In 50 Tagen starten die Olympischen Winterspiele von Cortina d’Ampezzo und Mailand (6. Februar), aber die deutschen Wintersportler kämpfen in vielen Disziplinen noch um den Anschluss an die Weltspitze. Vor allem bei den Skispringern sieht es derzeit ganz düster aus. Große Hoffnung löst eine deutsche Skifahrerin aus. WELT macht den Winter-Check in den wichtigsten Disziplinen. So sind die deutschen Olympiastarter aktuell drauf, so stehen ihre Medaillenchancen.
SKISPRINGEN
Die Männer sind aktuell völlig außer Form. Fünffach-Weltmeister Karl Geiger wurde von Bundestrainer Stefan Horngacher aus dem Weltcup genommen. Auch Olympiasieger Andreas Wellinger pausiert. Trainieren statt Wettkampf – die Adler stecken in der Vollkrise.
Lichtblick: Philipp Raimund: Er ist aktuell Vierter im Weltcup, gilt als Herausforderer bei der Vierschanzentournee (ab 28.12.). Auch Felix Hoffmann konnte mit einem Podiumsplatz (Dritter beim Weltcup in Lillehammer) auf sich aufmerksam machen.
Und die Frauen? Konstant solide, Tendenz Aufwind. Vier sind aktuell unter den besten 17 der Welt. Mit Katharina Schmid und Selina Freitag hat Deutschland zwei Athletinnen, die um die Medaillen springen können.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: einmal Silber, zweimal Bronze bei Olympia 2022.
SKI ALPIN
Hoffnung bei den Frauen, Sorgen bei den Männern: Multi-Talent Emma Aicher könnte aus deutscher Sicht in Cortina der Ski-Star der Winterspiele werden. Gerade gewann sie die Weltcup-Abfahrt von St. Moritz, fuhr zudem im Slalom bereits zwei Mal aufs Podium (jeweils Platz drei in Levi und Courchevel). Im Gesamtweltcup ist Aicher aktuell starke Vierte.
Auch Teamkollegin Lena Dürr hat Medaillenchancen im Slalom, stand zuletzt in Cooper Mountain auf dem Podest (Platz zwei). Die größten Konkurrentinnen für die Damen sind die US-Superstars Lindsey Vonn (älteste Weltcup-Siegerin überhaupt) und Mikaela Shiffrin (hat bisher jeden Slalom in dieser Saison gewonnen).
Die deutschen Herren werden in Bormio mit großer Wahrscheinlichkeit leer ausgehen. Slalom-Ass Linus Straßer fährt nach einem Materialwechsel im Sommer nur hinterher, fuhr erst einmal in die Top 10. Zuletzt schaffte er es wie alle anderen deutschen Starter in Val d’Isere nicht mal in den zweiten Durchgang der Top 30. Im Riesenslalom haben Anton Grammel, Fabian Gratz und Alexander Schmid allenfalls Chancen auf die Top 15. In Abfahrt und Super G sind die Deutschen chancenlos.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: einmal Silber.
BIATHLON
Das deutsche Biathlon-Team ist bisher vom Pech verfolgt. Weltmeisterin Franziska Preuß hatte erst eine Hand-OP, dann erkrankte sie an Corona. Am Donnerstag in Le Grand-Bornand (Frankreich) gibt sie ihr Weltcup-Comeback. Teamkollegin Selina Grotian fehlt nach Krankheit noch. Lichtblick bisher: die Frauen-Staffel auf Platz drei in Hochfilzen (Österreich). Julia Tannheimer ist läuferisch stark, aber leistet sich zu viele Schießfehler. Vanessa Voigt und Anna Weidel erreichten je eine Platzierung unter den besten Acht.
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Bei den Männern gelang Philipp Horn mit 31 erstmals eine Einzel-Podiumsplatzierung: Dritter im Sprint in Hochfilzen plus Rang vier in der Verfolgung. Der Rest der Mannschaft hat bisher einen Abstand zur Spitze. Die Männer-Staffel ist mit den Rängen vier und fünf nah an den Medaillenplätzen dran.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: einmal Gold, einmal Bronze.
BOB
Vor allem bei den Männern ist klar: Deutschland holt Gold – und wahrscheinlich auch Silber und Bronze. Die Frage ist nur, in welcher Reihenfolge? Bisher hat Johannes Lochner gegenüber Francesco Friedrich die Nase sowohl im Zweier- als auch im Viererbob vorn. Mit Adam Ammour hat Deutschland auch noch einen dritten Top-Piloten.
