Die Lobby des Hilton Capitol in Washington wirkte, als hätten es die Nationaltrainer nach der WM-Auslosung für ein Klassentreffen gemietet.
Österreichs Coach Ralf Rangnick rollte aufgrund seiner Sprunggelenksprobleme auf einem Mini-Bike durch die Halle. Englands Thomas Tuchel kam zusammen mit dem Schweizer Coach Murat Yakin im Fifa-Bus an. Julian Nagelsmann schlenderte etwas später herein. Statt sich unter die Kollegen zu mischen, besprach er sich mit seinem Organisations-Team, bevor er aufs Zimmer verschwand. Der deutsche Bundestrainer wusste: In den nächsten Tagen erwartet ihn ein straffes Programm.
Nach dem Trainer-Meeting am Samstagvormittag war für die DFB-Delegation in den kommenden Tagen eine Reise zum Quartier-Check geplant. Noch ist das Team-Hotel, das Nagelsmann favorisiert, beim DFB ein streng gehütetes Geheimnis. Tatsächlich soll Nagelsmanns Wunschquartier nicht bei einer der Metropolen wie New York liegen. Eine Option wäre der Mittlere Westen der USA. Zwischenzeitlich galt North Dakota, ein dünn besiedelter Staat an der kanadischen Grenze, gut 1600 km östlich von Seattle, als einer der Favoriten. Aber auch North Carolina an der Ostküste wurde diskutiert.
EM-Base-Camp dient als Vorbild
Ausschlaggebend für die Wahl des Bundestrainers war, dass das Hotel komplett und exklusiv gebucht werden kann und dass die Wege zu den Trainingsplätzen kurz sind. Vorbild ist das EM-Base-Camp Herzogenaurach, wo Schlafräume, Trainingsplatz und Fitness-Anlage eng beieinanderliegen. Dazu müssen individuelle Wünsche erfüllt werden können. Noch muss der DFB aber für die endgültige Hotelwahl den Segen der Fifa bekommen. Beim DFB rechnet man daher nicht mit einer Verkündung vor Januar.
Die Auslosung mit den ersten Spielorten Houston, Toronto und New York spielte Nagelsmann voll in seine Quartier-Pläne. Auch auf die zugelosten Gruppengegner Ecuador, Elfenbeinküste und Curaçao blickte so mancher Kollege etwas neidisch. „Es ist wie immer“, kommentierte Tuchel das deutsche Losglück. Der englische Nationaltrainer hat es mit Kroatien, Ghana und Panama schwerer erwischt. „Du musst durch die Gruppe kommen, sonst hast du keine Chance zu gewinnen. Das ist in der Champions League nicht anders, und deshalb geht die ganze Energie, der ganze Fokus auf die Gruppe. Das wird bei Julian nicht anders sein“, sagte Tuchel im Gespräch mit der „Sport Bild“.
Tuchel zieht es mit England zur Vorbereitung ins Ferienparadies Miami. Die deutsche Nationalmannschaft wird sich dagegen fast eine Woche in Chicago vorbereiten, wo am 6. Juni im Soldier-Field-Stadion der letzte Test gegen Gastgeber USA stattfindet. Von da aus geht es dann direkt ins Mannschaftsquartier.
Klar ist bereits auch: Nagelsmann bevorzugt, direkt nach den drei Gruppenspielen noch am Abend ins Team-Hotel zurückzufliegen. Die frühen Anstoßzeiten vor Ort mit 12 Uhr gegen Curaçao in Houston sowie 16 Uhr gegen die Elfenbeinküste in Toronto und nochmals 16 Uhr gegen Ecuador in New York sind da von Vorteil.
Durch das Gruppenlos Elfenbeinküste muss sich die deutsche Nationalmannschaft nun für das Testspiel am 30. März in Stuttgart einen neuen Gegner suchen. Nach Informationen der „Sport Bild“ haben sich Nagelsmann und sein Team dafür entschieden, erneut eine afrikanische Mannschaft zu wählen, um die Partie gegen die Elfenbeinküste zu simulieren.
Eine weitere Testspiel-Umplanung hätte auch im Fall eines Schweizer Loses passieren können. In Basel ist am 27. März die Partie gegen die Eidgenossen geplant. „Es wäre schön gewesen, wieder aufeinanderzutreffen“, bedauerte Nationaltrainer Yakin, nicht gegen Deutschland in der Gruppe zu spielen. „Am Schluss sind wir Fußballer, die sich gegen gute Gegner messen wollen. Es kann ja vielleicht nachher dazu kommen, wenn wir uns für die nächsten Runden qualifizieren.“ Vor dem Abflug in die USA wird Deutschland zudem noch am 31. Mai in Mainz auf Finnland treffen.
Neuendorf warnt vor Ecuador und der Elfenbeinküste
Nach zweimaligem Ausscheiden in der Vorrunde nimmt der DFB die Gruppe nicht auf die leichte Schulter. „Elfenbeinküste ist Afrikameister“, warnt DFB-Präsident Bernd Neuendorf. „Ich war selbst beim Afrika-Cup beim Finale, habe die Elfenbeinküste spielen sehen. Das muss man schon sehr, sehr ernst nehmen. Ich finde, das ist ein sehr schwieriger Gegner.“ Gleiches gelte für Partie Nummer drei, so Neuendorf: „Auch Ecuador ist sicherlich jemand, den man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Sie haben sich immerhin in Südamerika durchgesetzt.“ Für Curaçao gilt: „Ich freue mich wirklich sehr, dass wir auch einen Exoten dabeihaben.“
Nagelsmann wird bei dem Karibikstaat konkreter: „Sie haben einen super erfahrenen Trainer (Dick Advocaat, die Redaktion), haben viele Spieler, die in den Niederlanden geboren und auch durch Niederländer ausgebildet worden sind. Da wissen wir, wie extrem gut die niederländische Fußballausbildung ist.“
Gute Chancen für El-Mala und Karl
Vor Ende der Woche wird die DFB-Delegation in Deutschland zurückerwartet. Dann soll das WM-Quartier fix gemacht sein, vorbehaltlich der Fifa-Genehmigung. Seinen Zeitplan für den Zeitraum bis zu den nächsten Länderspielen im März hat der Bundestrainer bereits im Kopf. „Meine Aufgaben sind, die Gegner zu analysieren und Matchpläne zu entwickeln, einen Kader zu bestimmen, der gut genug ist, um dann ein sehr gutes Turnier zu spielen.“
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Was die Spieler betrifft, die für die WM eingeplant sind, steht für das Trainer-Team bereits 80 bis 85 Prozent des Kaders. Talente wie der Kölner Saïd El Mala und Lennart Karl vom FC Bayern haben weiterhin die Chance, auf den WM-Zug aufzuspringen. Keine weiteren Verletzungen vorausgesetzt. Schließlich soll der Münchner Schlüsselspieler Jamal Musiala spätestens Anfang Januar wieder auf dem Platz stehen. Für den Langzeitverletzten Kai Havertz soll ein Kaderplatz so lange wie möglich offen gehalten werden.
Der WM-Plan steht – nun muss er beim Turnier in den USA, Kanada und Mexiko nur noch aufgehen.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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