Er ist unzufrieden, er hat das schlechtere Auto - und trotzdem steht Max Verstappen ganz oben in der Formel 1. Vom "Max-Faktor", der die materielle Ungleichheit der Königsklasse neutralisiert, ist die Rede. Doch was heißt das eigentlich?

Lando Norris, Oscar Piastri, Max Verstappen - wer reiht sich an diesem Sonntag in die Liste der Sieger der diesjährigen Formel 1 ein? Nach den ersten drei Rennen trennt Norris und Verstappen in der WM-Wertung gerade mal ein Punkt. Und das, obwohl Norris und Piastri mit ihren McLaren-Boliden einen Materialvorteil vor dem Serien-Titelverteidiger im launischen Red Bull haben. Doch der Niederländer zauberte am vergangenen Grand-Prix-Wochenende in Suzuka mal wieder eine einzigartige Vorstellung aus dem Hut.

Im Qualifying schnappte Verstappen dem McLaren-Duo mit einer Traumrunde die Pole-Position weg. Am Sonntag verteidigte Verstappen seinen Platz und schaffte damit den ersten Saisonsieg. Während die Konkurrenz ihm ehrfurchtsvoll Tribut zollte, jubilierte Helmut Marko, der Motorsportberater von Red Bull, über den "Max-Faktor", der mal wieder den Unterschied gemacht habe. Das Wort war danach in aller Munde. Max als entscheidende Variable in der Rechnung für perfektes Formel-1-Fahren. Doch was verbirgt sich dahinter?

"Seine Leistung ist immer optimal. Er beherrscht, was Champions beherrschen: Auf Knopfdruck sowohl physisch als auch mental alles abzurufen. Das macht ihn außergewöhnlich", versucht sich Chefberater Marko im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de an einer Definition: Der 27-Jährige braucht auf der Strecke keine Aufwärmphase, kann "alles aus dem Auto herausquetschen, selbst wenn es unterlegen ist".

"Er schmeißt nie eine Runde weg"

Das wichtigste Plus Verstappens sei aber "seine Nervenstärke", so Marko: "Wenn es notwendig ist, bringt er alles auf den Punkt und knallt eine Runde hin, die man zu diesem Zeitpunkt braucht. Er schmeißt nie eine Runde weg, weil er seine Nerven nicht im Griff hat wie andere Fahrer, er steigert sich jedes Mal."

Oder wie es Christian Danner ausdrückt: "Verstappen hat die Fähigkeit, etwas zusammenzufahren, was den anderen nicht gelingt." Der RTL-Experte erklärt, Verstappen habe eine herausragende "Bedienung der Bedienungs-Elemente Lenkrad, Bremspedal und Gaspedal". Und diese Bedingungs-Elemente könne Verstappen schlichtweg wie kein Zweiter einsetzen - und zwar so, "dass er sich im maximalen Leistungsbereich des Autos bewegt".

Verstappen sei in der Lage, seinen Fahrstil "an das anzupassen, was das Auto in einem ganz kleinen Fenster macht - eine Grund-Performance, ohne die nichts geht, vorausgesetzt", sagt Danner, selbst ehemaliger Formel-1-Fahrer. Heißt zum Beispiel: "Beim Bremsen nicht einfach brutal in die Eisen steigen und hauruck einlenken, sondern das Auto so zu steuern, dass es einlenkt - die Lenkradbewegung und der Fuß auf dem Bremspedal dabei in einer Harmonie -, und das Heck eben nicht ausbricht."

Wer richtig bremst, gewinnt. Wer richtig Gas gibt, ebenfalls. "Für das Rausfahren aus einer Kurve gilt genau das Gleiche", erklärt Danner: "Nicht wie wild aufs Gas drücken. Das Pedal so einsetzen, dass man mit dem Öffnen der Lenkung in einer Art und Weise Gas gibt, dass das Auto tut, was man will: zu beschleunigen, ohne querzustehen." Derart zu fahren, sei die "ganz feine Linie". In Suzuka habe Verstappen solch eine Götterspur gefunden und in gewohnter Manier befahren. "Das klappt aber auch nicht immer", so der RTL-Kommentator. "Man sieht es daran, dass er letztes Jahr mit dem Red Bull im Qualifying und auch im Rennen teilweise Probleme hatte."

Will er zum anderen Rennstall, springen alle

"Max-Faktor" hin oder her, eine Ausnahmestellung hat Verstappen längst eingenommen. "Er ist der Größte seiner Zeit - auf einer Ebene mit Senna, Prost, Schumacher und Hamilton", sagt Marko. Danner stimmt ohne Zögern zu: "Es gibt in bestimmten Abständen immer nur einen, der seine Generation prägt. Das ist Verstappen, er prägt seine Ära." Und weil das so ist, stehen Verstappen in der Formel 1 auch alle Türen offen - ob er nun 2025 gegen die McLaren-Dominanz ankommt und seinen fünften Titel in Serie einfährt oder nicht. "Er hat jetzt Unlimited Access", betont Danner: "Was er will, kriegt er, jetzt und in der Zukunft. Wenn er morgen sagt, ich würde gerne Ferrari fahren, wäre ich mir nicht sicher, welcher Ferrari-Mann fliegt - Leclerc oder Hamilton -, aber einer fliegt hundertpro."

Red Bull ist gefordert. Schafft es der Rennstall nicht, Verstappen WM-würdiges Material zur Verfügung zu stellen, "schaut er halt, wo er das bekommt", räumte Marko bei sport.de jüngst ein. Dass der viermalige Champion entsprechende Performance-Klauseln in seinem bis 2028 laufenden Vertrag hat, die ihm einen vorzeitigen Abgang ermöglichen, ist ein offenes Geheimnis. Aston Martin mit Milliardärs-Eigner Lawrence Stroll und Design-Guru Adrian Newey wird immer wieder als Anlegestelle gehandelt.

"Wenn er morgen sagt, ich will zu Aston Martin, dann schicken die Alonso in den Ruhestand oder sagen Lance Stroll, er soll mal ein Jahr Pause machen. Wenn Verstappen morgen Toto Wolff und Mercedes anruft, gilt das Gleiche - alle Unmöglichkeiten stehen ihm offen", sagt Danner.

Eine ziemlich komfortable Position ist das, aus der Max Verstappen die in dieser Saison vermeintlich unschlagbaren McLaren-Piloten attackiert. Dazu kommt eine scheinbar perfekte "Work-Life-Balance". Verstappen und Partnerin Kelly Piquet erwarten in Kürze ihr erstes gemeinsames Kind. Dass Verstappen die berüchtigten "Daddy-Zehntel" verliert - darauf solle besser keiner wetten, sagt Marko. Der Erfolg fliege seinem Protegé aber auch nicht einfach in den Mund wie goldgebratene Tauben. "Er ist genial, aber nicht faul."

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