Es war aus mehreren Gründen ein sehr besonderes Wochenende für den FC Bayern. Stürmerstar Harry Kane kam als „Joker“ in das Spiel beim VfB Stuttgart, erzielte beim 5:0 (1:0) drei Tore. Verteidiger Konrad Laimer wird in Anlehnung an die beiden weltbekannten Ballkünstler intern jetzt augenzwinkernd „Alpen-Zidane“ und „Laimer Yamal“ genannt, weil er per Hacke traf. Und für die potenziellen Nachfolger Manuel Neuers lief dieser so spezielle Tag in Stuttgart ganz unterschiedlich.

Jonas Urbig verließ das Stadion mit einem Lächeln, Alexander Nübel ausnahmsweise mal wortlos. „Ich komme ja sonst immer zu euch“, sagte er zu den Stuttgarter Reportern. Ihr Duell gewann klar Urbig. Erstmals seit Anfang November blieben die Bayern mal wieder ohne Gegentor. Und kommen nach 13 Spielen in der Bundesliga nun auf 37 Punkte – Ligarekord eingestellt.

„Die Bayern haben uns fertig gemacht heute“, sagte VfB-Stürmer Deniz Undav. Und sein Trainer Sebastian Hoeneß stellte fest: „Die Bayern sind das Nonplusultra nicht nur in der Bundesliga, mit Arsenal derzeit die beste Mannschaft in Europa.“

Urbig überzeugte mit einer starken Spieleröffnung und strahlte Sicherheit aus. Nübel (zwei Länderspiele) indes erwischte bei der ersten Heimniederlage der Stuttgarter in dieser Saison einen schwachen Tag – ausgerechnet gegen seinen Stammverein. „Nübel-Drama gegen seine Bayern“, schreibt die „Bild“. Die Frage, wie sich der deutsche Fußball-Rekordmeister in der neuen Spielzeit zwischen den Pfosten aufstellt, wird immer spannender.

Max Eberl gibt sich im Torwart-Poker des FC Bayern gelassen

„Wir werden uns das ganz in Ruhe anschauen“, sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl nach der Partie. Man habe eine „gute Ausgangslage“. Neuers Vertrag bei den Bayern endet im Sommer 2026. Ob der langjährige Nationaltorwart noch mal verlängert, ist offen. Er betont immer wieder, dass er sich gesund und fit fühlen muss. Derzeit ist er das. Im März wird Neuer 40 Jahre.

„Mit Manu haben wir einen herausragenden Torwart, mit Jonas einen, der immer wieder seine Leistungen bringt, wenn er spielt. Alex Nübel gehört auch noch zum FC Bayern – ein Keeper mit sehr, sehr guter Qualität“, so Eberl. Eine Entscheidung falle „nicht in den nächsten Wochen und Monaten“, sondern werde „ein bisschen Zeit benötigen.“

Mit Urbig steht ein möglicher Nachfolger für Neuer bereit. Und Nübel? Der 29-Jährige ist noch bis Ende Juni an den VfB ausgeliehen – sein Vertrag bei den Bayern gilt bis 2030. Er steht seit 2020 bei den Münchnern unter Vertrag, war zwischenzeitlich zwei Jahre an AS Monaco verliehen. Unabhängig von seinem verkorksten Auftritt gegen die Bayern sei Nübel ein „herausragender Torwart“, betonte Eberl.

Man stehe immer wieder im Austausch. „Ganz normale Gespräche“ seien das. Gegen die Bayern hatte Nübel mehrere Unsicherheiten gezeigt, wurde beim 0:1 getunnelt – und beim dritten Gegentor von Josip Stanisic in der 78. Spielminute hatte er schließlich heftig gepatzt. „Aus seiner Sicht bitter für ihn“, sagte VfB-Trainer Hoeneß. „Auch bitter für uns. Er hätte es sich anders vorgestellt. Fehler gehören dazu. Das müssen wir und er so akzeptieren. Und am besten stärker aus dem Spiel rausgehen.“

Jonas Urbigs lange Bälle sorgen für Gefahr

Urbigs Gefühl war indes „sehr gut“. Es war ein kleiner Sieg für ihn bezüglich der Zukunft im Bayern-Tor. Samstagvormittag um elf Uhr hatte er auf einem Spaziergang mit der Mannschaft nahe dem Mannschaftshotel vom Trainerteam davon erfahren, dass er anstelle von Neuer in die Startelf rücken würde. Neuer sollte eine Pause bekommen, der mehrfache Welttorwart hatte „grünes Licht“ dafür gegeben, wie Eberl berichtete. Der 22-jährige Urbig sorgte in seinem vierten Pflichtspiel in dieser Saison mit mehreren langen Bällen in die Spitze für Gefahr, einer davon führte zum 1:0 von Laimer (11.).

