor gut einem Jahr in den Haushaltsausschuss kam, um Fragen zu beantworten. Damals hatte der Bund gerade wichtige Klagen von Maskenhändlern mit einem Streitwert in dreistelliger Millionenhöhe vor dem Kölner Oberlandesgericht verloren. "Spahns Auftritte blieben vage, ohne echte Substanz", sagt Piechotta. "Die Erfahrung zeigt: Wenn die Union Transparenz verspricht, folgt häufig nur Nebel. Auch diesmal droht mehr Verschleierung als Aufklärung."

Dafür, dass die Abgeordneten womöglich nicht so tief bohren können, wie manche von ihnen gerne würden, spricht auch, dass die Zeit für die Sitzung begrenzt ist. Um 18 Uhr steht für die Haushälter der nächste Termin an. Dann beginnt das Grillen.

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