Bei den Frauen ist das Bild ähnlich. Laura Nolte, Kim Kalicki und Lisa Buckwitz fahren im Zweierbob der Konkurrenz davon. Die größten Chancen, die deutsche Dominanz zu durchbrechen, hat die Konkurrenz im Monobob der Frauen.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: dreimal Gold, dreimal Silber, einmal Bronze.
RODELN
Die deutschen Rodler fahren mit der Konkurrenz längst nicht mehr Schlitten. Rekord-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger (sechsmal Gold) hat ihre Karriere beendet. Die neue Schlitten-Hoffnung heißt Merle Fräbel.
Auch bei den Herren ist Titelverteidiger Johannes Ludwig nicht mehr dabei. Dafür hat Felix Loch diese Saison 16 Jahre nach seinem ersten Weltcup-Sieg bereits Weltcup-Sieg Nummer 52 eingefahren. Auch Max Langenhahn ist gut in die Saison gestartet.
Sowohl bei Frauen, Herren, Doppelsitzern (erstmals auch Frauen) als auch im Team sollte Deutschland auf dem Podest stehen. Ob es wieder einen Goldregen wie in Peking gibt (Platz eins in allen vier Disziplinen), ist allerdings eher fraglich.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: viermal Gold, zweimal Silber.
SKELETON
Mit Jaqueline Pfeifer und Hannah Neise sowie Axel Jungk und Lukas David Nydegger hat Deutschland bei Frauen und Männern jeweils zwei Gold-Kandidaten.
Gut zudem: In Cortina ist erstmals auch der Mixed-Wettbewerb im olympischen Programm. Die Frauen zeigten Ende November schon, dass ihnen die Bahn in Cortina liegt: Doppelsieg für Pfeifer und Neise.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: zweimal Gold, einmal Silber.
LANGLAUF
Mit Victoria Carl fehlt Deutschlands beste Langläuferin wegen eines positiven Dopingtests. Ohne sie tun sich die Frauen in der Loipe bisher schwer. Positive Ansätze zeigen bisher lediglich die Sprinterinnen Laura Gimmler und Coletta Rydzek.
Bei den Männern ist der Abstand zu den Top-Leuten riesig. Ein zwölfter Rang von Florian Notz zuletzt in Davos ist bisher das beste Ergebnis. Plätze unter den Top 10 – Fehlanzeige.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: einmal Gold, einmal Silber.
NORDISCHE KOMBINATION
Vier Wettkämpfe, vier Podestplätze. Auf die Kombinierer ist bereits zum Saisonstart Verlass. Vor allem Julian Schmid zeigt sich in starker Frühform, liegt im Weltcup auf Platz zwei. Neben ihm sorgen auch Wendelin Thannheimer, Johannes Rydzek und Vinzenz Geiger für deutsche Geschlossenheit.
Wahrscheinlich, dass die Form sogar weiter steigt – besonders bei Geiger. Der Gesamtweltcupsieger des Vorjahres stieg verspätet in den Weltcup ein. Beim Hallenfußball hatte er sich in der Vorbereitung drei knöcherne Bandausrisse am rechten Fuß zugezogen.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022:einmal Gold,einmal Silber.
FREESTYLE
In den Fun-Wettbewerben (Halfpipe, Big Air, Slopestyle usw.) werden die Deutschen keine Medaillen gewinnen. Im Skicross raste Daniela Maier bei der zweiten Weltcup-Station in Arosa auf Platz zwei. Die WM-Dritte zählt beim Olympia-Rennen in Livigno definitiv zu den Medaillenkandidaten.
Snowboarder Stefan Baumeister fuhr im Parallel-Riesenslalom zuletzt in Mylin (China) nach drei Jahren Wartezeit mal wieder aufs Podium, wurde Zweiter. Teamkollege Elias Huber wurde starker Vierter, machte die Olympia-Quali genau wie Cheyenne Loch (zweimal Top 10) klar.
Sorgen macht weiterhin Ramona Hofmeister. Die vierfache Gesamtweltcup-Siegerin erlitt im September eine Fraktur im Sprunggelenk. Ihr Comeback wird ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Snowboardcrosser sind stark gestartet. Martin Nörl und Leon Ulbricht fuhren beim Weltcup-Auftakt in Cervinia auf die Plätze vier und fünf.
