Der Aktienmarkt steckt Trumps Zoll-Kapriolen inzwischen weitgehend achselzuckend weg. Ganz anders sieht es allerdings auf dem Anleihemarkt auf. Das Vertrauen in den wichtigsten Schuldtitel und ehemals sicheren Hafen des globalen Finanzsystems ist tief erschüttert. Investoren suchen nach Alternativen.
Wenn der Finanzminister eines Landes erklären muss, dass die Schulden sicher sind - dann ist das meist kein gutes Zeichen. Oft stimmt das Gegenteil, und die Länder stehen bereits mit einem Bein im Zahlungsausfall. Insofern wunderte es nicht, dass an den Märkten das blanke Entsetzen herrschte, als ausgerechnet US-Finanzminister Scott Bessent diese Aussage am vergangenen Wochenende für die USA tätigte. Die USA werden "niemals ausfallen", erklärte Bessent, und bezog sich damit auf den Schuldendienst des Landes, der allein 28 Billionen US-Dollar in Form von Staatsanleihen aufweist.
Nur: Kann Bessent überhaupt so eine Aussage treffen? Kein anderes Land ist in absoluten Zahlen schließlich so hoch verschuldet wie die USA - nicht einmal annähernd. Leisten konnten sich die USA dieses Defizit, weil Investoren dem Land das nötige Vertrauen schenkten. Die USA galten als "sicherer Hafen", als Ort, an dem Investoren ihr Geld sicher parken konnten.
Doch US-Präsident Donald Trump hat diesen Status in Rekordzeit beschädigt - unter anderem durch sein Vorgehen, das US-Handelsbilanzdefizit durch Zölle schließen zu wollen. Aber auch die Steuerpläne, die das Defizit um weitere 3 Billionen Dollar über die nächsten zehn Jahre ausweiten würden, tragen zum Vertrauensverlust bei.
Investoren beobachten Trumps Politik daher mit zunehmender Skepsis und gehen auf Abstand. "Der sichere Hafen wurde vermint", sagte etwa LBBW-Chefökonom Moritz Kraemer Capital, der 2011 für die Ratingagentur S&P arbeitete, die als erste den USA die Bestnote "AAA" entzog.
Entkopplung von Anleiherenditen und Dollar
Ausdruck der Skepsis ist die Entkopplung von US-Anleiherenditen und Dollar. Über viele Jahre liefen beide mehr oder weniger parallel. Stieg der Dollar, stiegen auch die Anleiherenditen als Ausdruck der starken US-Wirtschaft. Doch seit Mitte März haben sich beide Größen weitestgehend voneinander gelöst, und nicht erst seit Trumps "Liberation day" am 2. April, als er Zölle gegen die gesamte Welt verhängte. Während die Renditen für 10-jährige US-Anleihen ("Treasuries") - also der Zins, zu dem sich die USA für 10 Jahre Geld leihen können - seitdem von 4,16 auf 4,42 Prozent gestiegen sind, ist der Dollar um 4,7 Prozent im Wert gefallen.
Unter normalen Umständen sind höhere Renditen ein Zeichen dafür, dass die US-Wirtschaft gut läuft. Das ist attraktiv für Kapitalzuflüsse in die USA", sagt Shahab Jalinoos, Leiter der G10-Devisenstrategie bei UBS. Aber "wenn die Renditen steigen, weil US-Schulden aufgrund von fiskalischen Bedenken und politischer Ungewissheit riskanter sind, kann gleichzeitig der Dollar schwächer werden." Dies sei ein Muster, das "häufiger in den Schwellenländern zu beobachten ist", so Jalinoos.
Ausdruck davon war zuletzt nicht nur das Downgrade der Ratingagentur Moody's von AAA auf AA1, sondern auch das Anziehen bei sogenannten Credit Default Spreads (CDS) - eine Art Versicherung für Investoren gegen den Ausfall eines Schuldners, in diesem Fall den USA. Diese bewegen sich inzwischen auf dem Niveau von Griechenland und Italien. Und bei einigen Auktionen von US-Staatsanleihen taten sich die USA in jüngster Zeit extrem schwer, genügend Käufer zu finden. All das sind eher Zeichen dafür, dass die Märkte den Aussagen von US-Finanzminister Scott Bessent nicht trauen.
Für viele professionelle Investoren sind diese Bewegungen ohnehin Ausdruck einer größeren Vertrauenskrise in die USA. "Die Stärke des Dollars beruht auch auf der Integrität der Institutionen: Der Stärke des Rechts, einer unabhängigen Zentralbank und einer kalkulierbaren Politik", sagte Michael de Pass, FX-Chef bei Citadel Securites der britischen Zeitung "Financial Times". Trump unterminiere all dies.
Die Profiteure sind schnell gefunden
Auch wenn Trump den Dollar schwächen will, um Exporte billiger zu machen - eine strukturelle Vertrauenskrise in den Dollar kann er eigentlich nicht wollen. Nur durch den Status des Dollars als Weltreservewährung konnten die USA ihre heutige Größe und Macht erreichen. Den Status zu verlieren, würde Trump weniger Macht in Verhandlungen geben - etwas, das der selbsternannte "Dealmaker" kaum wollen kann.
Auch wenn etwaige Verschiebungen bei der Leitwährung viele Jahre dauern und auch schon vor Trump begonnen haben, sehen Analysten in Trump einen Katalysator. Die Investmentbank Goldman Sachs schrieb in einem Paper am Freitag, dass es möglicherweise einen fundamentalen Shift bei der Bewertung der USA gegeben haben könnte. "Das jüngste Phänomen der Dollarschwäche bei gleichzeitig höheren Renditen und niedrigeren Aktienkursen (...) hat eine Herausforderung bei der gängigen Portfolio-Absicherungen dargestellt", schreiben die Analysten. Sie begründen das mit Trumps Angriff auf die US-Notenbank Fed und seinem teuren Steuerpaket.
Was kompliziert klingt, bedeutet aber vor allem eines: Investoren schauen sich bereits nach Alternativen zum Dollar um. Eine Schlussfolgerung, mit der Goldman Sachs nicht allein ist. "Je größer die politische Unsicherheit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Anleger ihre Absicherungsquoten erhöhen", sagte UBS-Experte Jalinoos der "Financial Times".
Die langfristigen Profiteure von Trumps Politik seien schnell zu finden, meint Goldman Sachs, und lokalisiert sie in Frankfurt, Tokio und Zürich. Investoren sollten Positionen in Euro, Yen und Franken aufbauen, heißt es im Paper. Und noch eine Anlageklasse rücke nun in den Fokus: Gold.
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