„Ich habe mich gefreut, zu spielen. Ich bin immer vorbereitet, wir bereiten uns als Torwartteam immer gemeinsam vor. Wir haben eine sehr gute, solide Leistung gezeigt“, sagte Urbig nach dem Abpfiff. „Bis zur 60. Minute war es ein knappes Spiel, weil Stuttgart ein guter Gegner ist. Dann haben wir noch viel Frische nachlegen können, die Stuttgarter mussten ein bisschen aufmachen. Die Räume haben wir super genutzt.“

Auf das Duell mit Nübel angesprochen, antwortete er: „Über Torwartkollegen möchte ich nicht urteilen. Der Alex ist ein sehr guter Torwart.“ Weiter wolle er es nicht kommentieren. Über die Zukunft mache er sich ohnehin nicht allzu viele Gedanken. Urbig war vor rund einem Jahr vom 1. FC Köln nach München gewechselt.

Verlängert Neuer seinen Vertrag noch mal, würde Nübel 2026 wohl eher nicht nach München zurückkehren. Sollte Neuer jedoch seine (Bayern-)Karriere beenden, könnten die Klubbosse es zu einem Duell zwischen Urbig und Nübel um den Platz als Nummer eins im Bayern-Tor kommen lassen. Oder direkt auf Urbig setzen. Neuer, Weltmeister von 2014, hat sich bereits öffentlich für Urbig als Nachfolger ausgesprochen.

„Er hat in den Spielen schon gezeigt, dass er es kann, und das wird er noch weiter tun“, sagte der 39-Jährige vergangene Woche bei „Sky“. „Es ist für ihn kein Problem, dass er meine Nachfolge antreten kann und wird.“ Urbig sagte damals: „Das ehrt mich natürlich – aber ehrt natürlich auch ihn, dass er das so sieht. Ich finde, dass es trotzdem nichts garantiert.“

Dieses Spiel in Stuttgart war in Sachen Torwartfrage bei den Bayern ein Fingerzeig. Der VfB wird sich eine Verpflichtung Nübels im kommenden Sommer aller Voraussicht nach nicht leisten können. Das Paket aus Ablöse und Gehalt– Nübel soll Schätzungen zufolge bis zu elf Millionen Euro pro Jahr verdienen – ist für den Klub zu heftig. Die Bayern erhoffen sich im Falle eines Verkaufs Nübels dem Vernehmen nach eine zweistellige Millionen-Ablöse.

VfB-Sportdirektor Christian Gentner sagte Sonntagvormittag im Fußball-Talk „Doppelpass“ auf „Sport1“ über Nübel: „Er hat einen riesigen Mehrwert für uns, ist Publikumsliebling und eine Identifikationsfigur.“ Zur Zukunft Nübels sagte Gentner nichts Konkretes. Er betonte lediglich, wie froh man sei, dass man ihn aktuell habe. Sport1-Experte Stefan Effenberg, der lange unter anderem für den FC Bayern spielte, sagte: „Ich wünsche mir, dass Urbig die Nummer eins wird beim FC Bayern. Und Nübel die Nummer eins beim VfB Stuttgart bleibt.“

Dienstag geht es für die Münchner schon weiter. Wohl mit Neuer im Tor – in der Champions League gegen Sporting Lissabon (18.45 Uhr, DAZN) peilen sie den nächsten Sieg an. In der Königsklasse sind sie Tabellendritter, es ist für sie das letzte Spiel in dem Wettbewerb in diesem Jahr.

„Wir haben drei Spiele in sechs Tagen, wollen den Kader nutzen“, sagte Bayerns Trainer Kompany am vergangenen Samstag. „Jonas hat bisher noch nie enttäuscht und uns immer geholfen. Wir suchen immer den richtigen Moment, damit er seine Minuten bekommt und seine Entwicklung weitermachen kann. Das haben wir auch mit Manu besprochen und uns für heute entschieden, anstatt es nächste Woche zu machen. Danach geht alles wieder normal weiter.“

Beim FC Bayern deutet sehr vieles auf eine weitere Saison mit Manuel Neuer als Nummer eins hin – und Jonas Urbig hinter ihm.

Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-und Sport-Ernährungs-Themen. Im Spiel gegen Lissabon wird er im Münchner Stadion auf der Pressetribüne sitzen.

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