► Medaillenbilanz bei Olympia 2022: einmal Bronze.
SKIBERGSTEIGEN (neu)
Medaillen-Entscheidungen gibt es bei Frauen und Männern jeweils im Sprint. Hinzu kommt eine Mixed-Staffel. Tatjana Paller und Finn Hösch gehören in diesem Rennen zu den Podest-Hoffnungen. Beim Weltcup-Auftakt in Utah wurden sie Vierter.
EISHOCKEY
Mit sieben NHL-Stars wird Deutschland am Eishockey-Turnier teilnehmen. Leon Draisaitl, der gerade seinen 1000. Scorer-Punkt in der NHL erzielte, ist wohl der bekannteste Athlet des Olympia-Teams insgesamt. Doch ob für die Silber-Gewinner von 2018 sieben Top-Spieler reichen, um in Medaillennähe zu kommen? Die Eishockey-Nationen USA, Kanada, Schweden, Finnland und Tschechien rekrutieren nahezu ihre kompletten Teams aus der besten Liga der Welt. Die NHL gab zum ersten Mal seit 2014 wieder ihre Spieler frei.
In der Vorrunde sind Dänemark, Lettland und die USA die Gegner. Das Viertelfinale sollte Pflicht sein, mehr wäre eine angenehme Überraschung – wie 2018. Die deutschen Frauen sind zum ersten Mal seit 2014 dabei und an Position neun gesetzt.
EISSCHNELLLAUF
2026 besteht zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder die Hoffnung auf das Erreichen des Podests – wenn auch nur mit einem Athleten: Finn Sonnekalb. Der Shootingstar aus Erfurt holte über 1000 m (Platz zwei) und 1500 m (Platz zwei und drei) schon drei Podiumsplatzierungen im Weltcup in diesem Winter. Über beide Distanzen stellte er deutsche Rekorde auf.
Nur Überflieger Jordan Stolz (USA) ist scheinbar unschlagbar. Der Rest der Truppe ist weit weg von den Medaillen. Eine Überraschung könnten höchstens die Teams in der Verfolgung schaffen.
EISKUNSTLAUF
Auf Minerva Hase und Nikita Volodin ruhen die deutschen Hoffnungen in Mailand. Als Weltmeisterszweite und Europameister zählen die Berliner zu den größten deutschen Medaillen-Hoffnungen überhaupt. Da die russischen und belarussischen Paare wohl nicht dabei sind, steigen die Chancen auf das Podest erheblich. Grundlage war, dass Volodin, gebürtiger Russe, im August die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt.
Problem unseres Duos: die Konstanz. Mal gibt es einen Stolperer im Tango des Kurzprogramms, mal wackelt es in der Kür. Das können sie sich bei Olympia nicht leisten; da braucht es zwei perfekte Darbietungen. In diesem Winter gab es schon einen Grand-Prix-Erfolg in Helsinki, sowie einen zweiten und dritten Rang in Saskatoon und Nagoya.
Schlimm: Zum ersten Mal seit 2002 konnte sich kein Athlet in den Einzel-Disziplinen qualifizieren. Die Deutsche Eislauf-Union schickt zur EM in Sheffield im Januar keine Frau – zu schlecht.
CURLING
Das deutsche Curling ist wieder auf dem Weg nach oben, zumindest bei den Männern. Im November wurden sie nach 20 Jahren wieder Europameister, bei der WM schafften sie mit Platz 8 die Olympia-Qualifikation – zum ersten Mal seit 2014. Ob es für das junge Team um Skip Marc Muskatewitz für das Podest reicht, ist fraglich. Eine Medaille wäre eine dicke Überraschung. Die Frauen fehlen.
FAZIT
Von so einer Bilanz wie bei den Winterspielen 2022 ist Deutschland aktuell weit entfernt. 2022 in China schaffte es das Olympiateam im Medaillenspiegel auf Rang zwei (zwölfmal Gold, zehnmal Silber, fünfmal Bronze) hinter Norwegen. 16 der 27 Medaillen kamen aus dem Eiskanal. Gut möglich, dass sich dieses Mal außerhalb der Eisbahn noch weniger tut.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild“ veröffentlicht.
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