Lukas Berro ist als Bundestrainer beim Deutschen Skiverband (DSV) seit mehr als drei Jahren für den Nachwuchs im Freeski zuständig. Der 32-Jährige arbeitet eng mit Bundestrainer Jirka Volak zusammen. Mit Muriel Mohr und Vincent Veile könnte zwei deutsche Athleten bei den Olympischen Spielen in Cortina d‘Ampezzo und Mailand antreten. Berro arbeitet daran, dass in Zukunft mehr deutsche Freeskier den Weg in die Weltspitze finden.
WELT: Halfpipe, Big Air, Slopestyle – Freeskiing ist bei jungen Leuten hip und angesagt. Da dürften der Deutsche Skiverband keine Nachwuchssorgen haben, oder?
Lukas Berro: Das ist leider nicht so. Wir hatten bei uns schwache Jahrgänge, weil wenige junge Leute mit diesem großartigen Sport in Berührung gekommen sind. Es fehlt in Deutschland im Freeski an einer Vereinsstruktur und an Funparks in denen man unsere Sportart ausüben kann. Das ist ein Unterschied zu unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz, wo sich die Kids in den Freeski Sparten der Skivereine anmelden und gemeinsam im Snowpark im geführten Training viel Zeit verbringen, gemeinsam besser werden und so auf sich und die Sportart aufmerksam machen.
WELT: Was tun Sie dagegen?
Berro: Wir vom Deutschen Skiverband versuchen fehlende Vereinsstruktur zu simulieren und eine Anlaufstelle für die Freeski interessierten Kids zu entwickeln. Das Tool dazu sind die Freeski-Coaching-Days vom DSV. An bis zu 20 Tagen im Jahr bieten wir kostenfreies Training in einigen Snowparks in Bayern und grenznahen Skigebieten an. So machen wir die Kids auf uns und den Sport aufmerksam. Das ist unser wichtigstes Werkzeug, um Talente zwischen neun und 15 Jahren zu scouten. Es gibt viele Kinder, die Freeski cooler als die alpinen Disziplinen finden. Sie können es dann aber nicht so richtig trainieren. Die meisten, die nicht direkt in den Bergen leben, kommen erstmalig im Urlaub mit unserem Sport in Berührung.
WELT: Wo ein Tagesticket für die Lifte über 70 Euro kostet. Erschwert das die Nachwuchsarbeit?
Berro: Zum Glück gibt es in vielen Skigebieten Jugendtarife, die wir bestmöglich nutzen. Mit Saisonkarten in Tirol oder Salzburg haben wir Zugriff auf einige Funparks in denen wir uns überwiegend zum Training bewegen. Aber es werden bestimmt auch deswegen leider Talente ausgefiltert, die sich den Sport einfach nicht leisten könnten.
WELT: Was kostet eine Saison für ein hoffnungsvolles Talent, das den Sprung nach oben schaffen will?
Berro: Mit Equipment, Anreisen, Übernachtungen und Skipässen kommen schon ein paar Tausend Euro zusammen, wenn die Kinder ambitioniert sind und in den Europacup kommen wollen. Wir haben gelernt, dass wir durch die Lebensschule Leistungssport den Kindern einen ordentlichen Weg bereiten können, für den die Eltern auch bereit sind, das Budget zu generieren. Hier sind auch Inhalte neben dem Sport gemeint, die den Kids in der Persönlichkeitsentwicklung und im Erwachsen werden enorm helfen.
WELT: Ist es ein Sport nur für Reiche?
Berro: Nein. Viele Kinder kommen direkt aus den Skigebieten und haben ein Saisonticket. Das ist dann nicht so teuer, zumal dann Anreise und die Übernachtungen wegfallen. Wir versuchen über die vom Verband gestellten Fahrzeuge bestmöglich Fahrgemeinschaften zu bilden, um so die Situation für die Kinder und Eltern bestmöglich abzufangen. Ein paar Kilometer sind aber schon von den Eltern abzudecken.
WELT: Und dann ist immer noch nichts garantiert.
Berro: Leider nein. Ein hohes Maß an intrinsischer Motivation ist absolut notwendig und das bringt nun einmal leider nicht ein jeder mit. Gerade während der Pubertät verlieren wir immer wieder Talente, die einen anderen Weg einschlagen. Der Leistungssport fordert viel Verzicht der jungen Sportler, gerade was Partys, Freunde und Familie angeht.
WELT: Mit Vincent Veile und Muriel Mohr starten zwei Deutsche im Weltcup. Was bedarf es für ein breiteres Fundament?
Berro: Wie vorhin angesprochen, versuchen wir uns über die Coaching-Tage neue Talente in die Kaderstrukturen der Landessportverbände zu holen. Ich bin nun seit dreieinhalb Jahren dabei und gemeinsam mit den Trainerkollegen im DSV und BSV haben wir einiges vorangebracht. Ich bin zuversichtlich, dass das in den kommenden Jahren noch weitere Früchte tragen wird.
WELT: Reichen die Voraussetzungen dafür?
Berro: Ich komme aus Tschechien. Für mich war es viel mühsamer, was die Finanzen, die Ausstattung der Sportstätten und das Equipment angeht. Die Jungs und Mädels haben schon großartige Möglichkeiten hier in Deutschland. Wenn ich zum Beispiel die Ausstattung am Internat in Berchtesgaden, vor allem mit dem neuen Landing Bag sehe – da können andere Nationen nur von träumen.
WELT: Wissen die Teenager das zu schätzen?
Berro: Manche mehr, manche weniger. Vor allem die etwas älteren Sportler im System erleben wie Freeski immer professioneller wird. Die jüngeren hingegen werden in die aktuelle Situation hineingeboren und nehmen es als Standard wahr. Aktuell haben wir einige Talente, die sehr motiviert in die Saison gestartet sind. Teilweise muss man dann ein wenig die Bremse anziehen, um die Gesundheit nicht überzustrapazieren. Grundsätzlich müssen sie sich nur selbst die Frage beantworten: Willst du Leistungssportler werden?
WELT: Wie ist die Antwort?
Berro: Bei denen, die wir im System haben, heißt es: ja. Das ist so wie bei einem Ingenieur oder Arzt. Dann musst du halt dich dafür committen. Wenn du ein richtig guter Arzt werden willst, musst du auch viel investieren. So ist das im Leistungssport eben auch. Die besten Voraussetzungen in Deutschland sind bei uns am Sportinternat CJD in Berchtesgaden. Hier lässt sich der Spagat zwischen Sport und Schule am besten umsetzen. Dafür muss man aber seine Familie und Freunde zu Hause zurücklassen.
WELT: Dafür können sie ihren Traum vom Profi leben.
Berro: Ja. Ihr Arbeitsplatz ist dann der Snowpark. Geiler geht es doch nicht.
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