Die Innenminister der Länder wollen strikter gegen Gewalt in Fußballstadien vorgehen. Bei ihrer Herbstkonferenz in Bremen gehörte der Sachstandsbericht einer Bund-Länder-offenen Arbeitsgruppe „Fußball ohne Gewalt“ nach Angaben von Teilnehmern zu den besonders intensiv diskutierten Themen.

Beim Abschluss des dreitägigen Treffens hieß es vergangenen Freitag, die Innenministerinnen und Innenminister wollten nach Jahren gegenseitiger Vorhaltungen an der inzwischen etablierten Zusammenarbeit mit den Fußballverbänden festhalten.

Pläne zur Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen in Fußballstadien hatten seit Wochen für Diskussionen und Fan-Proteste gesorgt. Anlass waren unter anderem Ideen zu personalisierten Tickets, flächendeckenden Ausweiskontrollen, Gesichtserkennung und KI-Überwachung. Zu diesen Vorschlägen gab es allerdings in Bremen keine Beschlüsse. Ein Gespräch mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zur Einschätzung der Lage.

WELT: Herr Reul, vor der Innenministerkonferenz in Bremen sorgte die Diskussion über eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien für große Proteste der Ultras. Von der möglichen Einführung personalisierter Tickets bis zur von der Polizeigewerkschaft geforderten KI-Gesichtserkennung blieb am Ende nur die Einrichtung einer zentralen Stadionverbotskommission, aufgehängt beim DFB. Sind Sie trotzdem zufrieden?

Herbert Reul: Ich bin zufrieden. Wir haben klar gesagt, was wir von den Vereinen, Verbänden und Fans erwarten. In der Hoffnung, dass die Beteiligten verstehen, warum wir das wollen.

WELT: Nämlich?

Reul: Es gibt Kriminalität und Gewalt in und um die Stadien. Und es gibt Menschen, die den Eindruck erwecken wollen, als wäre das anders zu behandeln als Gewalt andernorts. Es hat aber mit Fankultur nichts zu tun, wenn Stadion-Toiletten zertrümmert, Züge auseinandergenommen werden und mit lebensgefährlicher Pyrotechnik geschossen wird. Die Clan-Mitglieder in NRW und Klimaprotestanten im Hambacher Forst glauben auch, sie seien im Recht, ich solle sie deshalb in Ruhe lassen. Das mache ich aber auch nicht. Es gilt gleiches Recht für alle. Wer kriminell ist, bekommt ein Problem. Das ist Punkt eins.

WELT: Punkt zwei?

Reul: Wir betreiben einen wahnsinnigen Aufwand beim Einsatz von Polizeikräften, um Sicherheit bei Fußballspielen zu organisieren. In NRW ist das eine riesige Herausforderung. Das gibt es so bei keiner anderen Sportveranstaltung. Da kann man durchaus die Frage stellen, welchen Beitrag die Vereine leisten müssen. Oder die Fans. Oder die Menschen insgesamt, die ins Stadion gehen. Es kann doch nicht sein, dass alles abgeladen wird auf den Staat, die Polizei und die Steuerzahler. Ein erster Schritt ist, dass es jetzt einen Konsens gibt mit der DFL und dem DFB beim Thema Stadionverbote.

WELT: Die zentrale Stadionverbotskommission soll als Aufsicht gerade über die Vereine fungieren, die von den eigenen Ultras dominiert werden? Und deshalb vor drastischen Strafen zurückschrecken?

Reul: Die Einführung der zentralen Stadionverbotskommission soll für mehr Verlässlichkeit, Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit sorgen. Es soll gelingen, dass nicht nur der randalierende Gäste-Fan mit einem Stadionverbot bestraft wird, während der Heim-Fan fröhlich pfeifend davonkommt. Aber um es klar zu sagen: Mit der zentralen Stadionverbotskommission sind längst nicht alle Probleme gelöst.

WELT: Wie bewerten Sie, dass die DFL die Anzahl der Sicherheits- und Fanbeauftragten in den Vereinen erhöht?

Reul: Das ist ein interessantes Signal, ich bin aber skeptisch, ob das reicht. Wir müssen noch über andere Maßnahmen nachdenken, etwa beim Thema Pyrotechnik.

WELT: Das bedeutet?

Reul: Das fängt bei den Zugangskontrollen an. Und wie wird damit umgegangen, wenn trotzdem Pyrotechnik ins Stadion gelangt und gezündet wird? Es gibt keine einfache Antwort, wie wir das Problem gemeinsam mit den Vereinen und Fans in den Griff bekommen, sonst hätten wir sie längst gefunden.

WELT: Hilft die Einführung personalisierter Tickets?

Reul: Das personalisierte Ticket ist nicht die Zauberwaffe für alle Probleme. Sondern eine Chiffre für die Frage, wie wir die Chaoten aus den Stadien bekommen. Kein Mensch fordert: Das muss es sein! Alle sagen nur: Personalisierte Tickets sind ein Instrument, das wir kennen, das uns helfen kann. Es wirft aber auch wieder neue Probleme auf. Insofern stellen wir uns die Frage: Gibt es eine wirksame Alternative zu personalisierten Tickets? Wir müssen aufpassen, dass wir die große Masse der Fans nicht mit Maßnahmen belasten aufgrund der gewaltbereiten Chaoten in den Stadien. Die Idee sind daher zielgenaue Maßnahmen.

WELT: Sie sprechen von einem riesigen Polizeieinsatz-Problem in NRW, dem Bundesland mit den meisten Klubs in den ersten drei Ligen. Warum ist Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) trotzdem der Einzige, der der DFL Gebührenbescheide für zusätzliche Polizeikräfte bei Hochrisikospielen von Werder schickt? Zumal andere Bundesländer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachziehen könnten?

Reul: Das ist ein Dauerthema in der Innenministerkonferenz. Ich bleibe dabei, dass ich das nicht will. Wenn man einmal anfängt, sich Polizeieinsätze bezahlen zu lassen – wo führt das hin? Wo fängt es an, wo hört es auf? Müssten dann nur Vereine mit viel Geld zahlen und die Kleinen nicht? Wären dann auch alle Schützenzüge, Martinszüge und Kirmesveranstaltungen betroffen? Das ist keine Lösung. Ich könnte weniger Polizeibeamte einsetzen, wenn es weniger Krawalle gäbe. Das würde das Problem viel besser lösen, als wenn wir Rechnungen stellen würden.

WELT: Ihr Landesrechnungshof sieht das anders: In der vergangenen Saison hätten bei Risikospielen in der Bundesliga, Zweiten und Dritten Liga bis zu 15 Millionen. Euro eingespart werden können, wären Rechnungen gestellt worden.

Reul: Ich habe den Vereinen gesagt: Wenn ihr nicht helft, die Probleme in den Griff zu kriegen, werde ich das nicht mehr aufhalten können. Wenn wir die Einsätze nicht herunterfahren können, weil es nicht ruhiger in und um die Stadien wird, dann wird es immer schwieriger, meine Entscheidung zu verteidigen.

WELT: Also müssen die Vereine schnell liefern, sonst drohen schon bei der nächsten Innenminister-Konferenz 2026 in Hamburg Konsequenzen?

Reul: Ich will mich nicht auf einen Termin festlegen, aber mittelfristig muss sich etwas deutlich verändern.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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