Hersteller wie VW haben in Spanien offenbar ihre Recycling-Pflichten unterlaufen. Die katalanische Abfallbehörde wirft den Autobauern vor, vorsätzlich über viele Jahre gegen Gesetze verstoßen zu haben, zeigen NDR-Recherchen.
Die Autoindustrie hält sich für Spitzenklasse, wenn es um das Recycling von ausgedienten Autos geht. Man habe hohe Recycling-Quoten und gehe sogar über die Recycling-Anforderungen hinaus, schreibt der Verband der Automobilindustrie. "Die deutsche Automobilindustrie gilt international als Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft." Das klingt gut. Doch läuft bei der Entsorgung von Altfahrzeugen wirklich alles so rosig?
Jedes Jahr erreichen in Europa mehr als sechs Millionen Fahrzeuge das Ende ihrer Lebensdauer und werden zu Abfall. Diese Autos heißen dann "Altfahrzeuge". Die Automobilindustrie zählt laut EU-Kommission zu den ressourcenintensivsten Branchen. Demnach verbraucht die Automobilindustrie in Europa zehn Prozent des Gesamtverbrauches an Kunststoff, etwa sechs Millionen Tonnen pro Jahr. Bei Stahl (17 Prozent), seltenen Erden (30 Prozent) und Aluminium (42 Prozent) verursache die Autoindustrie einen noch deutlich höheren Teil des gesamten Verbrauches.
"Eine unzureichende Abwicklung ausgedienter Fahrzeuge verursacht Umweltverschmutzung und kostet Geld", schreibt die EU-Kommission.
Berichterstattungspflichten verletzt
Dass sich Autobauer in Spanien bisher offenbar nicht an die geltenden Recycling-Gesetze gehalten haben, zeigen NDR-Recherchen. Die Autohersteller sind dort ähnlich wie in Deutschland dazu verpflichtet, die "angemessene Rücknahme und Behandlung von Altfahrzeugen" sicherzustellen und diese falls nötig zu finanzieren, wie es im spanischen Gesetz heißt. Die Hersteller müssen sich also um die Entsorgung und das Recycling ausgedienter Autos kümmern.
Mehrere Autohersteller verstießen offenbar gegen die geltenden Recycling-Gesetze, wie Ermittlungsunterlagen und Sanktionsbeschlüsse der katalanischen Abfallbehörde zeigen, die dem NDR vorliegen.
Die Ermittlungen betreffen diejenigen Autobauer, die ihren spanischen Sitz in Katalonien haben: Nissan, Seat, Honda und Volkswagen. "Das Unternehmen kann die individuelle Rückverfolgbarkeit seiner Fahrzeuge und Abfälle nicht garantieren", heißt es beispielsweise in dem Verwaltungsbeschluss zu Volkswagen.
Statt reale Informationen über den Verbleib seiner Altfahrzeuge zu dokumentieren, habe VW nur "theoretische Daten" angegeben und damit seine Berichterstattungspflichten verletzt. Außerdem habe das Unternehmen die Kosten der Entsorgung seiner Fahrzeuge nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Die Prüfer halten fest: "Damit kommt das Unternehmen seiner erweiterten Verantwortung als Fahrzeughersteller nicht nach."
Mit "voller Absicht"
Die Abfallbehörde stellt einen "schwerwiegenden Verwaltungsverstoß" fest und sanktioniert die Hersteller Volkswagen, Nissan, Honda und Seat mit Strafzahlungen in Höhe von jeweils 50.000 Euro. Die Abfallbehörde sieht es außerdem als erwiesen an, dass VW und die anderen Hersteller "vorsätzlich" und mit "voller Absicht" über viele Jahre gegen ihre gesetzlichen Verpflichtungen in Spanien verstoßen haben. Die Strafzahlung falle nicht höher aus, da eine "schwerwiegende Gefährdung" für Mensch und Umwelt nicht festgestellt worden sei.
Der Sanktionsbeschluss ist noch nicht rechtskräftig. Ob die Vorwürfe zutreffen, wird gegebenenfalls weiter geprüft. Alle sanktionierten Hersteller teilten auf NDR-Anfrage mit, dass sie Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt haben.
