Von außen wirkt Erik Podzuweit ruhig, überlegt – fast akademisch. Doch wer mit dem CEO und Co-Gründer der digitalen Investmentplattform Scalable Capital spricht, merkt schnell: Unter der Oberfläche arbeitet ein Motor, der seit Jahren auf Hochtouren läuft.
„Ohne Besessenheit erreicht man keine Spitzenleistung – und man hält es auch nicht lange durch“, sagt Podzuweit im Gespräch mit WELT. Ein Satz, der viel über ihn und sein Unternehmen verrät. Denn Scalable Capital will sich langfristig im europäischen Fintech-Markt etablieren – und hat jetzt seine bislang größte Finanzierungsrunde abgeschlossen.
Das Münchner Fintech hat gerade 155 Millionen Euro (175 Millionen US-Dollar) eingesammelt. Die Runde wird von den Investoren Sofina und Noteus Partners angeführt. Für Podzuweit ist das ein wichtiger Schritt.
Podzuweit war nicht immer Gründer. Seine Karriere begann im Investmentbanking bei Goldman Sachs. Eine Empfehlung eines Freundes brachte ihn dorthin: „Ein Freund von mir hat da ein Praktikum gemacht und meinte: ‚Das würde dir gefallen.‘ Ich habe mich also beworben – und wurde genommen.“ Der Mann, der ihn damals einstellte, ist heute sein Mitgeschäftsführer bei Scalable Capital. „So kann es manchmal gehen“, sagt er trocken.
Goldman war für Podzuweit eine Schule der Disziplin. „Du lernst, viel zu arbeiten – und das schockt dich später nicht mehr.“ Vor allem aber habe er dort gelernt, wie wichtig es ist, unter Druck präzise zu arbeiten: „Ideen mussten zu konkreten Produkten werden – und Fehler wurden teuer.“
Die Arbeit dort hatte „etwas Sportliches“, erinnert er sich. „Du sitzt auf dem Trading Floor, überall Lärm, hunderte Leute. Du isst Frühstück, Mittag- und Abendessen vor dem Bildschirm. Ich mochte das.“
2014 schmiedete Podzuweit einen Plan
Die viel zitierte Exzesse des Investmentbankings hat er dabei nie erlebt. „Das Verhalten – Drogen, Party und so – wie im Film? Das gab es absolut nicht. Dafür war es zu strikt und professionell.“ So sagt er es jedenfalls.
2014 dann der Cut. Gemeinsam mit Mitgründer Florian Prucker nahm sich Podzuweit ein Wochenende Zeit, um Geschäftsideen zu sammeln. Danach stand der Plan: „Am Montag mussten alle, die dabei sein wollten, bei ihren Arbeitgebern kündigen. Ich habe auch direkt meine Wohnung gekündigt, um Kosten zu sparen, und bin vier Jahre lang in einer Art Kammer bei meinem Bruder untergekommen.“
Warum so radikal? „Man braucht schon diesen naiven Glauben, dass es klappt. Würde man vorher wissen, wie holprig es wird, hätte man es vielleicht nicht gemacht“, sagt Podzuweit. „50 Prozent kann man planen, die anderen 50 sind ein Sprung ins kalte Wasser.“
Börsengang und langfristige Perspektive
Schon früh faszinierte ihn der Kapitalmarkt – und besonders Geld: „Ich habe eine alte Sparbüchse von Dagobert Duck, wo er auf seiner Schatztruhe sitzt. Das ist natürlich klischeehaft – jemand wie ich, der später bei Goldman Sachs war und ein Fintech gegründet hat. Aber ich fand den als Kind schon mega.“
Was mit einer Dagobert-Duck-Spardose begann, wurde zur Berufung. „Der Kapitalmarkt ist für mich der ultimative Markt: Da trifft alles aufeinander – der Handel, menschliche Emotionen wie Gier und Angst, optimistische und pessimistische Zukunftserwartungen.“ Es sei ein „Spiegel der Welt.“
Dass Scalable Capital irgendwann an die Börse geht, ist für Podzuweit vorstellbar – aber kein aktuelles Ziel. „In vier bis fünf Jahren könnte das Thema relevant werden. Für mich ist ein IPO kein Endpunkt, sondern ein Startpunkt. Es wäre schön, Teil des Public-Marktes zu sein – nicht zuletzt, weil wir andere ja genau dazu motivieren wollen.“ Ein Börsengang wäre aber der „Königsweg“, wie er sagt.
Wichtiger als ein schneller Exit ist ihm die langfristige Perspektive. „Ich halte nicht viel von Gründern, die nach zwei Jahren verkaufen und sich dann hinstellen, als hätten sie alles verstanden“, sagt er. „Wir hätten auch nach zwei Jahren an BlackRock verkaufen können – aber das wäre zu früh gewesen.“ Gründer müssten durch „echte Tiefen“ gegangen sein, um etwas wirklich zu verstehen.
Im Vergleich mit Wettbewerbern wie Trade Republic bleibt Podzuweit entspannt. „Beide Firmen haben Überschneidungen – aber auch klare Unterschiede. Unser Markt ist groß genug für mehrere Anbieter. Es ist kein Winner-takes-it-all-Markt wie bei Suchmaschinen.“
Während andere Neobroker auf Girokonten setzen, will Scalable Capital bei seinem Kern bleiben: Investieren und Sparen. „Wir haben schon jetzt einen günstigen und schnellen Wertpapierkredit im Angebot mit Partnerbanken. Künftig wollen wir auch selbst Bankgeschäfte tätigen, der Erlaubnisantrag ist gestellt. Girokonten sind aktuell nicht im Fokus.“
Mit der neuen Finanzierung will Scalable vor allem in Europa wachsen. In Deutschland sei man profitabel. „Wenn wir in andere europäische Länder expandieren, müssen wir dort investieren – das kostet erstmal. Aber das ist einkalkuliert“, sagt Podzuweit. „Wenn wir die variablen Kosten wie zum Beispiel das Marketing zurückfahren, sind wir in der Profitabilität. Aber derzeit macht es Sinn, weiter auf Investitionskurs zu bleiben.“
In drei bis fünf Jahren will Scalable vor allem international bekannter sein, das Produktportfolio ausbauen – etwa mit neuen Kontotypen oder Kinderkonten – und mehr Haushaltsvermögen auf die Plattform bringen.
Podzuweit denkt langfristig: „Ich kann mir vorstellen, Scalable sehr lange zu machen. Ich mach gerne Urlaub – aber nach zwei Wochen wird mir langweilig. Und wenn wir die Firma jetzt verkaufen würden? Dann würde ich wahrscheinlich wieder mit guten Leuten wie Florian Prucker ein neues Ding starten. Warum also nicht gleich Scalable weiter ausbauen?“
Sein Traum in zehn Jahren? „Ich wünsche mir, dass Scalable dann eine Firma ist, die bleibt. Eine Marke mit Ausstrahlung, die überlebt – und am besten mich überlebt.“
Erik Podzuweit ist nominiert für THE POWER LIST – Germany’s Top 50.
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