Das Resümee geriet zur Abrechnung. Grand Prix von Bahrain, das vierte Rennen der Saison, Max Verstappen fuhr im Red Bull chancenlos hinterher und kam nur als Sechster ins Ziel. Was die Probleme gewesen seien, wurde der Niederländer gefragt. Schon im Training hatte sich ja abgezeichnet, dass die McLaren mit dem deutlich schnellsten Auto nach Bahrain gekommen waren. Und dann ließ sich am Ende im Schein des Wüsten-Feuerwerks Rennsieger Oscar Piastri von McLaren-Teamboss Zak Brown herzen.
Also, wie konnte es so weit kommen, wie konnte es so frustrierend für Red Bull und insbesondere Verstappen enden? Wie er sich „im Auto fühle“, berichtete Verstappen nun, könne er „nicht im Fernsehen sagen“. Nur soviel: „Alles ging schief. Der Start, die Pace, Boxenstopps – alles.“
Nur eine Woche nach seiner respekteinflößenden Fahrt zum unerwarteten Sieg in Japan zeigte sich Verstappen einmal mehr höchst unzufrieden mit seinem Dienstwagen. Immer mehr setzt sich, vor allem bei ihm, die Erkenntnis durch, dass er nichts tun könne, wenn das zickende Auto nicht von den Red-Bull-Ingenieuren zur Räson gebracht wird Auch auf der Einführungsrunde vor dem Rennstart machte er seinem Unmut am Boxenfunk noch einmal Luft.
Verstappen wird von Piastri in der WM-Wertung verdrängt
So ging es weiter. Nach rund einem Drittel des Rennens zog der 27 Jahre alte Weltmeister über sein Auto schonungslos her und bemängelte die fehlende Reifenhaftung. „Alles ist überhitzt“, motzte er in den Teamfunk. Neuling Kimi Antonelli kannte im Mercedes kein Mitleid und fuhr mit einem blitzsauberen Manöver vorbei. Kurz darauf musste Verstappen auch Lewis Hamilton ziehen lassen. „Ich kann nicht mal mehr bremsen, das ist lächerlich“, funkte Verstappen.
Am Ende sortierte sich das Feld beim Überqueren der Ziellinie so ein: 1. Piastri (McLaren), 2. George Russell (Mercedes), 3. Lando Norris (McLaren), 4. Charles Leclerc (Ferrari), 5. Hamilton (Ferrari) – und Verstappen wurde vonPiastri in der WM-Gesamtwertung auf Platz drei verdrängt. „Wir haben vom Reifenverschleiß viele Probleme, überhitzen immer. Auf dieser Strecke ist das ein riesiges Problem. Keine Ahnung, was bei den Boxenstopps alles falsch gelaufen ist. Eine Katastrophe“, befand Verstappen. Das österreichische Nachrichtenportal „oe24.at“ attestierte ein „Bullen-Debakel“, schrieb von einer „Verstappen-Pannen-Show“, weil „die Crew des Weltmeisters mehrfach bei Boxenstopps patzte“.
Bei Red Bull scheinen sie zu ahnen, dass es so besser nicht weitergehen sollte. Nicht mit Blick auf das eigene Renommee, vor allem aber nicht mit Blick auf ihr Aushängeschild Verstappen. Denn der kann mit seinem außergewöhnlichen fahrerischen Geschick die Mängelliste seines Boliden nicht immer ausbügeln – wie der Grand Prix in Bahrain endgültig gezeigt hat. Das macht einen wie ihn, erfolgshungrig, heißblütig, unnachgiebig, zur fahrenden Zeitbombe.
Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko jedenfalls sieht den Zeitpunkt schon in dieser Phase der Saison gekommen, wo alle Alarmglocken beim Team läuten müssen, weil Verstappens Frust alsbald in dem Entschluss enden könnte, Red Bull am Saisonende zu verlassen. Vertrag bis 2028 hin oder her.
„Wir wissen nicht, wo der Wurm ist. Ich tippe auf die Aerodynamik“
„Die Sorge ist groß“, sagte Marko, angesprochen darauf, ob er befürchte, dass Verstappen Red Bull bald mangels Erfolgsfaktoren und Perspektive auf zukünftige Triumphe die Quittung präsentieren könne: „Wir müssen Fortschritte bringen. Fortschritte, die sich nicht in Punkten, sondern auf der Stoppuhr äußern. Mit so einer Performance wird es mit der WM nichts werden. Es müssen in naher Zukunft Verbesserungen kommen, mit denen er gewinnen kann. Wir dürfen nicht von Zufälligkeiten wie dem Regen in Brasilien oder der Zauberrunde in Japan abhängig sein. Wir müssen eine Basis schaffen, mit der er um die WM kämpfen kann.“
Es sei zunächst nicht die Frage, skizzierte Marko den Notfallplan, ob es interne Änderungen im Team geben müsse. „Es ist eher eine Frage der Herangehensweise. Beispielsweise dass wir am Freitag ein besseres Trainingsprogramm haben, dass wir den Motor aufdrehen, um zu wissen, wo wir stehen. Es müssen Vermutungen gegenüber Tatsachen geschaffen werden. Wir haben sehr gute Leute, aber die müssen in sich gehen und jeder muss offen und ehrlich sein. Wir wissen, dass das Auto nicht wettbewerbsfähig ist. Aber woran liegt’s?“
Bei Red Bull wissen sie mittlerweile, dass die Technik es nicht vermag, den Boliden auszubalancieren. „Wir wissen aber nicht, wo der Wurm ist. Ich tippe auf die Aerodynamik. Wenn das Auto schon nicht optimal ist und dann noch zwei Boxenstopps daneben gehen, geht bei Max schon mal die Stimmung verloren. Im Ansatz hat er recht“, konstatierte Marko.
Das nächste Rennen ist am kommenden Sonntag in Saudi-Arabien. Bei Red Bull wird die Prognose gewagt, dass es auf dem Jeddah Corniche Circuit in Dschidda besser laufen werde. Es ist eine der schnellsten Strecken im Formel-1-Kalender, mit einer Länge von etwa 6,174 Kilometern umfasst der Kurs 27 Kurven und ist damit auch eine der kurvenreichsten Strecken, was den technischen Anspruch an Fahrer und Teams erhöht. Verstappen konnte das Rennen im vergangenen Jahr gewinnen, bei dieser Auflage muss er sich jedoch wohl oder übel im Feld der Außenseiter einreihen.
„Wir müssen von unseren Black Fridays wegkommen, da unsere Freitag-Trainings fernab von Gut und Böse sind“, sagt Marko: „Wir kriegen mit Mühe und Not das Auto fürs Qualifying halbwegs hin. Der harte Reifen hat bei uns überhaupt nicht funktioniert. Wenn man mehr organisiertes Training hat, hätte man es vielleicht am Freitag schon herausgefunden. Wir müssen vieles ändern. Kurzfristig ist von der Technik nichts zu machen. Wenn wir in Europa sind, kommen hoffentlich Fortschritte.“
Doch bis zum ersten Europa-Rennen in Imola ist noch einiges an Strecke zu absolvieren. Am 18. Mai macht der Formel-1-Tross da Station, neben Saudi-Arabien steht bis dahin auch noch der Grand Prix in Miami auf dem Plan. Gut möglich, dass Verstappens Frust bis dahin auf ein kritisches Maß angewachsen ist.
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