"Das Verwaltungsverfahren wird fortgesetzt, da die Volkswagen Group España Distribución eine entsprechende Beschwerde gegen diesen Bescheid eingelegt hat", schreibt etwa Volkswagen. Nissan teilt mit, der Konzern habe "alle Verpflichtungen in Bezug auf Altfahrzeuge erfüllt." VW, SEAT und Honda wollen sich bis zum Abschluss des Verfahrens nicht weiter äußern.
Die katalanische Abfallbehörde bestätigt auf Anfrage, dass die Unternehmen Rechtsmittel eingelegt haben. Die Rechtsabteilung der Behörde müsse nun prüfen, ob die Widersprüche der Hersteller zugelassen werden. Grundsätzlich teilt die Behörde mit, dass die erweiterte Herstellerverantwortung dazu diene, sicherzustellen, "dass diejenigen Unternehmen, die Produkte auf den Markt bringen, auch die Kosten für deren Entsorgung am Ende ihrer Nutzungsdauer tragen".
Fehlende Nachweise für Entsorgung
Tatsächlich wird bisher offenbar EU-weit unzureichend kontrolliert, was mit ausrangierten Autos passiert. Jedes Jahr verschwinden laut EU-Kommission 3,5 Millionen Fahrzeuge spurlos von den Straßen der EU und aus den Statistiken.
Ein Auto sei ja ein nicht zu übersehendes Produkt und verfüge sogar über eine individuelle Seriennummer. "In Deutschland zum Beispiel gelingt es bisher aber nicht den Nachweis zu erbringen, dass Altautos, die ja als gefährlicher Abfall eingestuft sind, wirklich einer geordneten Entsorgung zugeführt werden", sagt Georg Mehlhart, Experte für Kreislaufwirtschaft und Abfallmanagement unter anderem bei der dänischen Beratungsfirma Norion.
Ein Teil der Fahrzeuge landet offenbar auf illegalen Demontagehöfen. Eine Studie des Umweltbundesamtes enthält die Schätzung, dass die unsachgemäße Entsorgung dort zu Umweltverschmutzungen führt. Demnach werden Böden mit Altöl verunreinigt und Kältemittel aus Klimaanlagen freigesetzt.
Der andere Teil der verschwundenen Fahrzeuge wird mutmaßlich in Drittländer exportiert, vor allem nach Afrika. "Viele dieser Fahrzeuge sind aufgrund ihres Alters sehr umweltschädlich und gefährlich (sie verursachen Verkehrstote)", schreibt die EU-Kommission.
Neue EU-Verordnung zu Altfahrzeugen
Auf europäischer Ebene wird an strengeren Recycling-Regeln für Altfahrzeuge gearbeitet. Hersteller sollen künftig in ganz Europa stärker in die Verantwortung genommen werden. Künftig sollen EU-weit bindende Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung bei Altfahrzeugen gelten.
"Wenn in Zukunft in ganz Europa mehr Rohstoffe in bessere Qualität aus Altautos zurückgewonnen werden sollen, dann muss auch sichergestellt sein, dass es eine Überprüfung der Hersteller gibt - diese Überprüfung wird gerne unterlassen", so der Abfallexperte Georg Mehlhart.
Anfang April wurde bekannt, dass es zwischen zahlreichen Autoherstellern über Jahre hinweg illegale Absprachen in Bezug auf die Entsorgung ihrer Fahrzeuge gab. Die EU-Kommission verhängte in Summe fast eine halbe Milliarde Euro an Bußgeldern.
Der Verband der Automobilindustrie wiederholte auf NDR-Anfrage, dass die deutsche Automobilindustrie "international Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft" sei. "Aktuelle politische Initiativen, wie etwa die Revision der Altfahrzeug-Richtlinie eröffnen die Chance, die bestehende und sich selbsttragende, innovative und offene automobile Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. Wichtig ist dabei eine Kreislaufwirtschaft, bei der zirkuläre Prozesse und Wirtschaftlichkeit zusammengedacht werden."
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